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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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fest? -- Ja wohl, Seraphine, ich wollte gerne
hier bleiben, bis Du groß bist und verständig,
dann gehe ich voran, und warte mit Deiner lie-
ben Mutter auf Dich, bis Du auch nachkommst.
Jetzt leitete ich das Kind unmerklich auf etwas an-
deres, damit sich diese Vorstellungen nicht zu fest
bei ihr setzen, und zu sehnsüchtigen Gefühlen wer-
den möchten.

Neulich als wir über Seraphine gesprochen, äus-
serte die gute Elvire ihre Verwunderung gegen
mich, wie es denn möglich wäre, so sein ganzes
Leben der Bildung junger Kinder aufzuopfern.
Aber wer sagt Jhnen denn, Liebe, daß ich ein Opfer
bringe? Haben Sie mir das jemals angesehen?
Sie müßte eingestehen, daß sie mich nie in großer
Anstrengung gesehen, wie man das doch leicht
wahrzunehmen pflege, wenn jemand ein beschwer-
liches Werk thue. Elvire: Aber ich fühle doch,
daß ich mich beständig angestrengt halten, und mir
vieles versagen muß, seit ich die Fleuri entlassen,
und meine Kinder mehr unmittelbar um mich habe,
obgleich sie einen großen Theil des Tages mit Jh-



feſt? — Ja wohl, Seraphine, ich wollte gerne
hier bleiben, bis Du groß biſt und verſtändig,
dann gehe ich voran, und warte mit Deiner lie-
ben Mutter auf Dich, bis Du auch nachkommſt.
Jetzt leitete ich das Kind unmerklich auf etwas an-
deres, damit ſich dieſe Vorſtellungen nicht zu feſt
bei ihr ſetzen, und zu ſehnſüchtigen Gefühlen wer-
den möchten.

Neulich als wir über Seraphine geſprochen, äuſ-
ſerte die gute Elvire ihre Verwunderung gegen
mich, wie es denn möglich wäre, ſo ſein ganzes
Leben der Bildung junger Kinder aufzuopfern.
Aber wer ſagt Jhnen denn, Liebe, daß ich ein Opfer
bringe? Haben Sie mir das jemals angeſehen?
Sie müßte eingeſtehen, daß ſie mich nie in großer
Anſtrengung geſehen, wie man das doch leicht
wahrzunehmen pflege, wenn jemand ein beſchwer-
liches Werk thue. Elvire: Aber ich fühle doch,
daß ich mich beſtändig angeſtrengt halten, und mir
vieles verſagen muß, ſeit ich die Fleuri entlaſſen,
und meine Kinder mehr unmittelbar um mich habe,
obgleich ſie einen großen Theil des Tages mit Jh-

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[251/0259] feſt? — Ja wohl, Seraphine, ich wollte gerne hier bleiben, bis Du groß biſt und verſtändig, dann gehe ich voran, und warte mit Deiner lie- ben Mutter auf Dich, bis Du auch nachkommſt. Jetzt leitete ich das Kind unmerklich auf etwas an- deres, damit ſich dieſe Vorſtellungen nicht zu feſt bei ihr ſetzen, und zu ſehnſüchtigen Gefühlen wer- den möchten. Neulich als wir über Seraphine geſprochen, äuſ- ſerte die gute Elvire ihre Verwunderung gegen mich, wie es denn möglich wäre, ſo ſein ganzes Leben der Bildung junger Kinder aufzuopfern. Aber wer ſagt Jhnen denn, Liebe, daß ich ein Opfer bringe? Haben Sie mir das jemals angeſehen? Sie müßte eingeſtehen, daß ſie mich nie in großer Anſtrengung geſehen, wie man das doch leicht wahrzunehmen pflege, wenn jemand ein beſchwer- liches Werk thue. Elvire: Aber ich fühle doch, daß ich mich beſtändig angeſtrengt halten, und mir vieles verſagen muß, ſeit ich die Fleuri entlaſſen, und meine Kinder mehr unmittelbar um mich habe, obgleich ſie einen großen Theil des Tages mit Jh-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/259>, abgerufen am 03.05.2024.