Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

haben unsere gewohntern Begrüßungs-Formeln
unter sich abgeschaft, aber andere dafür an die
Stelle gesetzt. Z. z. Wenn wir guten Tag sa-
gen, oder guten Morgen, oder guten Abend, in-
dem wir einen Bekannten erblicken, so sagen die
Quäker dagegen: Wie geht es dir? Diese Frage
der Theilnahme dient bei ihnen statt des gewöhn-
liche Grußes. So oft diese Leute mir oder sich
untereinander begegneten, hörte ich dieselbe Fra-
ge, bemerkte aber auch, daß sie fast nie auf die
Antwort achteten.

Clärchen. Ja dann bedeutet diese neue Art
zu grüßen auch nichts mehr.

Jch. Das, mein liebes Clärchen, sagte ich ei-
nem ihrer Vorsteher, worauf er mir antwortete:
"Wir haben die alte Formel der Höflichkeit weg-
geworfen, weil sie abgenutzt war, und nichts
mehr taugte. Wir haben eine andere dafür ge-
wählt, bald werden sich die Leute auch dabei nichts
mehr denken; dann werfen wir auch diese weg/
und brauchen wieder eine neue." --

Mathilde. Warum machen wir Andern es
denn nicht auch so?

(40)

haben unſere gewohntern Begrüßungs-Formeln
unter ſich abgeſchaft, aber andere dafür an die
Stelle geſetzt. Z. z. Wenn wir guten Tag ſa-
gen, oder guten Morgen, oder guten Abend, in-
dem wir einen Bekannten erblicken, ſo ſagen die
Quäker dagegen: Wie geht es dir? Dieſe Frage
der Theilnahme dient bei ihnen ſtatt des gewöhn-
liche Grußes. So oft dieſe Leute mir oder ſich
untereinander begegneten, hörte ich dieſelbe Fra-
ge, bemerkte aber auch, daß ſie faſt nie auf die
Antwort achteten.

Clärchen. Ja dann bedeutet dieſe neue Art
zu grüßen auch nichts mehr.

Jch. Das, mein liebes Clärchen, ſagte ich ei-
nem ihrer Vorſteher, worauf er mir antwortete:
„Wir haben die alte Formel der Höflichkeit weg-
geworfen, weil ſie abgenutzt war, und nichts
mehr taugte. Wir haben eine andere dafür ge-
wählt, bald werden ſich die Leute auch dabei nichts
mehr denken; dann werfen wir auch dieſe weg/
und brauchen wieder eine neue.‟ —

Mathilde. Warum machen wir Andern es
denn nicht auch ſo?

(40)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0327" n="313"/>
haben un&#x017F;ere gewohntern Begrüßungs-Formeln<lb/>
unter &#x017F;ich abge&#x017F;chaft, aber andere dafür an die<lb/>
Stelle ge&#x017F;etzt. Z. z. Wenn wir guten Tag &#x017F;a-<lb/>
gen, oder guten Morgen, oder guten Abend, in-<lb/>
dem wir einen Bekannten erblicken, &#x017F;o &#x017F;agen die<lb/>
Quäker dagegen: Wie geht es dir? Die&#x017F;e Frage<lb/>
der Theilnahme dient bei ihnen &#x017F;tatt des gewöhn-<lb/>
liche Grußes. So oft die&#x017F;e Leute mir oder &#x017F;ich<lb/>
untereinander begegneten, hörte ich die&#x017F;elbe Fra-<lb/>
ge, bemerkte aber auch, daß &#x017F;ie fa&#x017F;t nie auf die<lb/>
Antwort achteten.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Clärchen</hi>. Ja dann bedeutet die&#x017F;e neue Art<lb/>
zu grüßen auch nichts mehr.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jch</hi>. Das, mein liebes Clärchen, &#x017F;agte ich ei-<lb/>
nem ihrer Vor&#x017F;teher, worauf er mir antwortete:<lb/>
&#x201E;Wir haben die alte Formel der Höflichkeit weg-<lb/>
geworfen, weil &#x017F;ie abgenutzt war, und nichts<lb/>
mehr taugte. Wir haben eine andere dafür ge-<lb/>
wählt, bald werden &#x017F;ich die Leute auch dabei nichts<lb/>
mehr denken; dann werfen wir auch die&#x017F;e weg/<lb/>
und brauchen wieder eine neue.&#x201F; &#x2014;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Mathilde</hi>. Warum machen wir Andern es<lb/>
denn nicht auch &#x017F;o?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">(40)</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[313/0327] haben unſere gewohntern Begrüßungs-Formeln unter ſich abgeſchaft, aber andere dafür an die Stelle geſetzt. Z. z. Wenn wir guten Tag ſa- gen, oder guten Morgen, oder guten Abend, in- dem wir einen Bekannten erblicken, ſo ſagen die Quäker dagegen: Wie geht es dir? Dieſe Frage der Theilnahme dient bei ihnen ſtatt des gewöhn- liche Grußes. So oft dieſe Leute mir oder ſich untereinander begegneten, hörte ich dieſelbe Fra- ge, bemerkte aber auch, daß ſie faſt nie auf die Antwort achteten. Clärchen. Ja dann bedeutet dieſe neue Art zu grüßen auch nichts mehr. Jch. Das, mein liebes Clärchen, ſagte ich ei- nem ihrer Vorſteher, worauf er mir antwortete: „Wir haben die alte Formel der Höflichkeit weg- geworfen, weil ſie abgenutzt war, und nichts mehr taugte. Wir haben eine andere dafür ge- wählt, bald werden ſich die Leute auch dabei nichts mehr denken; dann werfen wir auch dieſe weg/ und brauchen wieder eine neue.‟ — Mathilde. Warum machen wir Andern es denn nicht auch ſo? (40)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/327
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/327>, abgerufen am 09.10.2024.