sie sich in der Wahl des Lebensgenossen total ge- irrt, so ist die größte Wohlthat, die sie ihren Kin- dern erweisen können, die, sie von sich und ihrem Mißverhältniß zu entfernen, damit sie nie Zeuge der Mißstimmung werden mögen, zwischen Per- sonen, die ihnen gleich theuer seyn sollten, weil das unausbleiblich schlimme Wirkung auf den Charakter thut. Und dennoch haben diese un- glücklichen Sprößlinge einer eigentlichen Mesalli- ance doch noch das zu erwarten, daß sie von dem einen oder andern, vom Vater oder von der Mutter, vielleicht von beiden geliebt werden. Aber denken Sie sich ein so unglückliches Menschenpaar, das fremde Kinder erziehen wollte --: wo sollte da das Weib, auch wenn sie der bessere leidende Theil wäre, den Muth, und wo die heitere Liebe her- nehmen, die sie den anvertrauten Kindern schul- dig ist?
Jch. Nun, so sey denn die Erzieherin lieber nicht mehr jung, habe ihre eigenen Kinder schon groß gezogen, und fange mit den fremden ein zweites Familienleben an, aber nur sey sie verhei-
ſie ſich in der Wahl des Lebensgenoſſen total ge- irrt, ſo iſt die größte Wohlthat, die ſie ihren Kin- dern erweiſen können, die, ſie von ſich und ihrem Mißverhältniß zu entfernen, damit ſie nie Zeuge der Mißſtimmung werden mögen, zwiſchen Per- ſonen, die ihnen gleich theuer ſeyn ſollten, weil das unausbleiblich ſchlimme Wirkung auf den Charakter thut. Und dennoch haben dieſe un- glücklichen Sprößlinge einer eigentlichen Mesalli- ance doch noch das zu erwarten, daß ſie von dem einen oder andern, vom Vater oder von der Mutter, vielleicht von beiden geliebt werden. Aber denken Sie ſich ein ſo unglückliches Menſchenpaar, das fremde Kinder erziehen wollte —: wo ſollte da das Weib, auch wenn ſie der beſſere leidende Theil wäre, den Muth, und wo die heitere Liebe her- nehmen, die ſie den anvertrauten Kindern ſchul- dig iſt?
Jch. Nun, ſo ſey denn die Erzieherin lieber nicht mehr jung, habe ihre eigenen Kinder ſchon groß gezogen, und fange mit den fremden ein zweites Familienleben an, aber nur ſey ſie verhei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0316"n="302"/>ſie ſich in der Wahl des Lebensgenoſſen total ge-<lb/>
irrt, ſo iſt die größte Wohlthat, die ſie ihren Kin-<lb/>
dern erweiſen können, die, ſie von ſich und ihrem<lb/>
Mißverhältniß zu entfernen, damit ſie nie Zeuge<lb/>
der Mißſtimmung werden mögen, zwiſchen Per-<lb/>ſonen, die ihnen gleich theuer ſeyn ſollten, weil<lb/>
das unausbleiblich ſchlimme Wirkung auf den<lb/>
Charakter thut. Und dennoch haben dieſe un-<lb/>
glücklichen Sprößlinge einer eigentlichen Mesalli-<lb/>
ance doch noch das zu erwarten, daß ſie von dem<lb/>
einen oder andern, vom Vater oder von der Mutter,<lb/>
vielleicht von beiden geliebt werden. Aber denken<lb/>
Sie ſich ein ſo unglückliches Menſchenpaar, das<lb/>
fremde Kinder erziehen wollte —: wo ſollte da<lb/>
das Weib, auch wenn ſie der beſſere leidende Theil<lb/>
wäre, den Muth, und wo die heitere Liebe her-<lb/>
nehmen, die ſie den anvertrauten Kindern ſchul-<lb/>
dig <hirendition="#g">iſt</hi>?</p><lb/><p><hirendition="#g">Jch</hi>. Nun, ſo ſey denn die Erzieherin lieber<lb/>
nicht me<hirendition="#g">hr</hi> jung, habe ihre eigenen Kinder ſchon<lb/>
groß gezogen, und fange mit den fremden ein<lb/>
zweites Familienleben an, aber nur ſey ſie verhei-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[302/0316]
ſie ſich in der Wahl des Lebensgenoſſen total ge-
irrt, ſo iſt die größte Wohlthat, die ſie ihren Kin-
dern erweiſen können, die, ſie von ſich und ihrem
Mißverhältniß zu entfernen, damit ſie nie Zeuge
der Mißſtimmung werden mögen, zwiſchen Per-
ſonen, die ihnen gleich theuer ſeyn ſollten, weil
das unausbleiblich ſchlimme Wirkung auf den
Charakter thut. Und dennoch haben dieſe un-
glücklichen Sprößlinge einer eigentlichen Mesalli-
ance doch noch das zu erwarten, daß ſie von dem
einen oder andern, vom Vater oder von der Mutter,
vielleicht von beiden geliebt werden. Aber denken
Sie ſich ein ſo unglückliches Menſchenpaar, das
fremde Kinder erziehen wollte —: wo ſollte da
das Weib, auch wenn ſie der beſſere leidende Theil
wäre, den Muth, und wo die heitere Liebe her-
nehmen, die ſie den anvertrauten Kindern ſchul-
dig iſt?
Jch. Nun, ſo ſey denn die Erzieherin lieber
nicht mehr jung, habe ihre eigenen Kinder ſchon
groß gezogen, und fange mit den fremden ein
zweites Familienleben an, aber nur ſey ſie verhei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/316>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.