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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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als väterlicher Wille dazwischen, wie elend müssen
beide werden; am meisten Betty! -- Nun leben
meine Mädchen den Rest vom Frühling ihres Kin-
derlebens ganz ungestört zu Ende. Was ihrer im
heißen Lebenssommer auch warten möge, den Früh-
ling haben sie rein genossen, und den Schatz der
Erinnerung kann ihnen nichts in der Welt rauben.

Ob ich den Brief wohl sollte zu Ende bringen,
ohne von Seraphine zu reden? -- Jn früherer
Zeit pflegte Dein muthwilliger D -- mir wohl
vorzuwerfen, meine Briefe dufteten im Frühling
immer von Veilchen und Rosen -- und oft mußt'
ich über mich selbst lächeln, wenn ich's gewahr
ward, welche Rolle diese Blümlein in meinen
Briefen spielten. Jetzt ist Seraphine das Veil-
chen, von dem ich immer reden muß, und er wird
nicht unterlassen, mit seinem wohlbekannten Lä-
cheln nach dem Namen zu suchen, bis er ihn ge-
funden. Aber er wird ihn noch oft finden. Und
wenn er das Kind erst selbst sieht, so werde ich
mit ihm zu schaffen haben, daß er mir nicht den
Rang ablaufe. Jetzt ist das Kind völlig genesen,



als väterlicher Wille dazwiſchen, wie elend müſſen
beide werden; am meiſten Betty! — Nun leben
meine Mädchen den Reſt vom Frühling ihres Kin-
derlebens ganz ungeſtört zu Ende. Was ihrer im
heißen Lebensſommer auch warten möge, den Früh-
ling haben ſie rein genoſſen, und den Schatz der
Erinnerung kann ihnen nichts in der Welt rauben.

Ob ich den Brief wohl ſollte zu Ende bringen,
ohne von Seraphine zu reden? — Jn früherer
Zeit pflegte Dein muthwilliger D — mir wohl
vorzuwerfen, meine Briefe dufteten im Frühling
immer von Veilchen und Roſen — und oft mußt’
ich über mich ſelbſt lächeln, wenn ich’s gewahr
ward, welche Rolle dieſe Blümlein in meinen
Briefen ſpielten. Jetzt iſt Seraphine das Veil-
chen, von dem ich immer reden muß, und er wird
nicht unterlaſſen, mit ſeinem wohlbekannten Lä-
cheln nach dem Namen zu ſuchen, bis er ihn ge-
funden. Aber er wird ihn noch oft finden. Und
wenn er das Kind erſt ſelbſt ſieht, ſo werde ich
mit ihm zu ſchaffen haben, daß er mir nicht den
Rang ablaufe. Jetzt iſt das Kind völlig geneſen,

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[142[242]/0250] als väterlicher Wille dazwiſchen, wie elend müſſen beide werden; am meiſten Betty! — Nun leben meine Mädchen den Reſt vom Frühling ihres Kin- derlebens ganz ungeſtört zu Ende. Was ihrer im heißen Lebensſommer auch warten möge, den Früh- ling haben ſie rein genoſſen, und den Schatz der Erinnerung kann ihnen nichts in der Welt rauben. Ob ich den Brief wohl ſollte zu Ende bringen, ohne von Seraphine zu reden? — Jn früherer Zeit pflegte Dein muthwilliger D — mir wohl vorzuwerfen, meine Briefe dufteten im Frühling immer von Veilchen und Roſen — und oft mußt’ ich über mich ſelbſt lächeln, wenn ich’s gewahr ward, welche Rolle dieſe Blümlein in meinen Briefen ſpielten. Jetzt iſt Seraphine das Veil- chen, von dem ich immer reden muß, und er wird nicht unterlaſſen, mit ſeinem wohlbekannten Lä- cheln nach dem Namen zu ſuchen, bis er ihn ge- funden. Aber er wird ihn noch oft finden. Und wenn er das Kind erſt ſelbſt ſieht, ſo werde ich mit ihm zu ſchaffen haben, daß er mir nicht den Rang ablaufe. Jetzt iſt das Kind völlig geneſen,

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 142[242]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/250>, abgerufen am 21.11.2024.