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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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festes Beharren beim einmal gefaßten Ent-
schluß ist. Sie begriff das, und so bald sie ei-
ne Sache eingesehen hat, bin ich von ihrem
Muth und von ihrer Kraft, sich zusammen zu fas-
sen, gewiß. Auch entsprach sie meiner Erwar-
tung vollkommen. Als der angesetzte Tag der
Abreise gekommen war, schien gerade sie die stärk-
ste von uns allen. Clärchen zerfloß in Thränen,
und ließ ihren Schmerz unverholen ausbrechen.
Schon früher hatte sie sehr naiv oft laut gewünscht,
daß doch Woldemar auch ihr Bruder seyn möchte,
damit sie auch künftig, wenn er ein Mann sey,
ihn so lieben dürfe, wie Jda. Mathildens stol-
zes Gemüth fühlte sich gekränkt, zu sehen, wie
er nicht nur Jda, sondern auch Clärchen vorzog,
obgleich er in dem letzten Winter gegen sie immer
freundlich war: aber sie unterschied sehr fein, daß
seine Freundschaft gegen sie mehr Güte als Liebe
war. Dennoch mußte auch sie sich weinend abkeh-
ren, als er ihr die Hand zum Abschiede bot, und
sie bat, ihn nicht zu vergessen, und Jda schwe-
sterlich lieb zu haben. Clärchen fiel ihr weinend
um den Hals, und Mathilde wendete sich mit

feſtes Beharren beim einmal gefaßten Ent-
ſchluß iſt. Sie begriff das, und ſo bald ſie ei-
ne Sache eingeſehen hat, bin ich von ihrem
Muth und von ihrer Kraft, ſich zuſammen zu faſ-
ſen, gewiß. Auch entſprach ſie meiner Erwar-
tung vollkommen. Als der angeſetzte Tag der
Abreiſe gekommen war, ſchien gerade ſie die ſtärk-
ſte von uns allen. Clärchen zerfloß in Thränen,
und ließ ihren Schmerz unverholen ausbrechen.
Schon früher hatte ſie ſehr naiv oft laut gewünſcht,
daß doch Woldemar auch ihr Bruder ſeyn möchte,
damit ſie auch künftig, wenn er ein Mann ſey,
ihn ſo lieben dürfe, wie Jda. Mathildens ſtol-
zes Gemüth fühlte ſich gekränkt, zu ſehen, wie
er nicht nur Jda, ſondern auch Clärchen vorzog,
obgleich er in dem letzten Winter gegen ſie immer
freundlich war: aber ſie unterſchied ſehr fein, daß
ſeine Freundſchaft gegen ſie mehr Güte als Liebe
war. Dennoch mußte auch ſie ſich weinend abkeh-
ren, als er ihr die Hand zum Abſchiede bot, und
ſie bat, ihn nicht zu vergeſſen, und Jda ſchwe-
ſterlich lieb zu haben. Clärchen fiel ihr weinend
um den Hals, und Mathilde wendete ſich mit

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[68/0076] feſtes Beharren beim einmal gefaßten Ent- ſchluß iſt. Sie begriff das, und ſo bald ſie ei- ne Sache eingeſehen hat, bin ich von ihrem Muth und von ihrer Kraft, ſich zuſammen zu faſ- ſen, gewiß. Auch entſprach ſie meiner Erwar- tung vollkommen. Als der angeſetzte Tag der Abreiſe gekommen war, ſchien gerade ſie die ſtärk- ſte von uns allen. Clärchen zerfloß in Thränen, und ließ ihren Schmerz unverholen ausbrechen. Schon früher hatte ſie ſehr naiv oft laut gewünſcht, daß doch Woldemar auch ihr Bruder ſeyn möchte, damit ſie auch künftig, wenn er ein Mann ſey, ihn ſo lieben dürfe, wie Jda. Mathildens ſtol- zes Gemüth fühlte ſich gekränkt, zu ſehen, wie er nicht nur Jda, ſondern auch Clärchen vorzog, obgleich er in dem letzten Winter gegen ſie immer freundlich war: aber ſie unterſchied ſehr fein, daß ſeine Freundſchaft gegen ſie mehr Güte als Liebe war. Dennoch mußte auch ſie ſich weinend abkeh- ren, als er ihr die Hand zum Abſchiede bot, und ſie bat, ihn nicht zu vergeſſen, und Jda ſchwe- ſterlich lieb zu haben. Clärchen fiel ihr weinend um den Hals, und Mathilde wendete ſich mit

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/76>, abgerufen am 23.11.2024.