griffen, nahm dem Schmerze seinen schärfsten Stachel. Sanftweinend kleidete Jda und sehr still und schnell die beiden andern sich an, um bald hinunter zu kommen.
Der Arzt wollte es erst den Kindern gar nicht gestatten, ins Krankenzimmer zu kommen, weil Woldemar in der Nacht im Fieber unaufhörlich mit Jda beschäftigt war, und in seinen Phanta- sieen sie beständig rief. Er fürchtete zu gewaltsa- me Bewegung. Doch Woldemar ließ, als er wieder zu sich gekommen, mit Bitten nicht nach, bis Jda und die andern ins Zimmer gelassen wur- den. Jch hatte Jda vorher bedeutet, wie viel von ihrer Mäßigung abhinge -- und diese Vor- stellung vermochte mehr über sie, als ich selbst ge- hofft hatte.
"Du bist nicht so wiedergekommen, mein Wol- demar, als ich mir gedacht hatte; aber wir wollen dich und den Herrn von Platov schon bald wieder gesund pflegen." -- Jetzt wandte sie sich an den Arzt, und bat ihn höchst naiv und zuversicht-
griffen, nahm dem Schmerze ſeinen ſchärfſten Stachel. Sanftweinend kleidete Jda und ſehr ſtill und ſchnell die beiden andern ſich an, um bald hinunter zu kommen.
Der Arzt wollte es erſt den Kindern gar nicht geſtatten, ins Krankenzimmer zu kommen, weil Woldemar in der Nacht im Fieber unaufhörlich mit Jda beſchäftigt war, und in ſeinen Phanta- ſieen ſie beſtändig rief. Er fürchtete zu gewaltſa- me Bewegung. Doch Woldemar ließ, als er wieder zu ſich gekommen, mit Bitten nicht nach, bis Jda und die andern ins Zimmer gelaſſen wur- den. Jch hatte Jda vorher bedeutet, wie viel von ihrer Mäßigung abhinge — und dieſe Vor- ſtellung vermochte mehr über ſie, als ich ſelbſt ge- hofft hatte.
„Du biſt nicht ſo wiedergekommen, mein Wol- demar, als ich mir gedacht hatte; aber wir wollen dich und den Herrn von Platov ſchon bald wieder geſund pflegen.‟ — Jetzt wandte ſie ſich an den Arzt, und bat ihn höchſt naiv und zuverſicht-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0054"n="46"/>
griffen, nahm dem Schmerze ſeinen ſchärfſten<lb/>
Stachel. Sanftweinend kleidete Jda und ſehr<lb/>ſtill und ſchnell die beiden andern ſich an, um<lb/>
bald hinunter zu kommen.</p><lb/><p>Der Arzt wollte es erſt den Kindern gar nicht<lb/>
geſtatten, ins Krankenzimmer zu kommen, weil<lb/>
Woldemar in der Nacht im Fieber unaufhörlich<lb/>
mit Jda beſchäftigt war, und in ſeinen Phanta-<lb/>ſieen ſie beſtändig rief. Er fürchtete zu gewaltſa-<lb/>
me Bewegung. Doch Woldemar ließ, als er<lb/>
wieder zu ſich gekommen, mit Bitten nicht nach,<lb/>
bis Jda und die andern ins Zimmer gelaſſen wur-<lb/>
den. Jch hatte Jda vorher bedeutet, wie viel<lb/>
von ihrer Mäßigung abhinge — und dieſe Vor-<lb/>ſtellung vermochte mehr über ſie, als ich ſelbſt ge-<lb/>
hofft hatte.</p><lb/><p>„Du biſt nicht ſo wiedergekommen, mein Wol-<lb/>
demar, als ich mir gedacht hatte; aber wir wollen<lb/>
dich und den Herrn von Platov ſchon bald wieder<lb/>
geſund pflegen.‟— Jetzt wandte ſie ſich an den<lb/>
Arzt, und bat ihn höchſt naiv und zuverſicht-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[46/0054]
griffen, nahm dem Schmerze ſeinen ſchärfſten
Stachel. Sanftweinend kleidete Jda und ſehr
ſtill und ſchnell die beiden andern ſich an, um
bald hinunter zu kommen.
Der Arzt wollte es erſt den Kindern gar nicht
geſtatten, ins Krankenzimmer zu kommen, weil
Woldemar in der Nacht im Fieber unaufhörlich
mit Jda beſchäftigt war, und in ſeinen Phanta-
ſieen ſie beſtändig rief. Er fürchtete zu gewaltſa-
me Bewegung. Doch Woldemar ließ, als er
wieder zu ſich gekommen, mit Bitten nicht nach,
bis Jda und die andern ins Zimmer gelaſſen wur-
den. Jch hatte Jda vorher bedeutet, wie viel
von ihrer Mäßigung abhinge — und dieſe Vor-
ſtellung vermochte mehr über ſie, als ich ſelbſt ge-
hofft hatte.
„Du biſt nicht ſo wiedergekommen, mein Wol-
demar, als ich mir gedacht hatte; aber wir wollen
dich und den Herrn von Platov ſchon bald wieder
geſund pflegen.‟ — Jetzt wandte ſie ſich an den
Arzt, und bat ihn höchſt naiv und zuverſicht-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/54>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.