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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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höchst sauber. Und sie erröthete sanft, als sie
sah, mit welchem Wohlgefallen mein Blick auf
ihrer ganzen Person verweilte. Und wie sich ihre
Sprache seitdem noch ausgebildet hat! Gewiß,
Du bist recht glücklich in ihr. Aber so eine Per-
son in den niedern Ständen gleich vollendet auf-
suchen zu wollen, das wäre Thorheit. Erziehen
muß man sie sich, oder vielmehr man muß ihr
gestatten, daß sie sich in unserm Umgange aus-
bilde, und muß sie also nicht fern von sich halten.
Mit Freuden hörte ich von Deinem Gemal, daß
er auf jeden Fall Gertrudens Zukunft durch etwas
Gewißes gesichert; dadurch, (und daß kein Schat-
ten einer Sorge sich ihrer bemächtigen kann) muß-
te ihr schon uneigennütziges Gemüth die völlige
Freiheit und Heiterkeit bekommen, die ich in
Dresden an ihr so gern bemerkte. Jch sprach mit
ihr hierüber, und sie sagte: "ich hoffe, daß ich
keins von ihnen sterben sehe, und daß ich das Ver-
mächtniß nie brauche; aber die Sicherheit, daß
ich niemals Mangel leiden kann, macht mich nun
auch so sorglos wie ein Kind." -- Sehr brav aber
finde ich ihr Enthalten von allem, was sie in

höchſt ſauber. Und ſie erröthete ſanft, als ſie
ſah, mit welchem Wohlgefallen mein Blick auf
ihrer ganzen Perſon verweilte. Und wie ſich ihre
Sprache ſeitdem noch ausgebildet hat! Gewiß,
Du biſt recht glücklich in ihr. Aber ſo eine Per-
ſon in den niedern Ständen gleich vollendet auf-
ſuchen zu wollen, das wäre Thorheit. Erziehen
muß man ſie ſich, oder vielmehr man muß ihr
geſtatten, daß ſie ſich in unſerm Umgange aus-
bilde, und muß ſie alſo nicht fern von ſich halten.
Mit Freuden hörte ich von Deinem Gemal, daß
er auf jeden Fall Gertrudens Zukunft durch etwas
Gewißes geſichert; dadurch, (und daß kein Schat-
ten einer Sorge ſich ihrer bemächtigen kann) muß-
te ihr ſchon uneigennütziges Gemüth die völlige
Freiheit und Heiterkeit bekommen, die ich in
Dresden an ihr ſo gern bemerkte. Jch ſprach mit
ihr hierüber, und ſie ſagte: „ich hoffe, daß ich
keins von ihnen ſterben ſehe, und daß ich das Ver-
mächtniß nie brauche; aber die Sicherheit, daß
ich niemals Mangel leiden kann, macht mich nun
auch ſo ſorglos wie ein Kind.‟ — Sehr brav aber
finde ich ihr Enthalten von allem, was ſie in

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[40/0048] höchſt ſauber. Und ſie erröthete ſanft, als ſie ſah, mit welchem Wohlgefallen mein Blick auf ihrer ganzen Perſon verweilte. Und wie ſich ihre Sprache ſeitdem noch ausgebildet hat! Gewiß, Du biſt recht glücklich in ihr. Aber ſo eine Per- ſon in den niedern Ständen gleich vollendet auf- ſuchen zu wollen, das wäre Thorheit. Erziehen muß man ſie ſich, oder vielmehr man muß ihr geſtatten, daß ſie ſich in unſerm Umgange aus- bilde, und muß ſie alſo nicht fern von ſich halten. Mit Freuden hörte ich von Deinem Gemal, daß er auf jeden Fall Gertrudens Zukunft durch etwas Gewißes geſichert; dadurch, (und daß kein Schat- ten einer Sorge ſich ihrer bemächtigen kann) muß- te ihr ſchon uneigennütziges Gemüth die völlige Freiheit und Heiterkeit bekommen, die ich in Dresden an ihr ſo gern bemerkte. Jch ſprach mit ihr hierüber, und ſie ſagte: „ich hoffe, daß ich keins von ihnen ſterben ſehe, und daß ich das Ver- mächtniß nie brauche; aber die Sicherheit, daß ich niemals Mangel leiden kann, macht mich nun auch ſo ſorglos wie ein Kind.‟ — Sehr brav aber finde ich ihr Enthalten von allem, was ſie in

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/48>, abgerufen am 29.03.2024.