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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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V. Ueber das Wesen des Organischen.
functionellen Reizes. Ferner sahen wir, dass bei den Stütz-
geweben, dem Binde- und Knochengewebe, das Verhältniss, wenn
auch nicht derartig, dass directe Inactivitäts-Atrophie durch
Degeneration bei Inactivität einträte, was bei der abgeschiedenen
Intercellularsubstanz auch weniger möglich erscheint, so doch
so ist, dass der Reiz die Zellen in ihrer Assimilation und in
ihrer Abscheidung von Stützsubstanz kräftigt; denn nur so liess
sich die Entstehung der der Reizform entsprechenden Structur
dieser Theile erklären.

Alle die im Vorstehenden als allein dauerfähig nachge-
wiesenen Qualitäten sind zugleich auch diejenigen, welche, ein-
mal in Spuren aufgetreten, in dem betreffenden Gewebe im
Kampf der Theile siegen und so zur Alleinherrschaft gelangen
müssen, wie im Kapitel vom Kampf der Theile nachgewiesen
worden ist, sodass also die Verbreitung dieser nützlichsten
Eigenschaften, sobald sie einmal in Spuren aufgetreten waren,
durch ihren doppelten Sieg in beiden Kämpfen eine rasche sein
musste.

Wenn wir auf den Gesammtcharakter aller dieser lebens-
wichtigsten Eigenschaften zurückblicken, so ist es der der
Selbstgestaltung des zur Erhaltung Nöthigen, respective der
Selbstregulation, und zugleich der Uebercompensation.

Selbstregulation und Uebercompensation sind
also die Grundeigenschaften und die nöthigen Vor-
bedingungen des Lebens
. Mögen die Processe im Laufe
der weiteren Differenzirung noch so complicirt geworden sein,
diese Charaktere müssen erhalten sein und müssen bei allen
neuen Bildungen überall wieder vorkommen, denn sie allein
sind die Bürgen der Dauerfähigkeit im Wechsel der Verhält-
nisse.

Die Selbstregulationsfähigkeit kann eine mehr oder minder
grosse sein, je nach der Constanz oder Variabilität der Ver-

V. Ueber das Wesen des Organischen.
functionellen Reizes. Ferner sahen wir, dass bei den Stütz-
geweben, dem Binde- und Knochengewebe, das Verhältniss, wenn
auch nicht derartig, dass directe Inactivitäts-Atrophie durch
Degeneration bei Inactivität einträte, was bei der abgeschiedenen
Intercellularsubstanz auch weniger möglich erscheint, so doch
so ist, dass der Reiz die Zellen in ihrer Assimilation und in
ihrer Abscheidung von Stützsubstanz kräftigt; denn nur so liess
sich die Entstehung der der Reizform entsprechenden Structur
dieser Theile erklären.

Alle die im Vorstehenden als allein dauerfähig nachge-
wiesenen Qualitäten sind zugleich auch diejenigen, welche, ein-
mal in Spuren aufgetreten, in dem betreffenden Gewebe im
Kampf der Theile siegen und so zur Alleinherrschaft gelangen
müssen, wie im Kapitel vom Kampf der Theile nachgewiesen
worden ist, sodass also die Verbreitung dieser nützlichsten
Eigenschaften, sobald sie einmal in Spuren aufgetreten waren,
durch ihren doppelten Sieg in beiden Kämpfen eine rasche sein
musste.

Wenn wir auf den Gesammtcharakter aller dieser lebens-
wichtigsten Eigenschaften zurückblicken, so ist es der der
Selbstgestaltung des zur Erhaltung Nöthigen, respective der
Selbstregulation, und zugleich der Uebercompensation.

Selbstregulation und Uebercompensation sind
also die Grundeigenschaften und die nöthigen Vor-
bedingungen des Lebens
. Mögen die Processe im Laufe
der weiteren Differenzirung noch so complicirt geworden sein,
diese Charaktere müssen erhalten sein und müssen bei allen
neuen Bildungen überall wieder vorkommen, denn sie allein
sind die Bürgen der Dauerfähigkeit im Wechsel der Verhält-
nisse.

Die Selbstregulationsfähigkeit kann eine mehr oder minder
grosse sein, je nach der Constanz oder Variabilität der Ver-

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[226/0240] V. Ueber das Wesen des Organischen. functionellen Reizes. Ferner sahen wir, dass bei den Stütz- geweben, dem Binde- und Knochengewebe, das Verhältniss, wenn auch nicht derartig, dass directe Inactivitäts-Atrophie durch Degeneration bei Inactivität einträte, was bei der abgeschiedenen Intercellularsubstanz auch weniger möglich erscheint, so doch so ist, dass der Reiz die Zellen in ihrer Assimilation und in ihrer Abscheidung von Stützsubstanz kräftigt; denn nur so liess sich die Entstehung der der Reizform entsprechenden Structur dieser Theile erklären. Alle die im Vorstehenden als allein dauerfähig nachge- wiesenen Qualitäten sind zugleich auch diejenigen, welche, ein- mal in Spuren aufgetreten, in dem betreffenden Gewebe im Kampf der Theile siegen und so zur Alleinherrschaft gelangen müssen, wie im Kapitel vom Kampf der Theile nachgewiesen worden ist, sodass also die Verbreitung dieser nützlichsten Eigenschaften, sobald sie einmal in Spuren aufgetreten waren, durch ihren doppelten Sieg in beiden Kämpfen eine rasche sein musste. Wenn wir auf den Gesammtcharakter aller dieser lebens- wichtigsten Eigenschaften zurückblicken, so ist es der der Selbstgestaltung des zur Erhaltung Nöthigen, respective der Selbstregulation, und zugleich der Uebercompensation. Selbstregulation und Uebercompensation sind also die Grundeigenschaften und die nöthigen Vor- bedingungen des Lebens. Mögen die Processe im Laufe der weiteren Differenzirung noch so complicirt geworden sein, diese Charaktere müssen erhalten sein und müssen bei allen neuen Bildungen überall wieder vorkommen, denn sie allein sind die Bürgen der Dauerfähigkeit im Wechsel der Verhält- nisse. Die Selbstregulationsfähigkeit kann eine mehr oder minder grosse sein, je nach der Constanz oder Variabilität der Ver-

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/240>, abgerufen am 28.04.2024.