gehen läßt, und ihre ganze Freude in Schlafen, Essen und Trinken sucht. Gestatten wir den klei- nen Wesen alles, was wir können, verbieten wir ihnen nichts, als das wirklich Schädliche, gestehen wir ihnen aufs erste Wort der bescheide- nen Bitte das zu, was wir bewilligen können und dürfen, schlagen wir ihnen nie ab, was wir her- nach doch zugestehn, lassen wir unser erstes ver- weigerndes Wort auch das letzte seyn: so werden sie sich bald zu der ehrerbietigen Resignation ge- wöhnen, die ihnen so heilsam ist.
Es ist eben so schädlich, sich etwas von Kindern abbetteln, als abtrotzen zu lassen. Auch ist die beharrliche Bettelei nur eine andere Art von Trotz, die gleichfalls auf die Schwäche der Eltern be- rechnet ist.
Der früheste Ungehorsam entsteht gewöhnlich aus der Lüsternheit nach dem, was die Erwach- senen vor den Augen der Kinder genießen und ihnen versagen, und dessen sich die Kleinen zu bemächtigen suchen, sobald sie unbemerkt zu seyn
gehen läßt, und ihre ganze Freude in Schlafen, Eſſen und Trinken ſucht. Geſtatten wir den klei- nen Weſen alles, was wir können, verbieten wir ihnen nichts, als das wirklich Schädliche, geſtehen wir ihnen aufs erſte Wort der beſcheide- nen Bitte das zu, was wir bewilligen können und dürfen, ſchlagen wir ihnen nie ab, was wir her- nach doch zugeſtehn, laſſen wir unſer erſtes ver- weigerndes Wort auch das letzte ſeyn: ſo werden ſie ſich bald zu der ehrerbietigen Reſignation ge- wöhnen, die ihnen ſo heilſam iſt.
Es iſt eben ſo ſchädlich, ſich etwas von Kindern abbetteln, als abtrotzen zu laſſen. Auch iſt die beharrliche Bettelei nur eine andere Art von Trotz, die gleichfalls auf die Schwäche der Eltern be- rechnet iſt.
Der früheſte Ungehorſam entſteht gewöhnlich aus der Lüſternheit nach dem, was die Erwach- ſenen vor den Augen der Kinder genießen und ihnen verſagen, und deſſen ſich die Kleinen zu bemächtigen ſuchen, ſobald ſie unbemerkt zu ſeyn
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gehen läßt, und ihre ganze Freude in Schlafen,
Eſſen und Trinken ſucht. Geſtatten wir den klei-
nen Weſen alles, was wir können, verbieten
wir ihnen nichts, als das wirklich Schädliche,
geſtehen wir ihnen aufs erſte Wort der beſcheide-
nen Bitte das zu, was wir bewilligen können und
dürfen, ſchlagen wir ihnen nie ab, was wir her-
nach doch zugeſtehn, laſſen wir unſer erſtes ver-
weigerndes Wort auch das letzte ſeyn: ſo werden
ſie ſich bald zu der ehrerbietigen Reſignation ge-
wöhnen, die ihnen ſo heilſam iſt.
Es iſt eben ſo ſchädlich, ſich etwas von Kindern
abbetteln, als abtrotzen zu laſſen. Auch iſt die
beharrliche Bettelei nur eine andere Art von Trotz,
die gleichfalls auf die Schwäche der Eltern be-
rechnet iſt.
Der früheſte Ungehorſam entſteht gewöhnlich
aus der Lüſternheit nach dem, was die Erwach-
ſenen vor den Augen der Kinder genießen und
ihnen verſagen, und deſſen ſich die Kleinen zu
bemächtigen ſuchen, ſobald ſie unbemerkt zu ſeyn
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/80>, abgerufen am 16.02.2025.
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