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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Stufen des kindlichen Alters hinüber-
geführt. So konnte also in diesem Boden der
Saame des feindlichen Egoismus nicht wuchern,
und sie kannten die Laune sammt allen freudenstö-
renden Wirkungen nur aus fremden Erzählungen.
Denn daß Deine Freundin sich selbst aufs beste
dagegen zu verwahren strebte, versteht sich. Nichts
wirkt so leicht auf junge Seelen, als die Lau-
nen derer, von denen die Blüthe oder die Zer-
störung ihres Paradieses abhängt. Die Mut-
ter, welche launenhaft die kleinen Freuden ihrer
Kinder verbietend zertritt, und was sie gestern
gut hieß, weil ihr Horizont heiter war, heute ta-
delt, weil heute Regenwetter eingetreten: wie
dürfte die sich verwundern, wenn die Kleinen sich
untereinander ihr spielendes Leben zum finstern
Ernst machen? Ein gesundes kräftiges Kind im
heitern Klima der ruhigen Liebe aufgeblühet, kann
nicht launenhaft werden.

Was den Leichtsinn betrifft, so hängt er mit
dem schönsten Vorrechte der frühern Jugend so
innig zusammen, ja ist so sehr dieses selber, daß



Stufen des kindlichen Alters hinüber-
geführt. So konnte alſo in dieſem Boden der
Saame des feindlichen Egoismus nicht wuchern,
und ſie kannten die Laune ſammt allen freudenſtö-
renden Wirkungen nur aus fremden Erzählungen.
Denn daß Deine Freundin ſich ſelbſt aufs beſte
dagegen zu verwahren ſtrebte, verſteht ſich. Nichts
wirkt ſo leicht auf junge Seelen, als die Lau-
nen derer, von denen die Blüthe oder die Zer-
ſtörung ihres Paradieſes abhängt. Die Mut-
ter, welche launenhaft die kleinen Freuden ihrer
Kinder verbietend zertritt, und was ſie geſtern
gut hieß, weil ihr Horizont heiter war, heute ta-
delt, weil heute Regenwetter eingetreten: wie
dürfte die ſich verwundern, wenn die Kleinen ſich
untereinander ihr ſpielendes Leben zum finſtern
Ernſt machen? Ein geſundes kräftiges Kind im
heitern Klima der ruhigen Liebe aufgeblühet, kann
nicht launenhaft werden.

Was den Leichtſinn betrifft, ſo hängt er mit
dem ſchönſten Vorrechte der frühern Jugend ſo
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[279/0287] Stufen des kindlichen Alters hinüber- geführt. So konnte alſo in dieſem Boden der Saame des feindlichen Egoismus nicht wuchern, und ſie kannten die Laune ſammt allen freudenſtö- renden Wirkungen nur aus fremden Erzählungen. Denn daß Deine Freundin ſich ſelbſt aufs beſte dagegen zu verwahren ſtrebte, verſteht ſich. Nichts wirkt ſo leicht auf junge Seelen, als die Lau- nen derer, von denen die Blüthe oder die Zer- ſtörung ihres Paradieſes abhängt. Die Mut- ter, welche launenhaft die kleinen Freuden ihrer Kinder verbietend zertritt, und was ſie geſtern gut hieß, weil ihr Horizont heiter war, heute ta- delt, weil heute Regenwetter eingetreten: wie dürfte die ſich verwundern, wenn die Kleinen ſich untereinander ihr ſpielendes Leben zum finſtern Ernſt machen? Ein geſundes kräftiges Kind im heitern Klima der ruhigen Liebe aufgeblühet, kann nicht launenhaft werden. Was den Leichtſinn betrifft, ſo hängt er mit dem ſchönſten Vorrechte der frühern Jugend ſo innig zuſammen, ja iſt ſo ſehr dieſes ſelber, daß

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/287>, abgerufen am 03.05.2024.