Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.101. Des armen Menschen Glück ist meistens ein Vermeiden Des Unglücks, seine Lust Abwesenheit der Leiden. Verderben droht, und weicht, frei hebt er seine Brust, Das nennt er dann sein Glück, das nennt er seine Lust. 102. Hat doch jede Geburt des Lebens ihre Wehn! Sie sind zu überstehn, weil sie vorübergehn. O wäre jedes Glück mit Schmerzen nur geboren, Nicht einst mit schmerzlichern Gefühlen auch verloren! 103. Auch dieses biet' ich dir, o Herr, zum Opfer an, Was, wenn dus forderst, ich ja nicht verweigern kan. Allein verschweigen kann ichs weder mir noch dir: Nimm die Willfährigkeit, und spar das Opfer mir! 101. Des armen Menſchen Gluͤck iſt meiſtens ein Vermeiden Des Ungluͤcks, ſeine Luſt Abweſenheit der Leiden. Verderben droht, und weicht, frei hebt er ſeine Bruſt, Das nennt er dann ſein Gluͤck, das nennt er ſeine Luſt. 102. Hat doch jede Geburt des Lebens ihre Wehn! Sie ſind zu uͤberſtehn, weil ſie voruͤbergehn. O waͤre jedes Gluͤck mit Schmerzen nur geboren, Nicht einſt mit ſchmerzlichern Gefuͤhlen auch verloren! 103. Auch dieſes biet' ich dir, o Herr, zum Opfer an, Was, wenn dus forderſt, ich ja nicht verweigern kan. Allein verſchweigen kann ichs weder mir noch dir: Nimm die Willfaͤhrigkeit, und ſpar das Opfer mir! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0076" n="66"/> <div n="2"> <head>101.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Des armen Menſchen Gluͤck iſt meiſtens ein Vermeiden</l><lb/> <l>Des Ungluͤcks, ſeine Luſt Abweſenheit der Leiden.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Verderben droht, und weicht, frei hebt er ſeine Bruſt,</l><lb/> <l>Das nennt er dann ſein Gluͤck, das nennt er ſeine Luſt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>102.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Hat doch jede Geburt des Lebens ihre Wehn!</l><lb/> <l>Sie ſind zu uͤberſtehn, weil ſie voruͤbergehn.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>O waͤre jedes Gluͤck mit Schmerzen nur geboren,</l><lb/> <l>Nicht einſt mit ſchmerzlichern Gefuͤhlen auch verloren!</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>103.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Auch dieſes biet' ich dir, o Herr, zum Opfer an,</l><lb/> <l>Was, wenn dus forderſt, ich ja nicht verweigern kan.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Allein verſchweigen kann ichs weder mir noch dir:</l><lb/> <l>Nimm die Willfaͤhrigkeit, und ſpar das Opfer mir!</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [66/0076]
101.
Des armen Menſchen Gluͤck iſt meiſtens ein Vermeiden
Des Ungluͤcks, ſeine Luſt Abweſenheit der Leiden.
Verderben droht, und weicht, frei hebt er ſeine Bruſt,
Das nennt er dann ſein Gluͤck, das nennt er ſeine Luſt.
102.
Hat doch jede Geburt des Lebens ihre Wehn!
Sie ſind zu uͤberſtehn, weil ſie voruͤbergehn.
O waͤre jedes Gluͤck mit Schmerzen nur geboren,
Nicht einſt mit ſchmerzlichern Gefuͤhlen auch verloren!
103.
Auch dieſes biet' ich dir, o Herr, zum Opfer an,
Was, wenn dus forderſt, ich ja nicht verweigern kan.
Allein verſchweigen kann ichs weder mir noch dir:
Nimm die Willfaͤhrigkeit, und ſpar das Opfer mir!
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