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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.
tungen durch Reizentziehung im Kampf der Theile besiegen.
Es findet also dasselbe statt, wie bei den Knochen innerhalb
dreier Dimensionen.

Die Thatsache des Vorkommens dieser Reducirung in vielen
Richtungen stattfindender Wirkungen auf die am stärksten in
Anspruch genommenen Componenten, diese höchst zweckmässige
Zerlegung, welche wiederum etwas von selber ausgebildet zeigt,
was die angewandte Physik erst seit relativ kurzer Zeit er-
kannt und dargestellt hat, halte ich für eines der wichtigsten
und unumstösslichsten Beweismittel für die von mir aufgestellte
Reizhypothese und habe sie daher oben in dieser Weise ver-
wendet. Die Beweiskraft liegt darin, dass die bezüglichen Bil-
dungen unendlich vielgestaltig sind und trotzdem durch die
aufgestellte Hypothese ihre vollkommenste Erklärung finden.

Wie viel Generationen aber zur Ausbildung einer so voll-
kommenen Reduction auf zwei Componenten nöthig gewesen
sind, kann natürlich erst beurtheilt werden, wenn wir durch
Beobachtungen in neuen pathologischen Verhältnissen festge-
stellt haben, wie gross die individuelle Anpassungsbreite in
dieser Beziehung ist. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben,
dass wenigstens Andeutungen solcher Faserordnungen nach den
constanten Richtungen stärksten Zuges bei diesen weichen Bil-
dungen des Bindegewebes auch aus verwirrter Anlage, blos
durch wiederholte Wirkung dieses Zuges auf dem Wege ein-
facher mechanischer Umordnung hätten entstehen können.

Bei denjenigen bindegewebigen Organen, welche wie die
Haut und die Gelenkkapseln abwechselnd in verschiedener
Richtung in stärkster Weise in Anspruch genommen werden,
konnte natürlich eine derartige Zerfällung auf zwei Compo-
nenten nicht stattfinden, und es musste eine verwirrte Faseran-
lage bestehen bleiben. Wenn aber trotzdem einige Richtungen
wiederum vorzugsweise in Anspruch genommen wurden, so

IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.
tungen durch Reizentziehung im Kampf der Theile besiegen.
Es findet also dasselbe statt, wie bei den Knochen innerhalb
dreier Dimensionen.

Die Thatsache des Vorkommens dieser Reducirung in vielen
Richtungen stattfindender Wirkungen auf die am stärksten in
Anspruch genommenen Componenten, diese höchst zweckmässige
Zerlegung, welche wiederum etwas von selber ausgebildet zeigt,
was die angewandte Physik erst seit relativ kurzer Zeit er-
kannt und dargestellt hat, halte ich für eines der wichtigsten
und unumstösslichsten Beweismittel für die von mir aufgestellte
Reizhypothese und habe sie daher oben in dieser Weise ver-
wendet. Die Beweiskraft liegt darin, dass die bezüglichen Bil-
dungen unendlich vielgestaltig sind und trotzdem durch die
aufgestellte Hypothese ihre vollkommenste Erklärung finden.

Wie viel Generationen aber zur Ausbildung einer so voll-
kommenen Reduction auf zwei Componenten nöthig gewesen
sind, kann natürlich erst beurtheilt werden, wenn wir durch
Beobachtungen in neuen pathologischen Verhältnissen festge-
stellt haben, wie gross die individuelle Anpassungsbreite in
dieser Beziehung ist. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben,
dass wenigstens Andeutungen solcher Faserordnungen nach den
constanten Richtungen stärksten Zuges bei diesen weichen Bil-
dungen des Bindegewebes auch aus verwirrter Anlage, blos
durch wiederholte Wirkung dieses Zuges auf dem Wege ein-
facher mechanischer Umordnung hätten entstehen können.

Bei denjenigen bindegewebigen Organen, welche wie die
Haut und die Gelenkkapseln abwechselnd in verschiedener
Richtung in stärkster Weise in Anspruch genommen werden,
konnte natürlich eine derartige Zerfällung auf zwei Compo-
nenten nicht stattfinden, und es musste eine verwirrte Faseran-
lage bestehen bleiben. Wenn aber trotzdem einige Richtungen
wiederum vorzugsweise in Anspruch genommen wurden, so

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[190/0204] IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize. tungen durch Reizentziehung im Kampf der Theile besiegen. Es findet also dasselbe statt, wie bei den Knochen innerhalb dreier Dimensionen. Die Thatsache des Vorkommens dieser Reducirung in vielen Richtungen stattfindender Wirkungen auf die am stärksten in Anspruch genommenen Componenten, diese höchst zweckmässige Zerlegung, welche wiederum etwas von selber ausgebildet zeigt, was die angewandte Physik erst seit relativ kurzer Zeit er- kannt und dargestellt hat, halte ich für eines der wichtigsten und unumstösslichsten Beweismittel für die von mir aufgestellte Reizhypothese und habe sie daher oben in dieser Weise ver- wendet. Die Beweiskraft liegt darin, dass die bezüglichen Bil- dungen unendlich vielgestaltig sind und trotzdem durch die aufgestellte Hypothese ihre vollkommenste Erklärung finden. Wie viel Generationen aber zur Ausbildung einer so voll- kommenen Reduction auf zwei Componenten nöthig gewesen sind, kann natürlich erst beurtheilt werden, wenn wir durch Beobachtungen in neuen pathologischen Verhältnissen festge- stellt haben, wie gross die individuelle Anpassungsbreite in dieser Beziehung ist. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass wenigstens Andeutungen solcher Faserordnungen nach den constanten Richtungen stärksten Zuges bei diesen weichen Bil- dungen des Bindegewebes auch aus verwirrter Anlage, blos durch wiederholte Wirkung dieses Zuges auf dem Wege ein- facher mechanischer Umordnung hätten entstehen können. Bei denjenigen bindegewebigen Organen, welche wie die Haut und die Gelenkkapseln abwechselnd in verschiedener Richtung in stärkster Weise in Anspruch genommen werden, konnte natürlich eine derartige Zerfällung auf zwei Compo- nenten nicht stattfinden, und es musste eine verwirrte Faseran- lage bestehen bleiben. Wenn aber trotzdem einige Richtungen wiederum vorzugsweise in Anspruch genommen wurden, so

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/204>, abgerufen am 28.04.2024.