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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Sie kennen mich, Theure, von Jugend auf,
und sind vielleicht, mit allem was an und in mir
ist, besser bekannt als ich selbst. Und so müssen
Sie auch wissen, wie ich's mit meinen Mädchen
im Sinn habe, und welche Absicht ich hatte, als
ich die Fleuri zu mir berief. Sie ward mir als
eine der besten Erzieherinnen gerühmt, ich hoffte
von ihr, was ich mir selbst nicht zutrauen durfte.
Meine Kinder waren wohl ein wenig roh, als sie
zu uns kam. Jch vermochte es nicht, ihrer Kind-
heit auch nur einigen Zwang anzulegen. Darum
übergab ich sie der Fleuri mit unbedingtem Zu-
trauen. Sie war nun eifrig darüber her, an ih-
nen zu schleifen, zn modeln, zu poliren, und es
ist ihr in den 3 Jahren so weit gelungen, als sie
es da sehen.

Wie es nun zuging, daß ich meinen Jrrthum
nicht früher eingesehen, als seit ich Sie mit Jhrer
frohen Schaar täglich sehe, das weiß ich nicht!

Und doch ist es so leicht zu erklären, geliebte
Elwira. Wenn sich vor unsern Augen eine schöne

Sie kennen mich, Theure, von Jugend auf,
und ſind vielleicht, mit allem was an und in mir
iſt, beſſer bekannt als ich ſelbſt. Und ſo müſſen
Sie auch wiſſen, wie ich’s mit meinen Mädchen
im Sinn habe, und welche Abſicht ich hatte, als
ich die Fleuri zu mir berief. Sie ward mir als
eine der beſten Erzieherinnen gerühmt, ich hoffte
von ihr, was ich mir ſelbſt nicht zutrauen durfte.
Meine Kinder waren wohl ein wenig roh, als ſie
zu uns kam. Jch vermochte es nicht, ihrer Kind-
heit auch nur einigen Zwang anzulegen. Darum
übergab ich ſie der Fleuri mit unbedingtem Zu-
trauen. Sie war nun eifrig darüber her, an ih-
nen zu ſchleifen, zn modeln, zu poliren, und es
iſt ihr in den 3 Jahren ſo weit gelungen, als ſie
es da ſehen.

Wie es nun zuging, daß ich meinen Jrrthum
nicht früher eingeſehen, als ſeit ich Sie mit Jhrer
frohen Schaar täglich ſehe, das weiß ich nicht!

Und doch iſt es ſo leicht zu erklären, geliebte
Elwira. Wenn ſich vor unſern Augen eine ſchöne

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[140/0148] Sie kennen mich, Theure, von Jugend auf, und ſind vielleicht, mit allem was an und in mir iſt, beſſer bekannt als ich ſelbſt. Und ſo müſſen Sie auch wiſſen, wie ich’s mit meinen Mädchen im Sinn habe, und welche Abſicht ich hatte, als ich die Fleuri zu mir berief. Sie ward mir als eine der beſten Erzieherinnen gerühmt, ich hoffte von ihr, was ich mir ſelbſt nicht zutrauen durfte. Meine Kinder waren wohl ein wenig roh, als ſie zu uns kam. Jch vermochte es nicht, ihrer Kind- heit auch nur einigen Zwang anzulegen. Darum übergab ich ſie der Fleuri mit unbedingtem Zu- trauen. Sie war nun eifrig darüber her, an ih- nen zu ſchleifen, zn modeln, zu poliren, und es iſt ihr in den 3 Jahren ſo weit gelungen, als ſie es da ſehen. Wie es nun zuging, daß ich meinen Jrrthum nicht früher eingeſehen, als ſeit ich Sie mit Jhrer frohen Schaar täglich ſehe, das weiß ich nicht! Und doch iſt es ſo leicht zu erklären, geliebte Elwira. Wenn ſich vor unſern Augen eine ſchöne

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/148>, abgerufen am 28.11.2024.