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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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und der gewaltige Schmerz eine Reife bewirkt
hätten, die sonst vielleicht ein paar Jahre noch
zurückgeblieben seyn würde. Jch fühle, wenn
ich sie nahe bey mir habe, daß ich über so vieles
mit ihr reden kann, und von ihr verstanden
werde.

Die Kluft zwischen ihr und Mathilde fühlt sie,
kann sich's aber nicht erklären, wodurch sie ent-
steht. Von Mathilde ist es ein Zeichen wirkli-
cher Gutartigkeit, daß sie Jda's große Vorzüge
keinesweges beneidet. Wie viel mehr aber Clär-
chen thut, als sie nicht beneiden, hast Du
selbst gesehen. Wenn ich Jda nicht kennte, sagte
sie neulich zu Mathilde, so wüßte ich ja nicht,
wie lieb und hold man seyn kann, auch wenn
man noch so jung ist.

Es ist mir oft, als müßt' ich Jda Blumen
streuen, wie einem Heiligenbilde; und wie ich
vor zwei Jahren Abends einmal hörte, daß Jda
für mich betete, da meynte ich, der ganze Him-
mel stünde offen, und aller Segen käme auf

und der gewaltige Schmerz eine Reife bewirkt
hätten, die ſonſt vielleicht ein paar Jahre noch
zurückgeblieben ſeyn würde. Jch fühle, wenn
ich ſie nahe bey mir habe, daß ich über ſo vieles
mit ihr reden kann, und von ihr verſtanden
werde.

Die Kluft zwiſchen ihr und Mathilde fühlt ſie,
kann ſich’s aber nicht erklären, wodurch ſie ent-
ſteht. Von Mathilde iſt es ein Zeichen wirkli-
cher Gutartigkeit, daß ſie Jda’s große Vorzüge
keinesweges beneidet. Wie viel mehr aber Clär-
chen thut, als ſie nicht beneiden, haſt Du
ſelbſt geſehen. Wenn ich Jda nicht kennte, ſagte
ſie neulich zu Mathilde, ſo wüßte ich ja nicht,
wie lieb und hold man ſeyn kann, auch wenn
man noch ſo jung iſt.

Es iſt mir oft, als müßt’ ich Jda Blumen
ſtreuen, wie einem Heiligenbilde; und wie ich
vor zwei Jahren Abends einmal hörte, daß Jda
für mich betete, da meynte ich, der ganze Him-
mel ſtünde offen, und aller Segen käme auf

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[34/0042] und der gewaltige Schmerz eine Reife bewirkt hätten, die ſonſt vielleicht ein paar Jahre noch zurückgeblieben ſeyn würde. Jch fühle, wenn ich ſie nahe bey mir habe, daß ich über ſo vieles mit ihr reden kann, und von ihr verſtanden werde. Die Kluft zwiſchen ihr und Mathilde fühlt ſie, kann ſich’s aber nicht erklären, wodurch ſie ent- ſteht. Von Mathilde iſt es ein Zeichen wirkli- cher Gutartigkeit, daß ſie Jda’s große Vorzüge keinesweges beneidet. Wie viel mehr aber Clär- chen thut, als ſie nicht beneiden, haſt Du ſelbſt geſehen. Wenn ich Jda nicht kennte, ſagte ſie neulich zu Mathilde, ſo wüßte ich ja nicht, wie lieb und hold man ſeyn kann, auch wenn man noch ſo jung iſt. Es iſt mir oft, als müßt’ ich Jda Blumen ſtreuen, wie einem Heiligenbilde; und wie ich vor zwei Jahren Abends einmal hörte, daß Jda für mich betete, da meynte ich, der ganze Him- mel ſtünde offen, und aller Segen käme auf

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/42>, abgerufen am 03.12.2024.