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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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diese sich den Weg zu mir zu bahnen, und sich mei-
ner ganz zu bemächtigen -- ich hatte einen höchst
dringenden Brief eilig zur Post zu fördern. Es
war mein letzter an Dich, liebste Emma. Meine
Thüre war von innen verriegelt, weil ich auch kei-
nen Augenblick gestört werden durfte, wenn der
Brief noch mit der nächsten Post abgehen sollte.
Seraphine klopfte an, und rief: Mütterle mach'
auf, Seraphine Blumen bringt. Jch kann nicht,
liebes Kind, ich muß schreiben. Bitte, bitte!
aufmachen! Seraphine nur Blumen bringen, nur
einen Kuß geben! -- Jch ließ mich erweichen, ich
machte auf. Sogleich war sie hinten auf meinem
Sessel, umklammerte mich, zerküßte mir das Ge-
sicht, wollte mich mit den Blumen schmücken, und
mich ganz nach Herzenslust handhaben. Jch nahm
sie herunter vom Stuhl, und sagte: Du mußt
jetzt wieder gehen, mein Kind. Sie umklam-
merte mich fester und rief muthwillig: Seraphine
doch nicht weggeht. Die Zeit verstrich, ich schellte.
Die Lisel kam, und ich sagte ihr, sie müsse das
Kind jetzt hinwegnehmen. Die Kleine brach in
ein entsetzliches Geschrey aus. Jch siegelte meinen

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dieſe ſich den Weg zu mir zu bahnen, und ſich mei-
ner ganz zu bemächtigen — ich hatte einen höchſt
dringenden Brief eilig zur Poſt zu fördern. Es
war mein letzter an Dich, liebſte Emma. Meine
Thüre war von innen verriegelt, weil ich auch kei-
nen Augenblick geſtört werden durfte, wenn der
Brief noch mit der nächſten Poſt abgehen ſollte.
Seraphine klopfte an, und rief: Mütterle mach’
auf, Seraphine Blumen bringt. Jch kann nicht,
liebes Kind, ich muß ſchreiben. Bitte, bitte!
aufmachen! Seraphine nur Blumen bringen, nur
einen Kuß geben! — Jch ließ mich erweichen, ich
machte auf. Sogleich war ſie hinten auf meinem
Seſſel, umklammerte mich, zerküßte mir das Ge-
ſicht, wollte mich mit den Blumen ſchmücken, und
mich ganz nach Herzensluſt handhaben. Jch nahm
ſie herunter vom Stuhl, und ſagte: Du mußt
jetzt wieder gehen, mein Kind. Sie umklam-
merte mich feſter und rief muthwillig: Seraphine
doch nicht weggeht. Die Zeit verſtrich, ich ſchellte.
Die Liſel kam, und ich ſagte ihr, ſie müſſe das
Kind jetzt hinwegnehmen. Die Kleine brach in
ein entſetzliches Geſchrey aus. Jch ſiegelte meinen

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[353/0361] dieſe ſich den Weg zu mir zu bahnen, und ſich mei- ner ganz zu bemächtigen — ich hatte einen höchſt dringenden Brief eilig zur Poſt zu fördern. Es war mein letzter an Dich, liebſte Emma. Meine Thüre war von innen verriegelt, weil ich auch kei- nen Augenblick geſtört werden durfte, wenn der Brief noch mit der nächſten Poſt abgehen ſollte. Seraphine klopfte an, und rief: Mütterle mach’ auf, Seraphine Blumen bringt. Jch kann nicht, liebes Kind, ich muß ſchreiben. Bitte, bitte! aufmachen! Seraphine nur Blumen bringen, nur einen Kuß geben! — Jch ließ mich erweichen, ich machte auf. Sogleich war ſie hinten auf meinem Seſſel, umklammerte mich, zerküßte mir das Ge- ſicht, wollte mich mit den Blumen ſchmücken, und mich ganz nach Herzensluſt handhaben. Jch nahm ſie herunter vom Stuhl, und ſagte: Du mußt jetzt wieder gehen, mein Kind. Sie umklam- merte mich feſter und rief muthwillig: Seraphine doch nicht weggeht. Die Zeit verſtrich, ich ſchellte. Die Liſel kam, und ich ſagte ihr, ſie müſſe das Kind jetzt hinwegnehmen. Die Kleine brach in ein entſetzliches Geſchrey aus. Jch ſiegelte meinen (45)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/361>, abgerufen am 22.11.2024.