Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.Du bist einfacher Ton, die siebenfachen Saiten Der Weltenleier sinds die dich mit dir entzweiten. Du bist der Grundton, der in sieben Stralen träuft Die Leiter nieder, und zurück zum Anfang läuft. Du selber bist der Laut, und bist der Lautenschläger, Und alle Schwingungen der Seele deine Träger. Du bist des Morgens Hauch, du bist des Abends Luft, Du bist des Frühlings Strauch, du bist des Herbstes Duft. Du bists und bist es nicht, du bist wie Tag und Jahr, Der Kreis, der in sich kreist, unwandel-wandelbar. Das Räthsel staun' ich an, und will es lösen nicht, Weil sich die Lösung in mein eignes Seyn verflicht. Du, Wunderbarer, gabst mir Lust am Wunderbaren; Mich, Ewigklarer, labst du mit dem Dämmerklaren. Du biſt einfacher Ton, die ſiebenfachen Saiten Der Weltenleier ſinds die dich mit dir entzweiten. Du biſt der Grundton, der in ſieben Stralen traͤuft Die Leiter nieder, und zuruͤck zum Anfang laͤuft. Du ſelber biſt der Laut, und biſt der Lautenſchlaͤger, Und alle Schwingungen der Seele deine Traͤger. Du biſt des Morgens Hauch, du biſt des Abends Luft, Du biſt des Fruͤhlings Strauch, du biſt des Herbſtes Duft. Du biſts und biſt es nicht, du biſt wie Tag und Jahr, Der Kreis, der in ſich kreiſt, unwandel-wandelbar. Das Raͤthſel ſtaun' ich an, und will es loͤſen nicht, Weil ſich die Loͤſung in mein eignes Seyn verflicht. Du, Wunderbarer, gabſt mir Luſt am Wunderbaren; Mich, Ewigklarer, labſt du mit dem Daͤmmerklaren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0080" n="70"/> <lg n="5"> <l>Du biſt einfacher Ton, die ſiebenfachen Saiten</l><lb/> <l>Der Weltenleier ſinds die dich mit dir entzweiten.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Du biſt der Grundton, der in ſieben Stralen traͤuft</l><lb/> <l>Die Leiter nieder, und zuruͤck zum Anfang laͤuft.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Du ſelber biſt der Laut, und biſt der Lautenſchlaͤger,</l><lb/> <l>Und alle Schwingungen der Seele deine Traͤger.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Du biſt des Morgens Hauch, du biſt des Abends Luft,</l><lb/> <l>Du biſt des Fruͤhlings Strauch, du biſt des Herbſtes Duft.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Du biſts und biſt es nicht, du biſt wie Tag und Jahr,</l><lb/> <l>Der Kreis, der in ſich kreiſt, unwandel-wandelbar.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Das Raͤthſel ſtaun' ich an, und will es loͤſen nicht,</l><lb/> <l>Weil ſich die Loͤſung in mein eignes Seyn verflicht.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Du, Wunderbarer, gabſt mir Luſt am Wunderbaren;</l><lb/> <l>Mich, Ewigklarer, labſt du mit dem Daͤmmerklaren.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [70/0080]
Du biſt einfacher Ton, die ſiebenfachen Saiten
Der Weltenleier ſinds die dich mit dir entzweiten.
Du biſt der Grundton, der in ſieben Stralen traͤuft
Die Leiter nieder, und zuruͤck zum Anfang laͤuft.
Du ſelber biſt der Laut, und biſt der Lautenſchlaͤger,
Und alle Schwingungen der Seele deine Traͤger.
Du biſt des Morgens Hauch, du biſt des Abends Luft,
Du biſt des Fruͤhlings Strauch, du biſt des Herbſtes Duft.
Du biſts und biſt es nicht, du biſt wie Tag und Jahr,
Der Kreis, der in ſich kreiſt, unwandel-wandelbar.
Das Raͤthſel ſtaun' ich an, und will es loͤſen nicht,
Weil ſich die Loͤſung in mein eignes Seyn verflicht.
Du, Wunderbarer, gabſt mir Luſt am Wunderbaren;
Mich, Ewigklarer, labſt du mit dem Daͤmmerklaren.
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