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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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gende Zerstreutheit angewöhnt wird,) noch man-
chen andern, gewiß nicht unwichtigern.

Wir häuslich erzogene Frauen kennen das süße
Gefühl, das in uns rege wird und unser Gemüth
auf eine so einzige Art bewegt, so oft unsere frü-
hesten Kinderjahre mit allen ihren schönen Erinne-
rungen lebendig vor uns hintreten und uns hold-
selig anlächeln. Und was kann uns inniger bewe-
gen, als der Anblick des Stübchens, wo unsere
Wiege stand, des Spielzeugs, das wir zuerst lieb
hatten, der Plätze im väterlichen Garten, auf
welchen wir am liebsten spielten! O! wie hängt
das unzerstreute Herz so treu, so warm an seinen
ersten Freuden!

Was soll dem Menschen diese einzig schönen Ge-
fühle ersetzen, wenn ein frühes Umhertreiben von
Stadt zu Stadt, von Land zu Land, diese heilige
Vorliebe für's Vaterland, dies schöne Vorurtheil
des Herzens, das die unverdorbene Natur so eng
an das Vaterhaus knüpft, gänzlich in uns ver-
löscht hat? Und nun vollends unser Geschlecht!



gende Zerſtreutheit angewöhnt wird,) noch man-
chen andern, gewiß nicht unwichtigern.

Wir häuslich erzogene Frauen kennen das ſüße
Gefühl, das in uns rege wird und unſer Gemüth
auf eine ſo einzige Art bewegt, ſo oft unſere frü-
heſten Kinderjahre mit allen ihren ſchönen Erinne-
rungen lebendig vor uns hintreten und uns hold-
ſelig anlächeln. Und was kann uns inniger bewe-
gen, als der Anblick des Stübchens, wo unſere
Wiege ſtand, des Spielzeugs, das wir zuerſt lieb
hatten, der Plätze im väterlichen Garten, auf
welchen wir am liebſten ſpielten! O! wie hängt
das unzerſtreute Herz ſo treu, ſo warm an ſeinen
erſten Freuden!

Was ſoll dem Menſchen dieſe einzig ſchönen Ge-
fühle erſetzen, wenn ein frühes Umhertreiben von
Stadt zu Stadt, von Land zu Land, dieſe heilige
Vorliebe für’s Vaterland, dies ſchöne Vorurtheil
des Herzens, das die unverdorbene Natur ſo eng
an das Vaterhaus knüpft, gänzlich in uns ver-
löſcht hat? Und nun vollends unſer Geſchlecht!

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[77/0091] gende Zerſtreutheit angewöhnt wird,) noch man- chen andern, gewiß nicht unwichtigern. Wir häuslich erzogene Frauen kennen das ſüße Gefühl, das in uns rege wird und unſer Gemüth auf eine ſo einzige Art bewegt, ſo oft unſere frü- heſten Kinderjahre mit allen ihren ſchönen Erinne- rungen lebendig vor uns hintreten und uns hold- ſelig anlächeln. Und was kann uns inniger bewe- gen, als der Anblick des Stübchens, wo unſere Wiege ſtand, des Spielzeugs, das wir zuerſt lieb hatten, der Plätze im väterlichen Garten, auf welchen wir am liebſten ſpielten! O! wie hängt das unzerſtreute Herz ſo treu, ſo warm an ſeinen erſten Freuden! Was ſoll dem Menſchen dieſe einzig ſchönen Ge- fühle erſetzen, wenn ein frühes Umhertreiben von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, dieſe heilige Vorliebe für’s Vaterland, dies ſchöne Vorurtheil des Herzens, das die unverdorbene Natur ſo eng an das Vaterhaus knüpft, gänzlich in uns ver- löſcht hat? Und nun vollends unſer Geſchlecht!

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/91>, abgerufen am 22.11.2024.