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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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men war sie von allen gekannt und geliebt. Die
Knaben der sehr gut eingerichteten Schule hatten
Graun's "Auferstehen, ja auferstehen" einge-
lernt, und sangen es, während der Sarg ver-
senkt wurde, unter vielen, vielen Thränen des
Gefolges. Unsere Kinder waren fast aufgelös't.
Betty weinte nicht mehr, und sehr wohl hätte sie
zum Monumente auf der Mutter Grabe dienen
mögen -- smiling on grief, wie der Dichter
sagt. Die gewohnte Leichenrede hielt ein benach-
barter Pfarrer; des Gegenstandes nicht ganz un-
werth. Sobald mein Freund Fassung genug hat,
will er selbst zu seiner Gemeine über Tod und
Ewigkeit reden. Das muß eine große Lehrstunde
für uns alle werden. Dann wollen wir, bis es
vollends Frühling wird, noch auf ein paar Wochen
mit einander verreisen. Unsere Kinder sind wohl.
Dies diene Dir zur Beruhigung, wenn sie so-
bald nicht schreiben sollten.

Lebe wohl!



men war ſie von allen gekannt und geliebt. Die
Knaben der ſehr gut eingerichteten Schule hatten
Graun’s „Auferſtehen, ja auferſtehen‟ einge-
lernt, und ſangen es, während der Sarg ver-
ſenkt wurde, unter vielen, vielen Thränen des
Gefolges. Unſere Kinder waren faſt aufgelöſ’t.
Betty weinte nicht mehr, und ſehr wohl hätte ſie
zum Monumente auf der Mutter Grabe dienen
mögen — smiling on grief, wie der Dichter
ſagt. Die gewohnte Leichenrede hielt ein benach-
barter Pfarrer; des Gegenſtandes nicht ganz un-
werth. Sobald mein Freund Faſſung genug hat,
will er ſelbſt zu ſeiner Gemeine über Tod und
Ewigkeit reden. Das muß eine große Lehrſtunde
für uns alle werden. Dann wollen wir, bis es
vollends Frühling wird, noch auf ein paar Wochen
mit einander verreiſen. Unſere Kinder ſind wohl.
Dies diene Dir zur Beruhigung, wenn ſie ſo-
bald nicht ſchreiben ſollten.

Lebe wohl!



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[112/0120] men war ſie von allen gekannt und geliebt. Die Knaben der ſehr gut eingerichteten Schule hatten Graun’s „Auferſtehen, ja auferſtehen‟ einge- lernt, und ſangen es, während der Sarg ver- ſenkt wurde, unter vielen, vielen Thränen des Gefolges. Unſere Kinder waren faſt aufgelöſ’t. Betty weinte nicht mehr, und ſehr wohl hätte ſie zum Monumente auf der Mutter Grabe dienen mögen — smiling on grief, wie der Dichter ſagt. Die gewohnte Leichenrede hielt ein benach- barter Pfarrer; des Gegenſtandes nicht ganz un- werth. Sobald mein Freund Faſſung genug hat, will er ſelbſt zu ſeiner Gemeine über Tod und Ewigkeit reden. Das muß eine große Lehrſtunde für uns alle werden. Dann wollen wir, bis es vollends Frühling wird, noch auf ein paar Wochen mit einander verreiſen. Unſere Kinder ſind wohl. Dies diene Dir zur Beruhigung, wenn ſie ſo- bald nicht ſchreiben ſollten. Lebe wohl!

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/120>, abgerufen am 25.11.2024.