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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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allzunachgiebigen Eltern verwöhnt; habe aber
Verstand, eine lebhafte Phantasie und ein tiefes
Gefühl, wenn gleich ihrem Gemüth fast alle weib-
liche Zartheit und Jda's liebliche Freundlichkeit
fehle. Laß Dich das alles nicht kümmern; wenn
sie nur ganz unser ist, und wir ihr Schicksal so
weit bestimmen, als Menschen es können, so soll
alles gut werden.

Meine Einwilligung zur völligen Adoption hast
Du hiermit in aller Form. -- Schauet gnädig auf
uns, ihr himmlischen Mächte, damit unser Werk
gedeihe! -- Sonderbar bang kann es einem werden,
wenn man so wissentlich dem Schicksal irgend ei-
nes Menschenwesens die Richtung gibt! Und
doch, es soll, es muß gut gehen!

Woldemar hängt täglich fester an seinem Men-
tor. Sobald Du mir schreibst, daß wir kommen
sollen, Dich noch einmal zu sehen und Jda zu
holen, sind wir bereit. Es versteht sich, daß P.
uns begleitet: beide von einander zu trennen,
wäre grausam; auch wirst Du selbst begierig seyn,



allzunachgiebigen Eltern verwöhnt; habe aber
Verſtand, eine lebhafte Phantaſie und ein tiefes
Gefühl, wenn gleich ihrem Gemüth faſt alle weib-
liche Zartheit und Jda’s liebliche Freundlichkeit
fehle. Laß Dich das alles nicht kümmern; wenn
ſie nur ganz unſer iſt, und wir ihr Schickſal ſo
weit beſtimmen, als Menſchen es können, ſo ſoll
alles gut werden.

Meine Einwilligung zur völligen Adoption haſt
Du hiermit in aller Form. — Schauet gnädig auf
uns, ihr himmliſchen Mächte, damit unſer Werk
gedeihe! — Sonderbar bang kann es einem werden,
wenn man ſo wiſſentlich dem Schickſal irgend ei-
nes Menſchenweſens die Richtung gibt! Und
doch, es ſoll, es muß gut gehen!

Woldemar hängt täglich feſter an ſeinem Men-
tor. Sobald Du mir ſchreibſt, daß wir kommen
ſollen, Dich noch einmal zu ſehen und Jda zu
holen, ſind wir bereit. Es verſteht ſich, daß P.
uns begleitet: beide von einander zu trennen,
wäre grauſam; auch wirſt Du ſelbſt begierig ſeyn,

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[124/0138] allzunachgiebigen Eltern verwöhnt; habe aber Verſtand, eine lebhafte Phantaſie und ein tiefes Gefühl, wenn gleich ihrem Gemüth faſt alle weib- liche Zartheit und Jda’s liebliche Freundlichkeit fehle. Laß Dich das alles nicht kümmern; wenn ſie nur ganz unſer iſt, und wir ihr Schickſal ſo weit beſtimmen, als Menſchen es können, ſo ſoll alles gut werden. Meine Einwilligung zur völligen Adoption haſt Du hiermit in aller Form. — Schauet gnädig auf uns, ihr himmliſchen Mächte, damit unſer Werk gedeihe! — Sonderbar bang kann es einem werden, wenn man ſo wiſſentlich dem Schickſal irgend ei- nes Menſchenweſens die Richtung gibt! Und doch, es ſoll, es muß gut gehen! Woldemar hängt täglich feſter an ſeinem Men- tor. Sobald Du mir ſchreibſt, daß wir kommen ſollen, Dich noch einmal zu ſehen und Jda zu holen, ſind wir bereit. Es verſteht ſich, daß P. uns begleitet: beide von einander zu trennen, wäre grauſam; auch wirſt Du ſelbſt begierig ſeyn,

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/138>, abgerufen am 19.05.2024.