Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Resume.
Assimilation als erster Specialeigenschaft beginnend und durch
vielfache Selbstregulationsmechanismen fortgeführt, und als
zweite gleichwerthige Eigenschaft die Uebercompensation des
Verbrauchten. Selbstregulation und Uebercompensation sind da-
her die ersten wesentlichen Eigenschaften des organischen Ge-
schehens und erst nach diesen konnte die Erwerbung der ein-
zigen ebenso allgemeinen Eigenschaft, der Sensibilität, der
Reflexbewegung, stattfinden.


Ist in der vorstehenden Arbeit vielleicht etwas zur Vervoll-
ständigung und Abrundung der allgemeinen Entwickelungslehre
der Organismen beigetragen worden, indem nachgewiesen wurde,
welche allgemeinen Eigenschaften allein in dem Wechsel des
Naturgeschehens Dauer gewinnen konnten und von Stufe zu
Stufe durch Summation oder richtiger durch sich Ueberbieten
von Variationen gesteigert werden mussten, so sind damit selbst-
verständlich die Probleme des Geschehens an sich, des Mole-
kular-Geschehens, wie es nach den physikalisch-chemischen
Gesetzen aus bestimmten Ursachen auf bestimmte Weise sich
vollzieht, nicht im geringsten gefördert.

Solches aber überhaupt von blossen Erhaltungs- und Stei-
gerungsprincipien, wie sie die allgemeine Entwickelungslehre
bilden, zu verlangen, heisst dasselbe, als etwa den Mathematiker
ersuchen, die Geschwindigkeit der Wärmeschwingungen rein
theoretisch zu bestimmen, heisst das concrete Geschehen, wel-
ches durch Quantitäten bestimmt wird, rein aus den Qualitäten
heraus (die wir nebenbei auch nicht kennen) entwickeln wollen.
Dieses erscheint allerdings Manchem nicht unmöglich; und mich
selbst fragte einst ein Gymnasialprofessor, ein ausgezeichneter
Philologe, nachdem ich ihm die Methoden zur Bestimmung der
Fluggeschwindigkeit der Kanonenkugeln beschrieben hatte, ver-

VI. Résumé.
Assimilation als erster Specialeigenschaft beginnend und durch
vielfache Selbstregulationsmechanismen fortgeführt, und als
zweite gleichwerthige Eigenschaft die Uebercompensation des
Verbrauchten. Selbstregulation und Uebercompensation sind da-
her die ersten wesentlichen Eigenschaften des organischen Ge-
schehens und erst nach diesen konnte die Erwerbung der ein-
zigen ebenso allgemeinen Eigenschaft, der Sensibilität, der
Reflexbewegung, stattfinden.


Ist in der vorstehenden Arbeit vielleicht etwas zur Vervoll-
ständigung und Abrundung der allgemeinen Entwickelungslehre
der Organismen beigetragen worden, indem nachgewiesen wurde,
welche allgemeinen Eigenschaften allein in dem Wechsel des
Naturgeschehens Dauer gewinnen konnten und von Stufe zu
Stufe durch Summation oder richtiger durch sich Ueberbieten
von Variationen gesteigert werden mussten, so sind damit selbst-
verständlich die Probleme des Geschehens an sich, des Mole-
kular-Geschehens, wie es nach den physikalisch-chemischen
Gesetzen aus bestimmten Ursachen auf bestimmte Weise sich
vollzieht, nicht im geringsten gefördert.

Solches aber überhaupt von blossen Erhaltungs- und Stei-
gerungsprincipien, wie sie die allgemeine Entwickelungslehre
bilden, zu verlangen, heisst dasselbe, als etwa den Mathematiker
ersuchen, die Geschwindigkeit der Wärmeschwingungen rein
theoretisch zu bestimmen, heisst das concrete Geschehen, wel-
ches durch Quantitäten bestimmt wird, rein aus den Qualitäten
heraus (die wir nebenbei auch nicht kennen) entwickeln wollen.
Dieses erscheint allerdings Manchem nicht unmöglich; und mich
selbst fragte einst ein Gymnasialprofessor, ein ausgezeichneter
Philologe, nachdem ich ihm die Methoden zur Bestimmung der
Fluggeschwindigkeit der Kanonenkugeln beschrieben hatte, ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0254" n="240"/><fw place="top" type="header">VI. Résumé.</fw><lb/>
Assimilation als erster Specialeigenschaft beginnend und durch<lb/>
vielfache Selbstregulationsmechanismen fortgeführt, und als<lb/>
zweite gleichwerthige Eigenschaft die Uebercompensation des<lb/>
Verbrauchten. Selbstregulation und Uebercompensation sind da-<lb/>
her die ersten wesentlichen Eigenschaften des organischen Ge-<lb/>
schehens und erst nach diesen konnte die Erwerbung der ein-<lb/>
zigen ebenso allgemeinen Eigenschaft, der Sensibilität, der<lb/>
Reflexbewegung, stattfinden.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Ist in der vorstehenden Arbeit vielleicht etwas zur Vervoll-<lb/>
ständigung und Abrundung der allgemeinen Entwickelungslehre<lb/>
der Organismen beigetragen worden, indem nachgewiesen wurde,<lb/>
welche allgemeinen Eigenschaften allein in dem Wechsel des<lb/>
Naturgeschehens Dauer gewinnen konnten und von Stufe zu<lb/>
Stufe durch Summation oder richtiger durch sich Ueberbieten<lb/>
von Variationen gesteigert werden mussten, so sind damit selbst-<lb/>
verständlich die Probleme des Geschehens an sich, des Mole-<lb/>
kular-Geschehens, wie es nach den physikalisch-chemischen<lb/>
Gesetzen aus bestimmten Ursachen auf bestimmte Weise sich<lb/>
vollzieht, nicht im geringsten gefördert.</p><lb/>
        <p>Solches aber überhaupt von blossen Erhaltungs- und Stei-<lb/>
gerungsprincipien, wie sie die allgemeine Entwickelungslehre<lb/>
bilden, zu verlangen, heisst dasselbe, als etwa den Mathematiker<lb/>
ersuchen, die Geschwindigkeit der Wärmeschwingungen rein<lb/>
theoretisch zu bestimmen, heisst das concrete Geschehen, wel-<lb/>
ches durch Quantitäten bestimmt wird, rein aus den Qualitäten<lb/>
heraus (die wir nebenbei auch nicht kennen) entwickeln wollen.<lb/>
Dieses erscheint allerdings Manchem nicht unmöglich; und mich<lb/>
selbst fragte einst ein Gymnasialprofessor, ein ausgezeichneter<lb/>
Philologe, nachdem ich ihm die Methoden zur Bestimmung der<lb/>
Fluggeschwindigkeit der Kanonenkugeln beschrieben hatte, ver-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0254] VI. Résumé. Assimilation als erster Specialeigenschaft beginnend und durch vielfache Selbstregulationsmechanismen fortgeführt, und als zweite gleichwerthige Eigenschaft die Uebercompensation des Verbrauchten. Selbstregulation und Uebercompensation sind da- her die ersten wesentlichen Eigenschaften des organischen Ge- schehens und erst nach diesen konnte die Erwerbung der ein- zigen ebenso allgemeinen Eigenschaft, der Sensibilität, der Reflexbewegung, stattfinden. Ist in der vorstehenden Arbeit vielleicht etwas zur Vervoll- ständigung und Abrundung der allgemeinen Entwickelungslehre der Organismen beigetragen worden, indem nachgewiesen wurde, welche allgemeinen Eigenschaften allein in dem Wechsel des Naturgeschehens Dauer gewinnen konnten und von Stufe zu Stufe durch Summation oder richtiger durch sich Ueberbieten von Variationen gesteigert werden mussten, so sind damit selbst- verständlich die Probleme des Geschehens an sich, des Mole- kular-Geschehens, wie es nach den physikalisch-chemischen Gesetzen aus bestimmten Ursachen auf bestimmte Weise sich vollzieht, nicht im geringsten gefördert. Solches aber überhaupt von blossen Erhaltungs- und Stei- gerungsprincipien, wie sie die allgemeine Entwickelungslehre bilden, zu verlangen, heisst dasselbe, als etwa den Mathematiker ersuchen, die Geschwindigkeit der Wärmeschwingungen rein theoretisch zu bestimmen, heisst das concrete Geschehen, wel- ches durch Quantitäten bestimmt wird, rein aus den Qualitäten heraus (die wir nebenbei auch nicht kennen) entwickeln wollen. Dieses erscheint allerdings Manchem nicht unmöglich; und mich selbst fragte einst ein Gymnasialprofessor, ein ausgezeichneter Philologe, nachdem ich ihm die Methoden zur Bestimmung der Fluggeschwindigkeit der Kanonenkugeln beschrieben hatte, ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/254
Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/254>, abgerufen am 06.05.2024.