und dürfen den Armen auf keine zu harte Probe stellen.
Von Mathilde und Hertha, wie von Elvirens Töchtern sagte ich Dir lange Zeit nichts. Clär- chens Abwesenheit und Jda's häufiges Verschwin- den aus dem Schwesterkreise (denn Platov hält sie viel umlagert), würden Mathilden ein peinli- ches Alleinseyn verursachen, wenn ich nicht hier, wie überall, wo wir rasten, eine gewisse Lebens- ordnung eingeführt. Wir beschäftigen uns sehr regelmäßig, und Mathilde hält sich gern zu mir. Wohl kann sie sich an Jda's Freude recht schwe- sterlich mitfreuen, und Jda verdoppelt in den Viertelstunden, die sie mit einander sind, ihre Liebe zur Gespielin ihrer frühesten Jugend. Aber Mathilde begnügt sich auch fröhlich damit, und bleibt ruhig und selbst genügsam. Auch noch kein Fünkchen des Verlangens nach einem ähnlichen Glücke scheint sich (soll ich sagen in ihrer kälteren oder lieber ihrer noch schlummernden Natur?) zu regen. Hertha weiß oft nicht, wo sie nun mit ihrer armen kleinen Person hin soll. Der Bru-
und dürfen den Armen auf keine zu harte Probe ſtellen.
Von Mathilde und Hertha, wie von Elvirens Töchtern ſagte ich Dir lange Zeit nichts. Clär- chens Abweſenheit und Jda’s häufiges Verſchwin- den aus dem Schweſterkreiſe (denn Platov hält ſie viel umlagert), würden Mathilden ein peinli- ches Alleinſeyn verurſachen, wenn ich nicht hier, wie überall, wo wir raſten, eine gewiſſe Lebens- ordnung eingeführt. Wir beſchäftigen uns ſehr regelmäßig, und Mathilde hält ſich gern zu mir. Wohl kann ſie ſich an Jda’s Freude recht ſchwe- ſterlich mitfreuen, und Jda verdoppelt in den Viertelſtunden, die ſie mit einander ſind, ihre Liebe zur Geſpielin ihrer früheſten Jugend. Aber Mathilde begnügt ſich auch fröhlich damit, und bleibt ruhig und ſelbſt genügſam. Auch noch kein Fünkchen des Verlangens nach einem ähnlichen Glücke ſcheint ſich (ſoll ich ſagen in ihrer kälteren oder lieber ihrer noch ſchlummernden Natur?) zu regen. Hertha weiß oft nicht, wo ſie nun mit ihrer armen kleinen Perſon hin ſoll. Der Bru-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0342"n="334"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
und dürfen den Armen auf keine zu harte Probe<lb/>ſtellen.</p><lb/><p>Von Mathilde und Hertha, wie von Elvirens<lb/>
Töchtern ſagte ich Dir lange Zeit nichts. Clär-<lb/>
chens Abweſenheit und Jda’s häufiges Verſchwin-<lb/>
den aus dem Schweſterkreiſe (denn Platov hält<lb/>ſie viel umlagert), würden Mathilden ein peinli-<lb/>
ches Alleinſeyn verurſachen, wenn ich nicht hier,<lb/>
wie überall, wo wir raſten, eine gewiſſe Lebens-<lb/>
ordnung eingeführt. Wir beſchäftigen uns ſehr<lb/>
regelmäßig, und Mathilde hält ſich gern zu mir.<lb/>
Wohl kann ſie ſich an Jda’s Freude recht ſchwe-<lb/>ſterlich mitfreuen, und Jda verdoppelt in den<lb/>
Viertelſtunden, die ſie mit einander ſind, ihre<lb/>
Liebe zur Geſpielin ihrer früheſten Jugend. Aber<lb/>
Mathilde begnügt ſich auch fröhlich damit, und<lb/>
bleibt ruhig und ſelbſt genügſam. Auch noch kein<lb/>
Fünkchen des Verlangens nach einem ähnlichen<lb/>
Glücke ſcheint ſich (ſoll ich ſagen in ihrer kälteren<lb/>
oder lieber ihrer noch ſchlummernden Natur?) zu<lb/>
regen. Hertha weiß oft nicht, wo ſie nun mit<lb/>
ihrer armen kleinen Perſon hin ſoll. Der Bru-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[334/0342]
und dürfen den Armen auf keine zu harte Probe
ſtellen.
Von Mathilde und Hertha, wie von Elvirens
Töchtern ſagte ich Dir lange Zeit nichts. Clär-
chens Abweſenheit und Jda’s häufiges Verſchwin-
den aus dem Schweſterkreiſe (denn Platov hält
ſie viel umlagert), würden Mathilden ein peinli-
ches Alleinſeyn verurſachen, wenn ich nicht hier,
wie überall, wo wir raſten, eine gewiſſe Lebens-
ordnung eingeführt. Wir beſchäftigen uns ſehr
regelmäßig, und Mathilde hält ſich gern zu mir.
Wohl kann ſie ſich an Jda’s Freude recht ſchwe-
ſterlich mitfreuen, und Jda verdoppelt in den
Viertelſtunden, die ſie mit einander ſind, ihre
Liebe zur Geſpielin ihrer früheſten Jugend. Aber
Mathilde begnügt ſich auch fröhlich damit, und
bleibt ruhig und ſelbſt genügſam. Auch noch kein
Fünkchen des Verlangens nach einem ähnlichen
Glücke ſcheint ſich (ſoll ich ſagen in ihrer kälteren
oder lieber ihrer noch ſchlummernden Natur?) zu
regen. Hertha weiß oft nicht, wo ſie nun mit
ihrer armen kleinen Perſon hin ſoll. Der Bru-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/342>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.