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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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schon; ich allein war noch auf, als ein langsam-
fahrender Wagen vor unserer Thüre still hielt. Jch
schickte hinaus. Ein fremder Mann trat vor
mich. Sehr behutsam bereitete er mich vor, auf
das, was er zu sagen hatte. Erst bat er, ob ich
für diese Nacht ein Paar verunglückte Reisende
ins Haus nehmen könnte. Als er meine Ver-
wunderung über diesen Antrag sah, sagte er:
die beiden Reisenden sind Jhnen keines Weges
fremd. Nun schoß mirs auf's Herz. O es ist
der Herr von Platov mit seinem Zögling! rief
ich. Ja die sind es. Aber was ist es? welch
ein Unglück ist ihnen widerfahren?

Herr von Platov hat das Bein gebrochen, und
sein Zögling, der allein bei ihm war, und ihm
Hülfe leisten wollte, hat seinen rechten Arm aus
der Schulter gerenkt, und aus Mangel schneller
Hülfe Geschwulst und heftiges Fieber bekommen.

Jch flog hinaus an den Wagen, und fand
Platov sehr matt und Woldemar im stärksten
Fieber, das durch die kleine Fahrt sehr heftig

ſchon; ich allein war noch auf, als ein langſam-
fahrender Wagen vor unſerer Thüre ſtill hielt. Jch
ſchickte hinaus. Ein fremder Mann trat vor
mich. Sehr behutſam bereitete er mich vor, auf
das, was er zu ſagen hatte. Erſt bat er, ob ich
für dieſe Nacht ein Paar verunglückte Reiſende
ins Haus nehmen könnte. Als er meine Ver-
wunderung über dieſen Antrag ſah, ſagte er:
die beiden Reiſenden ſind Jhnen keines Weges
fremd. Nun ſchoß mirs auf’s Herz. O es iſt
der Herr von Platov mit ſeinem Zögling! rief
ich. Ja die ſind es. Aber was iſt es? welch
ein Unglück iſt ihnen widerfahren?

Herr von Platov hat das Bein gebrochen, und
ſein Zögling, der allein bei ihm war, und ihm
Hülfe leiſten wollte, hat ſeinen rechten Arm aus
der Schulter gerenkt, und aus Mangel ſchneller
Hülfe Geſchwulſt und heftiges Fieber bekommen.

Jch flog hinaus an den Wagen, und fand
Platov ſehr matt und Woldemar im ſtärkſten
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[42/0050] ſchon; ich allein war noch auf, als ein langſam- fahrender Wagen vor unſerer Thüre ſtill hielt. Jch ſchickte hinaus. Ein fremder Mann trat vor mich. Sehr behutſam bereitete er mich vor, auf das, was er zu ſagen hatte. Erſt bat er, ob ich für dieſe Nacht ein Paar verunglückte Reiſende ins Haus nehmen könnte. Als er meine Ver- wunderung über dieſen Antrag ſah, ſagte er: die beiden Reiſenden ſind Jhnen keines Weges fremd. Nun ſchoß mirs auf’s Herz. O es iſt der Herr von Platov mit ſeinem Zögling! rief ich. Ja die ſind es. Aber was iſt es? welch ein Unglück iſt ihnen widerfahren? Herr von Platov hat das Bein gebrochen, und ſein Zögling, der allein bei ihm war, und ihm Hülfe leiſten wollte, hat ſeinen rechten Arm aus der Schulter gerenkt, und aus Mangel ſchneller Hülfe Geſchwulſt und heftiges Fieber bekommen. Jch flog hinaus an den Wagen, und fand Platov ſehr matt und Woldemar im ſtärkſten Fieber, das durch die kleine Fahrt ſehr heftig

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/50>, abgerufen am 18.04.2024.