Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.Sie sollen in der Nacht die kühle Labe schmecken, Daß Mensch und Thier am Tag einander nicht erschrecken. Und die unschuldigsten, die reinesten der Innung, Tauchen am tiefsten ein, andächtiger Gesinnung. Das Reh, das furchtsame, bleibt nicht am Ufer stehn, Zu trinken, sondern läßt die Flut ans Herz sich gehn. Und leis' entweicht es durch die Flut zum andern Rand, Wenn drüben seinen Feind, den Tieger, treibt sein Brand. Der kühne Tieger tritt nicht in die heil'ge Flut, Am Rande leckend löscht er seiner Zunge Glut. Die gift'ge Schlang' allein von allen Feldes Thieren Geht nicht zur Tränke, um ihr Gift nicht zu verlieren. Sie flieht die Fluten, weil sie ihr das Gift entziehn; Sei reine Flut, so wird die Sünde selbst dich fliehn. Sie ſollen in der Nacht die kuͤhle Labe ſchmecken, Daß Menſch und Thier am Tag einander nicht erſchrecken. Und die unſchuldigſten, die reineſten der Innung, Tauchen am tiefſten ein, andaͤchtiger Geſinnung. Das Reh, das furchtſame, bleibt nicht am Ufer ſtehn, Zu trinken, ſondern laͤßt die Flut ans Herz ſich gehn. Und leiſ' entweicht es durch die Flut zum andern Rand, Wenn druͤben ſeinen Feind, den Tieger, treibt ſein Brand. Der kuͤhne Tieger tritt nicht in die heil'ge Flut, Am Rande leckend loͤſcht er ſeiner Zunge Glut. Die gift'ge Schlang' allein von allen Feldes Thieren Geht nicht zur Traͤnke, um ihr Gift nicht zu verlieren. Sie flieht die Fluten, weil ſie ihr das Gift entziehn; Sei reine Flut, ſo wird die Suͤnde ſelbſt dich fliehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0234" n="224"/> </l> <lg n="9"> <l>Sie ſollen in der Nacht die kuͤhle Labe ſchmecken,</l><lb/> <l>Daß Menſch und Thier am Tag einander nicht erſchrecken.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Und die unſchuldigſten, die reineſten der Innung,</l><lb/> <l>Tauchen am tiefſten ein, andaͤchtiger Geſinnung.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Das Reh, das furchtſame, bleibt nicht am Ufer ſtehn,</l><lb/> <l>Zu trinken, ſondern laͤßt die Flut ans Herz ſich gehn.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Und leiſ' entweicht es durch die Flut zum andern Rand,</l><lb/> <l>Wenn druͤben ſeinen Feind, den Tieger, treibt ſein Brand.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Der kuͤhne Tieger tritt nicht in die heil'ge Flut,</l><lb/> <l>Am Rande leckend loͤſcht er ſeiner Zunge Glut.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Die gift'ge Schlang' allein von allen Feldes Thieren</l><lb/> <l>Geht nicht zur Traͤnke, um ihr Gift nicht zu verlieren.</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>Sie flieht die Fluten, weil ſie ihr das Gift entziehn;</l><lb/> <l>Sei reine Flut, ſo wird die Suͤnde ſelbſt dich fliehn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [224/0234]
Sie ſollen in der Nacht die kuͤhle Labe ſchmecken,
Daß Menſch und Thier am Tag einander nicht erſchrecken.
Und die unſchuldigſten, die reineſten der Innung,
Tauchen am tiefſten ein, andaͤchtiger Geſinnung.
Das Reh, das furchtſame, bleibt nicht am Ufer ſtehn,
Zu trinken, ſondern laͤßt die Flut ans Herz ſich gehn.
Und leiſ' entweicht es durch die Flut zum andern Rand,
Wenn druͤben ſeinen Feind, den Tieger, treibt ſein Brand.
Der kuͤhne Tieger tritt nicht in die heil'ge Flut,
Am Rande leckend loͤſcht er ſeiner Zunge Glut.
Die gift'ge Schlang' allein von allen Feldes Thieren
Geht nicht zur Traͤnke, um ihr Gift nicht zu verlieren.
Sie flieht die Fluten, weil ſie ihr das Gift entziehn;
Sei reine Flut, ſo wird die Suͤnde ſelbſt dich fliehn.
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