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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Geschichte erzähle ich ihnen gleichfalls, so oft sie
den Wunsch darnach äußern. -- Bei diesen Vor-
bereitungen zum eigentlichen Studium der Ge-
schichte muß es aber noch lange bleiben. Schlimm
ist es nur, daß man sich die brauchbaren Bücher
hiezu selbst erst schreiben müßte. An einer Welt-
geschichte für junge Mädchen fehlt es gänzlich.
Zur eigenen Lectüre für die Kinder gibt es fast
nichts. Mangelsdorf's Exempelbuch aus alter und
neuer Zeit könnte schon dienen, wenn der Ton
nicht gar zu rüde und roh wäre, den Mangels-
dorf einmal angenommen. Und doch haben wir nichts
besseres der Art, das für unsere Zeiten paßte.

Erziehen und zu gleicher Zeit die nöthigen
Hülfsbücher schreiben, ist einmal nicht ausführ-
bar, und doch thät es so Noth, besonders für die
Geschichte. Eine Weltgeschichte für Kinder in
Knittelversen existirt freilich; -- aber sollen denn
unsere Kinder sich am heitern Lebensmorgen schon
in einer Knittelwelt glauben? Das sollen sie nie
bis zum Lebensabend, hör' ich Dich mit schönem
Unwillen sagen, und stimme von Herzen ein.

Geſchichte erzähle ich ihnen gleichfalls, ſo oft ſie
den Wunſch darnach äußern. — Bei dieſen Vor-
bereitungen zum eigentlichen Studium der Ge-
ſchichte muß es aber noch lange bleiben. Schlimm
iſt es nur, daß man ſich die brauchbaren Bücher
hiezu ſelbſt erſt ſchreiben müßte. An einer Welt-
geſchichte für junge Mädchen fehlt es gänzlich.
Zur eigenen Lectüre für die Kinder gibt es faſt
nichts. Mangelsdorf’s Exempelbuch aus alter und
neuer Zeit könnte ſchon dienen, wenn der Ton
nicht gar zu rüde und roh wäre, den Mangels-
dorf einmal angenommen. Und doch haben wir nichts
beſſeres der Art, das für unſere Zeiten paßte.

Erziehen und zu gleicher Zeit die nöthigen
Hülfsbücher ſchreiben, iſt einmal nicht ausführ-
bar, und doch thät es ſo Noth, beſonders für die
Geſchichte. Eine Weltgeſchichte für Kinder in
Knittelverſen exiſtirt freilich; — aber ſollen denn
unſere Kinder ſich am heitern Lebensmorgen ſchon
in einer Knittelwelt glauben? Das ſollen ſie nie
bis zum Lebensabend, hör’ ich Dich mit ſchönem
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[269/0283] Geſchichte erzähle ich ihnen gleichfalls, ſo oft ſie den Wunſch darnach äußern. — Bei dieſen Vor- bereitungen zum eigentlichen Studium der Ge- ſchichte muß es aber noch lange bleiben. Schlimm iſt es nur, daß man ſich die brauchbaren Bücher hiezu ſelbſt erſt ſchreiben müßte. An einer Welt- geſchichte für junge Mädchen fehlt es gänzlich. Zur eigenen Lectüre für die Kinder gibt es faſt nichts. Mangelsdorf’s Exempelbuch aus alter und neuer Zeit könnte ſchon dienen, wenn der Ton nicht gar zu rüde und roh wäre, den Mangels- dorf einmal angenommen. Und doch haben wir nichts beſſeres der Art, das für unſere Zeiten paßte. Erziehen und zu gleicher Zeit die nöthigen Hülfsbücher ſchreiben, iſt einmal nicht ausführ- bar, und doch thät es ſo Noth, beſonders für die Geſchichte. Eine Weltgeſchichte für Kinder in Knittelverſen exiſtirt freilich; — aber ſollen denn unſere Kinder ſich am heitern Lebensmorgen ſchon in einer Knittelwelt glauben? Das ſollen ſie nie bis zum Lebensabend, hör’ ich Dich mit ſchönem Unwillen ſagen, und ſtimme von Herzen ein.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/283>, abgerufen am 01.09.2024.