Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
Im der Vergangenheit geweihten Saale nun
Sah ich zu Stein erstarrt die Lebensformen ruhn.
Ich sprach: Die Malerei malt uns der Zukunft Flor,
Und die Bildhauerei stellt das Vergangne vor.
Es ist wol Poesie, die zwischen beiden Sfären
Uns die Gestalten soll der Gegenwart erklären.
Die ew'ge Gegenwart, was ist sie? die Natur:
Ein Schein Vergangenheit, ein Schein die Zukunft nur.
Von hier und dort der Schein schwebt um die Wirklichkeit,
Und immer tauscht den Platz Zukunft-Vergangenheit.
Das Gegenwärt'ge wird in Zukunft seyn vergangen,
Und das Vergangne hat als Künft'ges angefangen.
Eh das Vergangne war, war es als Zukunft schon;
Und Alles bleibt im Jetzt, wann Einst und Einst entflohn.

Im der Vergangenheit geweihten Saale nun
Sah ich zu Stein erſtarrt die Lebensformen ruhn.
Ich ſprach: Die Malerei malt uns der Zukunft Flor,
Und die Bildhauerei ſtellt das Vergangne vor.
Es iſt wol Poeſie, die zwiſchen beiden Sfaͤren
Uns die Geſtalten ſoll der Gegenwart erklaͤren.
Die ew'ge Gegenwart, was iſt ſie? die Natur:
Ein Schein Vergangenheit, ein Schein die Zukunft nur.
Von hier und dort der Schein ſchwebt um die Wirklichkeit,
Und immer tauſcht den Platz Zukunft-Vergangenheit.
Das Gegenwaͤrt'ge wird in Zukunft ſeyn vergangen,
Und das Vergangne hat als Kuͤnft'ges angefangen.
Eh das Vergangne war, war es als Zukunft ſchon;
Und Alles bleibt im Jetzt, wann Einſt und Einſt entflohn.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0072" n="62"/>
            <lg n="5">
              <l>Im der Vergangenheit geweihten Saale nun</l><lb/>
              <l>Sah ich zu Stein er&#x017F;tarrt die Lebensformen ruhn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Ich &#x017F;prach: Die Malerei malt uns der Zukunft Flor,</l><lb/>
              <l>Und die Bildhauerei &#x017F;tellt das Vergangne vor.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Es i&#x017F;t wol Poe&#x017F;ie, die zwi&#x017F;chen beiden Sfa&#x0364;ren</l><lb/>
              <l>Uns die Ge&#x017F;talten &#x017F;oll der Gegenwart erkla&#x0364;ren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Die ew'ge Gegenwart, was i&#x017F;t &#x017F;ie? die Natur:</l><lb/>
              <l>Ein Schein Vergangenheit, ein Schein die Zukunft nur.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Von hier und dort der Schein &#x017F;chwebt um die Wirklichkeit,</l><lb/>
              <l>Und immer tau&#x017F;cht den Platz Zukunft-Vergangenheit.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Das Gegenwa&#x0364;rt'ge wird in Zukunft &#x017F;eyn vergangen,</l><lb/>
              <l>Und das Vergangne hat als Ku&#x0364;nft'ges angefangen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>Eh das Vergangne war, war es als Zukunft &#x017F;chon;</l><lb/>
              <l>Und Alles bleibt im Jetzt, wann Ein&#x017F;t und Ein&#x017F;t entflohn.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0072] Im der Vergangenheit geweihten Saale nun Sah ich zu Stein erſtarrt die Lebensformen ruhn. Ich ſprach: Die Malerei malt uns der Zukunft Flor, Und die Bildhauerei ſtellt das Vergangne vor. Es iſt wol Poeſie, die zwiſchen beiden Sfaͤren Uns die Geſtalten ſoll der Gegenwart erklaͤren. Die ew'ge Gegenwart, was iſt ſie? die Natur: Ein Schein Vergangenheit, ein Schein die Zukunft nur. Von hier und dort der Schein ſchwebt um die Wirklichkeit, Und immer tauſcht den Platz Zukunft-Vergangenheit. Das Gegenwaͤrt'ge wird in Zukunft ſeyn vergangen, Und das Vergangne hat als Kuͤnft'ges angefangen. Eh das Vergangne war, war es als Zukunft ſchon; Und Alles bleibt im Jetzt, wann Einſt und Einſt entflohn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/72
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/72>, abgerufen am 27.11.2024.