Geist dieses Büchleins als ein solcher betrachtet seyn will, der von allen zufälligen Dingen unab- hängig, es einzig mit dem Wesen der Sache zu thun hat: so läßt sich doch auch sagen, daß das Leben in jedem bürgerlichen Verhältniß seine ei- genen Ansichten habe, welche von Frühem an bei der Erziehung nicht aus der Acht gelassen werden dürfen, wenn das Jndividuum bei aller innern Treflichkeit durch seine Unkunde der äußern Ver- hältnisse, oder durch ein unglückliches Mißkennen der seinigen, nicht dennoch sehr elend werden soll. Dennoch bleibt der Satz als eine unbestreitbare Wahrheit stehen, als Hauptsumma aller Er- ziehungslehre: Lasset eure Kinder Menschen wer- den, und hindert sie nicht, sondern seyd ihnen liebreich förderlich zur besten Erhaltung aller ih- re Anlagen. Ziehet deren keine ungebührlich her- vor, und bringet weder ihre Geistes- noch Körper- kräfte in Treibhausluft, auf daß alles in reiner
Geiſt dieſes Büchleins als ein ſolcher betrachtet ſeyn will, der von allen zufälligen Dingen unab- hängig, es einzig mit dem Weſen der Sache zu thun hat: ſo läßt ſich doch auch ſagen, daß das Leben in jedem bürgerlichen Verhältniß ſeine ei- genen Anſichten habe, welche von Frühem an bei der Erziehung nicht aus der Acht gelaſſen werden dürfen, wenn das Jndividuum bei aller innern Treflichkeit durch ſeine Unkunde der äußern Ver- hältniſſe, oder durch ein unglückliches Mißkennen der ſeinigen, nicht dennoch ſehr elend werden ſoll. Dennoch bleibt der Satz als eine unbeſtreitbare Wahrheit ſtehen, als Hauptſumma aller Er- ziehungslehre: Laſſet eure Kinder Menſchen wer- den, und hindert ſie nicht, ſondern ſeyd ihnen liebreich förderlich zur beſten Erhaltung aller ih- re Anlagen. Ziehet deren keine ungebührlich her- vor, und bringet weder ihre Geiſtes- noch Körper- kräfte in Treibhausluft, auf daß alles in reiner
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[6/0012]
Geiſt dieſes Büchleins als ein ſolcher betrachtet
ſeyn will, der von allen zufälligen Dingen unab-
hängig, es einzig mit dem Weſen der Sache zu
thun hat: ſo läßt ſich doch auch ſagen, daß das
Leben in jedem bürgerlichen Verhältniß ſeine ei-
genen Anſichten habe, welche von Frühem an bei
der Erziehung nicht aus der Acht gelaſſen werden
dürfen, wenn das Jndividuum bei aller innern
Treflichkeit durch ſeine Unkunde der äußern Ver-
hältniſſe, oder durch ein unglückliches Mißkennen
der ſeinigen, nicht dennoch ſehr elend werden ſoll.
Dennoch bleibt der Satz als eine unbeſtreitbare
Wahrheit ſtehen, als Hauptſumma aller Er-
ziehungslehre: Laſſet eure Kinder Menſchen wer-
den, und hindert ſie nicht, ſondern ſeyd ihnen
liebreich förderlich zur beſten Erhaltung aller ih-
re Anlagen. Ziehet deren keine ungebührlich her-
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/12>, abgerufen am 22.11.2024.
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