Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite



sen, wann und wohin er soll: Betty ist nicht allein.
Die Gewißheit seiner Liebe, welche mir tief im
Herzen wohnt, ist die einzige Gesellschaft deren
es bedarf. Rufen sie also den Geliebten immer
ab; er nimmt sein großes treues Herz mit sich, und
meines dazu, und keine Zeit und keine Entfernung
können fortan uns trennen. O rufen Sie ihn zu
sich, theure Eltern, daß er Jhnen alles, alles sage,
wie so gar selig wir sind, und daß auch die arme
Betty wieder zu sich selbst komme; denn Wolde-
mar hat sie ihr selbst entwendet. Sie muß doch
ihr überschwengliches Glück fassen lernen, und da-
zu muß sie allein seyn, d. h. ohne Woldemar, des-
sen Nähe sie immer mehr sich selbst entrückt. Und
er ist doch so sanft, so demüthig, und wirbt täg-
lich immer wieder von neuem um das Herz des ihm
ganz eigenen Mädchens. Rusen Sie ihn zu sich,
daß Betty sich selbst erst wieder finden möge, um
sich ihm von neuem zu schenken. Und o! lassen
Sie sich endlich mit den schönsten Banden ins Va-
terland zurückziehen. -- Wir wollen einen Kreis
der Liebe um Sie schließen -- auf Erden muß es
keinen solchen mehr geben.



ſen, wann und wohin er ſoll: Betty iſt nicht allein.
Die Gewißheit ſeiner Liebe, welche mir tief im
Herzen wohnt, iſt die einzige Geſellſchaft deren
es bedarf. Rufen ſie alſo den Geliebten immer
ab; er nimmt ſein großes treues Herz mit ſich, und
meines dazu, und keine Zeit und keine Entfernung
können fortan uns trennen. O rufen Sie ihn zu
ſich, theure Eltern, daß er Jhnen alles, alles ſage,
wie ſo gar ſelig wir ſind, und daß auch die arme
Betty wieder zu ſich ſelbſt komme; denn Wolde-
mar hat ſie ihr ſelbſt entwendet. Sie muß doch
ihr überſchwengliches Glück faſſen lernen, und da-
zu muß ſie allein ſeyn, d. h. ohne Woldemar, deſ-
ſen Nähe ſie immer mehr ſich ſelbſt entrückt. Und
er iſt doch ſo ſanft, ſo demüthig, und wirbt täg-
lich immer wieder von neuem um das Herz des ihm
ganz eigenen Mädchens. Ruſen Sie ihn zu ſich,
daß Betty ſich ſelbſt erſt wieder finden möge, um
ſich ihm von neuem zu ſchenken. Und o! laſſen
Sie ſich endlich mit den ſchönſten Banden ins Va-
terland zurückziehen. — Wir wollen einen Kreis
der Liebe um Sie ſchließen — auf Erden muß es
keinen ſolchen mehr geben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0352" n="344"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;en, wann und wohin er &#x017F;oll: Betty i&#x017F;t nicht allein.<lb/>
Die Gewißheit &#x017F;einer Liebe, welche mir tief im<lb/>
Herzen wohnt, i&#x017F;t die einzige Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft deren<lb/>
es bedarf. Rufen &#x017F;ie al&#x017F;o den Geliebten immer<lb/>
ab; er nimmt &#x017F;ein großes treues Herz mit &#x017F;ich, und<lb/>
meines dazu, und keine Zeit und keine Entfernung<lb/>
können fortan uns trennen. O rufen Sie ihn zu<lb/>
&#x017F;ich, theure Eltern, daß er Jhnen alles, alles &#x017F;age,<lb/>
wie &#x017F;o gar &#x017F;elig wir &#x017F;ind, und daß auch die arme<lb/>
Betty wieder zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t komme; denn Wolde-<lb/>
mar hat &#x017F;ie ihr &#x017F;elb&#x017F;t entwendet. Sie muß doch<lb/>
ihr über&#x017F;chwengliches Glück fa&#x017F;&#x017F;en lernen, und da-<lb/>
zu muß &#x017F;ie allein &#x017F;eyn, d. h. ohne Woldemar, de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Nähe &#x017F;ie immer mehr &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t entrückt. Und<lb/>
er i&#x017F;t doch &#x017F;o &#x017F;anft, &#x017F;o demüthig, und wirbt täg-<lb/>
lich immer wieder von neuem um das Herz des ihm<lb/>
ganz eigenen Mädchens. Ru&#x017F;en Sie ihn zu &#x017F;ich,<lb/>
daß Betty &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;t wieder finden möge, um<lb/>
&#x017F;ich ihm von neuem zu &#x017F;chenken. Und o! la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie &#x017F;ich endlich mit den &#x017F;chön&#x017F;ten Banden ins Va-<lb/>
terland zurückziehen. &#x2014; Wir wollen einen Kreis<lb/>
der Liebe um Sie &#x017F;chließen &#x2014; auf Erden muß es<lb/>
keinen &#x017F;olchen mehr geben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0352] ſen, wann und wohin er ſoll: Betty iſt nicht allein. Die Gewißheit ſeiner Liebe, welche mir tief im Herzen wohnt, iſt die einzige Geſellſchaft deren es bedarf. Rufen ſie alſo den Geliebten immer ab; er nimmt ſein großes treues Herz mit ſich, und meines dazu, und keine Zeit und keine Entfernung können fortan uns trennen. O rufen Sie ihn zu ſich, theure Eltern, daß er Jhnen alles, alles ſage, wie ſo gar ſelig wir ſind, und daß auch die arme Betty wieder zu ſich ſelbſt komme; denn Wolde- mar hat ſie ihr ſelbſt entwendet. Sie muß doch ihr überſchwengliches Glück faſſen lernen, und da- zu muß ſie allein ſeyn, d. h. ohne Woldemar, deſ- ſen Nähe ſie immer mehr ſich ſelbſt entrückt. Und er iſt doch ſo ſanft, ſo demüthig, und wirbt täg- lich immer wieder von neuem um das Herz des ihm ganz eigenen Mädchens. Ruſen Sie ihn zu ſich, daß Betty ſich ſelbſt erſt wieder finden möge, um ſich ihm von neuem zu ſchenken. Und o! laſſen Sie ſich endlich mit den ſchönſten Banden ins Va- terland zurückziehen. — Wir wollen einen Kreis der Liebe um Sie ſchließen — auf Erden muß es keinen ſolchen mehr geben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/352
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/352>, abgerufen am 05.05.2024.