Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.Das Wissen steht zuerst, es steht das Seyn zuletzt, Das Wissen also ist dem Seyn vorausgesetzt. Jawohl ist meinem Seyn vorausgesetzt ein Wissen, Ein Wissen, welchem nie mein Seyn kann seyn entrissen. Ich bin von Gott gewußt, und bin dadurch allein; Mein Selbstbewußtseyn ist, von Gott gewußt zu seyn. Ich war nicht mein bewußt, und war nicht dein bewußt, O Gott, und war es doch, denn du warst mein bewußt. Bewußtseyn aber weiß nicht um sich selbst allein, Es weiß auch um die Welt, das wird es gleich entzwein. Doch die Versöhnung ist dem Streit schon eingewoben, Da ich die Welt und mich in Gott weiß aufgehoben. Nicht aufgehoben, wie sich Ja und Nein aufhebt; Emporgehoben, wie zur Sonn' ein Adler schwebt. Im Gottbewußtseyn geht nicht mein Bewußtseyn aus; Eingeht es wie ein Kind in seines Vaters Haus. Das Wiſſen ſteht zuerſt, es ſteht das Seyn zuletzt, Das Wiſſen alſo iſt dem Seyn vorausgeſetzt. Jawohl iſt meinem Seyn vorausgeſetzt ein Wiſſen, Ein Wiſſen, welchem nie mein Seyn kann ſeyn entriſſen. Ich bin von Gott gewußt, und bin dadurch allein; Mein Selbſtbewußtſeyn iſt, von Gott gewußt zu ſeyn. Ich war nicht mein bewußt, und war nicht dein bewußt, O Gott, und war es doch, denn du warſt mein bewußt. Bewußtſeyn aber weiß nicht um ſich ſelbſt allein, Es weiß auch um die Welt, das wird es gleich entzwein. Doch die Verſoͤhnung iſt dem Streit ſchon eingewoben, Da ich die Welt und mich in Gott weiß aufgehoben. Nicht aufgehoben, wie ſich Ja und Nein aufhebt; Emporgehoben, wie zur Sonn' ein Adler ſchwebt. Im Gottbewußtſeyn geht nicht mein Bewußtſeyn aus; Eingeht es wie ein Kind in ſeines Vaters Haus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0129" n="119"/> <lg n="3"> <l>Das Wiſſen ſteht zuerſt, es ſteht das Seyn zuletzt,</l><lb/> <l>Das Wiſſen alſo iſt dem Seyn vorausgeſetzt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Jawohl iſt meinem Seyn vorausgeſetzt ein Wiſſen,</l><lb/> <l>Ein Wiſſen, welchem nie mein Seyn kann ſeyn entriſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ich bin von Gott gewußt, und bin dadurch allein;</l><lb/> <l>Mein Selbſtbewußtſeyn iſt, von Gott gewußt zu ſeyn.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ich war nicht mein bewußt, und war nicht dein bewußt,</l><lb/> <l>O Gott, und war es doch, denn du warſt mein bewußt.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Bewußtſeyn aber weiß nicht um ſich ſelbſt allein,</l><lb/> <l>Es weiß auch um die Welt, das wird es gleich entzwein.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Doch die Verſoͤhnung iſt dem Streit ſchon eingewoben,</l><lb/> <l>Da ich die Welt und mich in Gott weiß aufgehoben.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Nicht aufgehoben, wie ſich Ja und Nein aufhebt;</l><lb/> <l>Emporgehoben, wie zur Sonn' ein Adler ſchwebt.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Im Gottbewußtſeyn geht nicht mein Bewußtſeyn aus;</l><lb/> <l>Eingeht es wie ein Kind in ſeines Vaters Haus.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [119/0129]
Das Wiſſen ſteht zuerſt, es ſteht das Seyn zuletzt,
Das Wiſſen alſo iſt dem Seyn vorausgeſetzt.
Jawohl iſt meinem Seyn vorausgeſetzt ein Wiſſen,
Ein Wiſſen, welchem nie mein Seyn kann ſeyn entriſſen.
Ich bin von Gott gewußt, und bin dadurch allein;
Mein Selbſtbewußtſeyn iſt, von Gott gewußt zu ſeyn.
Ich war nicht mein bewußt, und war nicht dein bewußt,
O Gott, und war es doch, denn du warſt mein bewußt.
Bewußtſeyn aber weiß nicht um ſich ſelbſt allein,
Es weiß auch um die Welt, das wird es gleich entzwein.
Doch die Verſoͤhnung iſt dem Streit ſchon eingewoben,
Da ich die Welt und mich in Gott weiß aufgehoben.
Nicht aufgehoben, wie ſich Ja und Nein aufhebt;
Emporgehoben, wie zur Sonn' ein Adler ſchwebt.
Im Gottbewußtſeyn geht nicht mein Bewußtſeyn aus;
Eingeht es wie ein Kind in ſeines Vaters Haus.
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