Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.Als er mich nun entließ, den Schüler und den Sohn, Fragt' ich beim Abschied ihn: was ist der Lehre Lohn? Er sprach: "Fürs Wissen ist kein ird'scher Lohn beschieden; Ich bin mit langem Dienst und treuem Fleiß zufrieden." Doch als ich ungestüm mit meinen Bitten drang, Ergriff der Zorn ihn, den kein Weiser selbst bezwang. Er rief: "Und wenn du Lohn denn bietest, wahnumhüllt; Der Lohn sei soviel Gold, als Raghu's Schatzhaus füllt." Dein Holzkrug laut genug sagt was dein Schatzhaus fasse; Drum mit Entschuldigung, o König, mich entlasse! Ich seh', o König, wohl, dir blieb kein Eigenthum, Als unveräußerlich allein der eigne Ruhm. Doch König Raghu spricht: Ist mir der Ruhm geblieben, Was wär' er, wenn er nicht auch Gold hätt' aufgetrieben? Geruh' in meinem Haus als Gast dich auszuruhn; Nachts denken wir wol aus, was wir am Morgen thun. Der König sinnt bei Nacht: wo soll ichs her bekommen? Den Kön'gen rings umher hab' ich es längst genommen. Als er mich nun entließ, den Schuͤler und den Sohn, Fragt' ich beim Abſchied ihn: was iſt der Lehre Lohn? Er ſprach: „Fuͤrs Wiſſen iſt kein ird'ſcher Lohn beſchieden; Ich bin mit langem Dienſt und treuem Fleiß zufrieden.“ Doch als ich ungeſtuͤm mit meinen Bitten drang, Ergriff der Zorn ihn, den kein Weiſer ſelbſt bezwang. Er rief: „Und wenn du Lohn denn bieteſt, wahnumhuͤllt; Der Lohn ſei ſoviel Gold, als Raghu's Schatzhaus fuͤllt.“ Dein Holzkrug laut genug ſagt was dein Schatzhaus faſſe; Drum mit Entſchuldigung, o Koͤnig, mich entlaſſe! Ich ſeh', o Koͤnig, wohl, dir blieb kein Eigenthum, Als unveraͤußerlich allein der eigne Ruhm. Doch Koͤnig Raghu ſpricht: Iſt mir der Ruhm geblieben, Was waͤr' er, wenn er nicht auch Gold haͤtt' aufgetrieben? Geruh' in meinem Haus als Gaſt dich auszuruhn; Nachts denken wir wol aus, was wir am Morgen thun. Der Koͤnig ſinnt bei Nacht: wo ſoll ichs her bekommen? Den Koͤn'gen rings umher hab' ich es laͤngſt genommen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0120" n="110"/> <lg n="9"> <l>Als er mich nun entließ, den Schuͤler und den Sohn,</l><lb/> <l>Fragt' ich beim Abſchied ihn: was iſt der Lehre Lohn?</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Er ſprach: „Fuͤrs Wiſſen iſt kein ird'ſcher Lohn beſchieden;</l><lb/> <l>Ich bin mit langem Dienſt und treuem Fleiß zufrieden.“</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Doch als ich ungeſtuͤm mit meinen Bitten drang,</l><lb/> <l>Ergriff der Zorn ihn, den kein Weiſer ſelbſt bezwang.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Er rief: „Und wenn du Lohn denn bieteſt, wahnumhuͤllt;</l><lb/> <l>Der Lohn ſei ſoviel Gold, als Raghu's Schatzhaus fuͤllt.“</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Dein Holzkrug laut genug ſagt was dein Schatzhaus faſſe;</l><lb/> <l>Drum mit Entſchuldigung, o Koͤnig, mich entlaſſe!</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Ich ſeh', o Koͤnig, wohl, dir blieb kein Eigenthum,</l><lb/> <l>Als unveraͤußerlich allein der eigne Ruhm.</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>Doch Koͤnig Raghu ſpricht: Iſt mir der Ruhm geblieben,</l><lb/> <l>Was waͤr' er, wenn er nicht auch Gold haͤtt' aufgetrieben?</l> </lg><lb/> <lg n="16"> <l>Geruh' in meinem Haus als Gaſt dich auszuruhn;</l><lb/> <l>Nachts denken wir wol aus, was wir am Morgen thun.</l> </lg><lb/> <lg n="17"> <l>Der Koͤnig ſinnt bei Nacht: wo ſoll ichs her bekommen?</l><lb/> <l>Den Koͤn'gen rings umher hab' ich es laͤngſt genommen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0120]
Als er mich nun entließ, den Schuͤler und den Sohn,
Fragt' ich beim Abſchied ihn: was iſt der Lehre Lohn?
Er ſprach: „Fuͤrs Wiſſen iſt kein ird'ſcher Lohn beſchieden;
Ich bin mit langem Dienſt und treuem Fleiß zufrieden.“
Doch als ich ungeſtuͤm mit meinen Bitten drang,
Ergriff der Zorn ihn, den kein Weiſer ſelbſt bezwang.
Er rief: „Und wenn du Lohn denn bieteſt, wahnumhuͤllt;
Der Lohn ſei ſoviel Gold, als Raghu's Schatzhaus fuͤllt.“
Dein Holzkrug laut genug ſagt was dein Schatzhaus faſſe;
Drum mit Entſchuldigung, o Koͤnig, mich entlaſſe!
Ich ſeh', o Koͤnig, wohl, dir blieb kein Eigenthum,
Als unveraͤußerlich allein der eigne Ruhm.
Doch Koͤnig Raghu ſpricht: Iſt mir der Ruhm geblieben,
Was waͤr' er, wenn er nicht auch Gold haͤtt' aufgetrieben?
Geruh' in meinem Haus als Gaſt dich auszuruhn;
Nachts denken wir wol aus, was wir am Morgen thun.
Der Koͤnig ſinnt bei Nacht: wo ſoll ichs her bekommen?
Den Koͤn'gen rings umher hab' ich es laͤngſt genommen.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/120>, abgerufen am 25.07.2024. |