Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite



wären in einem schlimmen Grade leichtsinnig ge-
worden, wenn ihre ganze Umgebung hier sie
nicht zur Vernünftigkeit genöthigt. Freilich Jda's
Besonnenheit wird sie nie erlangen, und Mathil-
dens strengen Ernst eben so wenig, aber darüber
habe ich mich auch sonst schon erklärt, wie unge-
recht diese Forderungen an Hertha wären.

Das Leben mehrerer Kinder mit einander hat
allerdings manchen Nachtheil, und impft nicht
selten fremde Fehler auf die besonderen einer jeden
Natur, aber groß kann dieser Nachtheil nur als-
dann werden, wenn in Schulen und Erziehungs-
häusern, Kindern von sehr ungleichartigen Fami-
lien, in der späteren Jugend und von höchst ver-
schiedenen Graden der Rohheit oder der Vor-und
Verbildung in großer Anzahl zusammen kommen.
Da freilich kann nicht bloß das Zarte geknickt, das
Starke verhärtet, das Leichte und Freie bis zur
Verwilderung getrieben werden; es können selbst
sehr ungleichartige sich widersprechende Fehler von
dem einen auf das andere übertragen werden. Aber
bei einer kleinen Anzahl, die leicht zu übersehen
ist, früh ganz nach einerlei Grundsätzen

(36)



wären in einem ſchlimmen Grade leichtſinnig ge-
worden, wenn ihre ganze Umgebung hier ſie
nicht zur Vernünftigkeit genöthigt. Freilich Jda’s
Beſonnenheit wird ſie nie erlangen, und Mathil-
dens ſtrengen Ernſt eben ſo wenig, aber darüber
habe ich mich auch ſonſt ſchon erklärt, wie unge-
recht dieſe Forderungen an Hertha wären.

Das Leben mehrerer Kinder mit einander hat
allerdings manchen Nachtheil, und impft nicht
ſelten fremde Fehler auf die beſonderen einer jeden
Natur, aber groß kann dieſer Nachtheil nur als-
dann werden, wenn in Schulen und Erziehungs-
häuſern, Kindern von ſehr ungleichartigen Fami-
lien, in der ſpäteren Jugend und von höchſt ver-
ſchiedenen Graden der Rohheit oder der Vor-und
Verbildung in großer Anzahl zuſammen kommen.
Da freilich kann nicht bloß das Zarte geknickt, das
Starke verhärtet, das Leichte und Freie bis zur
Verwilderung getrieben werden; es können ſelbſt
ſehr ungleichartige ſich widerſprechende Fehler von
dem einen auf das andere übertragen werden. Aber
bei einer kleinen Anzahl, die leicht zu überſehen
iſt, früh ganz nach einerlei Grundſätzen

(36)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0289" n="281"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wären in einem &#x017F;chlimmen Grade leicht&#x017F;innig ge-<lb/>
worden, wenn ihre ganze Umgebung hier &#x017F;ie<lb/>
nicht zur Vernünftigkeit genöthigt. Freilich Jda&#x2019;s<lb/>
Be&#x017F;onnenheit wird &#x017F;ie nie erlangen, und Mathil-<lb/>
dens &#x017F;trengen Ern&#x017F;t eben &#x017F;o wenig, aber darüber<lb/>
habe ich mich auch &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;chon erklärt, wie unge-<lb/>
recht die&#x017F;e Forderungen an Hertha wären.</p><lb/>
          <p>Das Leben mehrerer Kinder mit einander hat<lb/>
allerdings manchen Nachtheil, und impft nicht<lb/>
&#x017F;elten fremde Fehler auf die be&#x017F;onderen einer jeden<lb/>
Natur, aber groß kann die&#x017F;er Nachtheil nur als-<lb/>
dann werden, wenn in Schulen und Erziehungs-<lb/>
häu&#x017F;ern, Kindern von &#x017F;ehr ungleichartigen Fami-<lb/>
lien, in der &#x017F;päteren Jugend und von höch&#x017F;t ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Graden der Rohheit oder der Vor-und<lb/>
Verbildung in großer Anzahl zu&#x017F;ammen kommen.<lb/>
Da freilich kann nicht bloß das Zarte geknickt, das<lb/>
Starke verhärtet, das Leichte und Freie bis zur<lb/>
Verwilderung getrieben werden; es können &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ehr ungleichartige &#x017F;ich wider&#x017F;prechende Fehler von<lb/>
dem einen auf das andere übertragen werden. Aber<lb/>
bei einer <hi rendition="#g">kleinen Anzahl,</hi> die leicht zu über&#x017F;ehen<lb/>
i&#x017F;t, <hi rendition="#g">früh ganz nach einerlei Grund&#x017F;ätzen</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(36)</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0289] wären in einem ſchlimmen Grade leichtſinnig ge- worden, wenn ihre ganze Umgebung hier ſie nicht zur Vernünftigkeit genöthigt. Freilich Jda’s Beſonnenheit wird ſie nie erlangen, und Mathil- dens ſtrengen Ernſt eben ſo wenig, aber darüber habe ich mich auch ſonſt ſchon erklärt, wie unge- recht dieſe Forderungen an Hertha wären. Das Leben mehrerer Kinder mit einander hat allerdings manchen Nachtheil, und impft nicht ſelten fremde Fehler auf die beſonderen einer jeden Natur, aber groß kann dieſer Nachtheil nur als- dann werden, wenn in Schulen und Erziehungs- häuſern, Kindern von ſehr ungleichartigen Fami- lien, in der ſpäteren Jugend und von höchſt ver- ſchiedenen Graden der Rohheit oder der Vor-und Verbildung in großer Anzahl zuſammen kommen. Da freilich kann nicht bloß das Zarte geknickt, das Starke verhärtet, das Leichte und Freie bis zur Verwilderung getrieben werden; es können ſelbſt ſehr ungleichartige ſich widerſprechende Fehler von dem einen auf das andere übertragen werden. Aber bei einer kleinen Anzahl, die leicht zu überſehen iſt, früh ganz nach einerlei Grundſätzen (36)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/289
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/289>, abgerufen am 03.05.2024.