Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.ihn eben so wenig seiner Kinder berauben, als die Platov scheint mir jünger geworden. Das liegt ihn eben ſo wenig ſeiner Kinder berauben, als die Platov ſcheint mir jünger geworden. Das liegt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0122" n="114"/> ihn eben ſo wenig ſeiner Kinder berauben, als die<lb/> Familie jetzt mit ihrem gemeinſamen Schmerz<lb/> allein laſſen darf. Es ſcheint ohnedies, als ſchlage<lb/> dieſer Schmerz allzutiefe und breite Wurzeln bei<lb/> dem Vater wie bei den Töchtern, und von uns<lb/> allen war der Geiſt des Lebens gewichen — un-<lb/> ſere Reifenden fachten ihn wieder an. Geht aber<lb/> alles, in dem noch friſche Lebensflamme wehet, aus<lb/> dem Hauſe, ſo muß es nothwendig veröden. —<lb/> Woldemar iſt ein ſchöner Jüngling geworden.<lb/> Der Schmelz der friſchen Blüthe verherrlicht die<lb/> aufſtrebende Kraft. Jetzt heißt er Platov Du.<lb/> Das Verhältniß des Mentors und Zöglings iſt<lb/> ganz in ein Freundesverhältniß übergegangen.</p><lb/> <p>Platov ſcheint mir jünger geworden. Das liegt<lb/> nun wohl hauptſächlich in dem aufgehobenen Kon-<lb/> traſt der Kindheit und vollen Reife, die man ſonſt<lb/> hier neben einander ſah, aber es hat auch das<lb/> Leben mit der friſchen Jugend eine eigne verjün-<lb/> gende Kraft. Jn Woldemars Lage läßt ſich kein<lb/> wirkſameres Bildungsmittel denken, als das Rei-<lb/> ſen. Sein Talent zur Muſik iſt nicht gering. Er<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0122]
ihn eben ſo wenig ſeiner Kinder berauben, als die
Familie jetzt mit ihrem gemeinſamen Schmerz
allein laſſen darf. Es ſcheint ohnedies, als ſchlage
dieſer Schmerz allzutiefe und breite Wurzeln bei
dem Vater wie bei den Töchtern, und von uns
allen war der Geiſt des Lebens gewichen — un-
ſere Reifenden fachten ihn wieder an. Geht aber
alles, in dem noch friſche Lebensflamme wehet, aus
dem Hauſe, ſo muß es nothwendig veröden. —
Woldemar iſt ein ſchöner Jüngling geworden.
Der Schmelz der friſchen Blüthe verherrlicht die
aufſtrebende Kraft. Jetzt heißt er Platov Du.
Das Verhältniß des Mentors und Zöglings iſt
ganz in ein Freundesverhältniß übergegangen.
Platov ſcheint mir jünger geworden. Das liegt
nun wohl hauptſächlich in dem aufgehobenen Kon-
traſt der Kindheit und vollen Reife, die man ſonſt
hier neben einander ſah, aber es hat auch das
Leben mit der friſchen Jugend eine eigne verjün-
gende Kraft. Jn Woldemars Lage läßt ſich kein
wirkſameres Bildungsmittel denken, als das Rei-
ſen. Sein Talent zur Muſik iſt nicht gering. Er
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Zitationshilfe: | Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/122>, abgerufen am 24.07.2024. |