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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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er noch sagen wollte. "Aber du wirst auch groß
werden." -- Wenn ich eben so geworden bin, wie
Sie, dann will ich Sie Du heißen. -- "Herrlicher
Junge! Nennst du denn deinen Vater auch nicht
Du, wenn er bei euch ist, oder du ihm schreibst?"
Er will es haben, aber ich kann nicht. "Wie
nennst du denn die Mutter?" Er erröthete stark.
Die Mutter? Ja, das ist wieder etwas anderes.
Die Mutter sieht immer so freundlich aus, und
die muß ich immer lieben, so oft ich sie ansehe,
und da muß ich Du sagen. Der Vater aber sieht
bisweilen so ernst aus. "Und da liebst du ihn
nicht? O ja, ich liebe ihn wohl recht sehr, aber
anders, als ich die Mutter liebe. Glauben Sie
nur nicht, daß ich mich vor ihm fürchte; aber ich
liebe ihn so, daß ich nicht Du zu ihm sagen kann.
"Nun, so heiße mich denn Sie, so lange du
willst. Willst du aber wohl mit mir gehen, wenn
ich nach Hause gehe?" O nehmen Sie mich mit!
Jch möchte sie so gern noch mehr lieb haben. --
P. sah mich fragend an: ich winkte, ja; er nahm
den Knaben an die Hand und fort waren sie.
Erst spät am Abend bracht' er ihn mir wieder, aber



er noch ſagen wollte. „Aber du wirſt auch groß
werden.‟ — Wenn ich eben ſo geworden bin, wie
Sie, dann will ich Sie Du heißen. — „Herrlicher
Junge! Nennſt du denn deinen Vater auch nicht
Du, wenn er bei euch iſt, oder du ihm ſchreibſt?‟
Er will es haben, aber ich kann nicht. „Wie
nennſt du denn die Mutter?‟ Er erröthete ſtark.
Die Mutter? Ja, das iſt wieder etwas anderes.
Die Mutter ſieht immer ſo freundlich aus, und
die muß ich immer lieben, ſo oft ich ſie anſehe,
und da muß ich Du ſagen. Der Vater aber ſieht
bisweilen ſo ernſt aus. „Und da liebſt du ihn
nicht? O ja, ich liebe ihn wohl recht ſehr, aber
anders, als ich die Mutter liebe. Glauben Sie
nur nicht, daß ich mich vor ihm fürchte; aber ich
liebe ihn ſo, daß ich nicht Du zu ihm ſagen kann.
„Nun, ſo heiße mich denn Sie, ſo lange du
willſt. Willſt du aber wohl mit mir gehen, wenn
ich nach Hauſe gehe?‟ O nehmen Sie mich mit!
Jch möchte ſie ſo gern noch mehr lieb haben. —
P. ſah mich fragend an: ich winkte, ja; er nahm
den Knaben an die Hand und fort waren ſie.
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[118/0132] er noch ſagen wollte. „Aber du wirſt auch groß werden.‟ — Wenn ich eben ſo geworden bin, wie Sie, dann will ich Sie Du heißen. — „Herrlicher Junge! Nennſt du denn deinen Vater auch nicht Du, wenn er bei euch iſt, oder du ihm ſchreibſt?‟ Er will es haben, aber ich kann nicht. „Wie nennſt du denn die Mutter?‟ Er erröthete ſtark. Die Mutter? Ja, das iſt wieder etwas anderes. Die Mutter ſieht immer ſo freundlich aus, und die muß ich immer lieben, ſo oft ich ſie anſehe, und da muß ich Du ſagen. Der Vater aber ſieht bisweilen ſo ernſt aus. „Und da liebſt du ihn nicht? O ja, ich liebe ihn wohl recht ſehr, aber anders, als ich die Mutter liebe. Glauben Sie nur nicht, daß ich mich vor ihm fürchte; aber ich liebe ihn ſo, daß ich nicht Du zu ihm ſagen kann. „Nun, ſo heiße mich denn Sie, ſo lange du willſt. Willſt du aber wohl mit mir gehen, wenn ich nach Hauſe gehe?‟ O nehmen Sie mich mit! Jch möchte ſie ſo gern noch mehr lieb haben. — P. ſah mich fragend an: ich winkte, ja; er nahm den Knaben an die Hand und fort waren ſie. Erſt ſpät am Abend bracht’ er ihn mir wieder, aber

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/132>, abgerufen am 25.11.2024.