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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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dige Liebe der Andern Hertha zur Verkehrtheit
reizte, als ob sie versuchen wollte, wie weit sie es
treiben dürfe? Ein ruhiges Machtwort von mir
wirkt dann wie ein Zauberschlag. Aber ich fürch-
te, daß diese Sprache mit der Neuheit ihre Ge-
walt über das störrige Geschöpf verlieren möchte.
Kommt es dahin, daß diese Waffe an der Unart
stumpf wird, gehört sie zu den Kindern, die durch
körperlichen Schmerz orientirt werden müssen,
dann muß ich sie aufgeben. Dies kann meine
Weise nicht werden. Meine Natur sträubt sich
mit Abscheu gegen diese Mittel; obgleich ich ein-
sehe, daß es Fälle geben kann, wo körperliche
Züchtigungen die einzigen Besserungsmittel sind.
Und wie müßte der Anblick äußerster Strenge
auf solche Gemüther wirken, die keine andere
Gewalt je an sich erfuhren, als die der Vernunft
und Liebe!

Hier ein kleines Stück vom gestrigen Tage.

Hertha ist grenzenlos unordentlich. Jm väter-
lichen Hause war sie gewohnt, daß die Mägde

dige Liebe der Andern Hertha zur Verkehrtheit
reizte, als ob ſie verſuchen wollte, wie weit ſie es
treiben dürfe? Ein ruhiges Machtwort von mir
wirkt dann wie ein Zauberſchlag. Aber ich fürch-
te, daß dieſe Sprache mit der Neuheit ihre Ge-
walt über das ſtörrige Geſchöpf verlieren möchte.
Kommt es dahin, daß dieſe Waffe an der Unart
ſtumpf wird, gehört ſie zu den Kindern, die durch
körperlichen Schmerz orientirt werden müſſen,
dann muß ich ſie aufgeben. Dies kann meine
Weiſe nicht werden. Meine Natur ſträubt ſich
mit Abſcheu gegen dieſe Mittel; obgleich ich ein-
ſehe, daß es Fälle geben kann, wo körperliche
Züchtigungen die einzigen Beſſerungsmittel ſind.
Und wie müßte der Anblick äußerſter Strenge
auf ſolche Gemüther wirken, die keine andere
Gewalt je an ſich erfuhren, als die der Vernunft
und Liebe!

Hier ein kleines Stück vom geſtrigen Tage.

Hertha iſt grenzenlos unordentlich. Jm väter-
lichen Hauſe war ſie gewohnt, daß die Mägde

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[91/0099] dige Liebe der Andern Hertha zur Verkehrtheit reizte, als ob ſie verſuchen wollte, wie weit ſie es treiben dürfe? Ein ruhiges Machtwort von mir wirkt dann wie ein Zauberſchlag. Aber ich fürch- te, daß dieſe Sprache mit der Neuheit ihre Ge- walt über das ſtörrige Geſchöpf verlieren möchte. Kommt es dahin, daß dieſe Waffe an der Unart ſtumpf wird, gehört ſie zu den Kindern, die durch körperlichen Schmerz orientirt werden müſſen, dann muß ich ſie aufgeben. Dies kann meine Weiſe nicht werden. Meine Natur ſträubt ſich mit Abſcheu gegen dieſe Mittel; obgleich ich ein- ſehe, daß es Fälle geben kann, wo körperliche Züchtigungen die einzigen Beſſerungsmittel ſind. Und wie müßte der Anblick äußerſter Strenge auf ſolche Gemüther wirken, die keine andere Gewalt je an ſich erfuhren, als die der Vernunft und Liebe! Hier ein kleines Stück vom geſtrigen Tage. Hertha iſt grenzenlos unordentlich. Jm väter- lichen Hauſe war ſie gewohnt, daß die Mägde

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/99>, abgerufen am 22.11.2024.