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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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I. Die functionelle Anpassung.
anhaltender die causalen Anpassungsbedingungen einwirken
und je länger sie noch auf die nächstfolgenden Generationen
einwirken.

Er ist somit von vorn herein nicht unwesentlich von Dar-
win
abgewichen, welcher diese Charaktere trotz der ausgelese-
nen anerkennenden Beispiele in seinem ersten Werke über die
Entstehung der Arten für nicht genügend erblich hielt, um
ihnen gegenüber der Wirkung der Zuchtwahl einen bedeuten-
den Einfluss zuzuerkennen, Dass Darwin diese Auffassung in
diesem gelesensten seiner Werke auch in den jüngsten Auf-
lagen nicht geändert hat, ist wohl der Grund, dass die that-
sächliche Aenderung seiner Ansicht, wie er sie in dem Werke
"Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen etc."1) ausführlich
darlegt, nicht genügend gewürdigt worden ist, und dass in
Folge dessen manche seiner vermeintlich strenggläubigsten An-
hänger, z. B. G. Seidlitz 2), anders Denkenden, welche gleich
Haeckel, O. Schmidt und also Darwin selber der functionellen
Anpassung grössere Bedeutung und Erblichkeit zuschreiben, den
Vorwurf der Apostasie von der vermeintlich wahren Lehre
machen.

Darwin hat sich indessen, wie wir gleich sehen werden,
in dem erwähnten neuen Werke fast vollkommen den Ansich-
ten, welche Haeckel in seiner "generellen Morphologie" aus-
gesprochen hatte, angeschlossen. Er sagt3) in seiner Zusammen-
fassung der als erblich verwendeten Variabilitäten: "Vermehr-
ter Gebrauch
vergrössert einen Muskel und zwar in Ver-
bindung mit den Blutgefässen, Nerven, Bändern, Knochenleisten,
an welchen er befestigt ist, ganzen Knochen und anderen da-

1) Deutsch von V. Carus. 1873. Bd. II. p. 338--346 u. p. 400--401.
2) Die Darwin'sche Theorie. 2. Aufl. p. 25, und Kosmos, Zeitschrift
f. einheitliche Weltanschauung. I. p. 547 u. 549.
3) Das Variiren der Thiere etc. II. p. 400.

I. Die functionelle Anpassung.
anhaltender die causalen Anpassungsbedingungen einwirken
und je länger sie noch auf die nächstfolgenden Generationen
einwirken.

Er ist somit von vorn herein nicht unwesentlich von Dar-
win
abgewichen, welcher diese Charaktere trotz der ausgelese-
nen anerkennenden Beispiele in seinem ersten Werke über die
Entstehung der Arten für nicht genügend erblich hielt, um
ihnen gegenüber der Wirkung der Zuchtwahl einen bedeuten-
den Einfluss zuzuerkennen, Dass Darwin diese Auffassung in
diesem gelesensten seiner Werke auch in den jüngsten Auf-
lagen nicht geändert hat, ist wohl der Grund, dass die that-
sächliche Aenderung seiner Ansicht, wie er sie in dem Werke
»Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen etc.«1) ausführlich
darlegt, nicht genügend gewürdigt worden ist, und dass in
Folge dessen manche seiner vermeintlich strenggläubigsten An-
hänger, z. B. G. Seidlitz 2), anders Denkenden, welche gleich
Haeckel, O. Schmidt und also Darwin selber der functionellen
Anpassung grössere Bedeutung und Erblichkeit zuschreiben, den
Vorwurf der Apostasie von der vermeintlich wahren Lehre
machen.

Darwin hat sich indessen, wie wir gleich sehen werden,
in dem erwähnten neuen Werke fast vollkommen den Ansich-
ten, welche Haeckel in seiner »generellen Morphologie« aus-
gesprochen hatte, angeschlossen. Er sagt3) in seiner Zusammen-
fassung der als erblich verwendeten Variabilitäten: »Vermehr-
ter Gebrauch
vergrössert einen Muskel und zwar in Ver-
bindung mit den Blutgefässen, Nerven, Bändern, Knochenleisten,
an welchen er befestigt ist, ganzen Knochen und anderen da-

1) Deutsch von V. Carus. 1873. Bd. II. p. 338—346 u. p. 400—401.
2) Die Darwin’sche Theorie. 2. Aufl. p. 25, und Kosmos, Zeitschrift
f. einheitliche Weltanschauung. I. p. 547 u. 549.
3) Das Variiren der Thiere etc. II. p. 400.
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[10/0024] I. Die functionelle Anpassung. anhaltender die causalen Anpassungsbedingungen einwirken und je länger sie noch auf die nächstfolgenden Generationen einwirken. Er ist somit von vorn herein nicht unwesentlich von Dar- win abgewichen, welcher diese Charaktere trotz der ausgelese- nen anerkennenden Beispiele in seinem ersten Werke über die Entstehung der Arten für nicht genügend erblich hielt, um ihnen gegenüber der Wirkung der Zuchtwahl einen bedeuten- den Einfluss zuzuerkennen, Dass Darwin diese Auffassung in diesem gelesensten seiner Werke auch in den jüngsten Auf- lagen nicht geändert hat, ist wohl der Grund, dass die that- sächliche Aenderung seiner Ansicht, wie er sie in dem Werke »Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen etc.« 1) ausführlich darlegt, nicht genügend gewürdigt worden ist, und dass in Folge dessen manche seiner vermeintlich strenggläubigsten An- hänger, z. B. G. Seidlitz 2), anders Denkenden, welche gleich Haeckel, O. Schmidt und also Darwin selber der functionellen Anpassung grössere Bedeutung und Erblichkeit zuschreiben, den Vorwurf der Apostasie von der vermeintlich wahren Lehre machen. Darwin hat sich indessen, wie wir gleich sehen werden, in dem erwähnten neuen Werke fast vollkommen den Ansich- ten, welche Haeckel in seiner »generellen Morphologie« aus- gesprochen hatte, angeschlossen. Er sagt 3) in seiner Zusammen- fassung der als erblich verwendeten Variabilitäten: »Vermehr- ter Gebrauch vergrössert einen Muskel und zwar in Ver- bindung mit den Blutgefässen, Nerven, Bändern, Knochenleisten, an welchen er befestigt ist, ganzen Knochen und anderen da- 1) Deutsch von V. Carus. 1873. Bd. II. p. 338—346 u. p. 400—401. 2) Die Darwin’sche Theorie. 2. Aufl. p. 25, und Kosmos, Zeitschrift f. einheitliche Weltanschauung. I. p. 547 u. 549. 3) Das Variiren der Thiere etc. II. p. 400.

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/24>, abgerufen am 28.03.2024.