Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
meinen gegenwärtigen Beobachtungen, sie dereinst auf mecha-
nische Principien zurückführen zu können.

Aus dem über die Wirkung der Blutvertheilung und die
Art ihrer Regulation Gesagten geht also hervor, dass es allen
Thatsachen widersprechen würde, wenn man eine
passive Ernährung der Theile, allein abhängig von
der Nahrungszufuhr statuiren wollte, sondern es
ergab sich, dass im Gegentheil die Ernährung unter
qualitativer und quantitativer Auswahl seitens der
ernährten Theile stattfinde, und dass von der Ver-
brauchsstelle aus die Blutzufuhr entsprechend dem
Bedarfe in irgend einer Weise regulirt werden muss
.

Die functionelle Hyperämie, wo sie stattfindet,
kann daher keinesfalls die Ursache der functionel-
len Hypertrophie sein, sondern sie darf nur als eine
günstige, vielleicht nicht einmal immer unerläss-
lich nothwendige Vorbedingung derselben angesehen
werden
.

Werfen wir noch einen Blick auf die möglichen Leistungen
der Blutvertheilung beim Ausbleiben der Function
und der ihr folgenden Inactivitätsatrophie, so liegt hier
das ursächliche Verhältniss scheinbar einfacher, und die Ab-
hängigkeit von der Blutzufuhr scheint eine grössere und be-
stimmtere zu sein als bei der Hypertrophie. Denn wenn die
Nahrung in erheblich verminderter Menge zugeführt wird, so
muss nothwendigerweise die Ernährung entsprechend sinken.
Aber es ist die Frage, warum sinkt die Nahrungszufuhr, warum
bleibt sie nicht auf einem mittleren Zustand stehen, da doch die
Spannung der Blutsäule hier wie überall bestrebt ist, die vorhande-
nen Wege zu erweitern, statt sie verengen zu lassen. Diese stetige,
über das Maass des durch Nervenregulation Vermittelbaren hin-
ausgehende Verengerung, diese wirkliche morphologische Rück-

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
meinen gegenwärtigen Beobachtungen, sie dereinst auf mecha-
nische Principien zurückführen zu können.

Aus dem über die Wirkung der Blutvertheilung und die
Art ihrer Regulation Gesagten geht also hervor, dass es allen
Thatsachen widersprechen würde, wenn man eine
passive Ernährung der Theile, allein abhängig von
der Nahrungszufuhr statuiren wollte, sondern es
ergab sich, dass im Gegentheil die Ernährung unter
qualitativer und quantitativer Auswahl seitens der
ernährten Theile stattfinde, und dass von der Ver-
brauchsstelle aus die Blutzufuhr entsprechend dem
Bedarfe in irgend einer Weise regulirt werden muss
.

Die functionelle Hyperämie, wo sie stattfindet,
kann daher keinesfalls die Ursache der functionel-
len Hypertrophie sein, sondern sie darf nur als eine
günstige, vielleicht nicht einmal immer unerläss-
lich nothwendige Vorbedingung derselben angesehen
werden
.

Werfen wir noch einen Blick auf die möglichen Leistungen
der Blutvertheilung beim Ausbleiben der Function
und der ihr folgenden Inactivitätsatrophie, so liegt hier
das ursächliche Verhältniss scheinbar einfacher, und die Ab-
hängigkeit von der Blutzufuhr scheint eine grössere und be-
stimmtere zu sein als bei der Hypertrophie. Denn wenn die
Nahrung in erheblich verminderter Menge zugeführt wird, so
muss nothwendigerweise die Ernährung entsprechend sinken.
Aber es ist die Frage, warum sinkt die Nahrungszufuhr, warum
bleibt sie nicht auf einem mittleren Zustand stehen, da doch die
Spannung der Blutsäule hier wie überall bestrebt ist, die vorhande-
nen Wege zu erweitern, statt sie verengen zu lassen. Diese stetige,
über das Maass des durch Nervenregulation Vermittelbaren hin-
ausgehende Verengerung, diese wirkliche morphologische Rück-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="158"/><fw place="top" type="header">III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.</fw><lb/>
meinen gegenwärtigen Beobachtungen, sie dereinst auf mecha-<lb/>
nische Principien zurückführen zu können.</p><lb/>
        <p>Aus dem über die Wirkung der Blutvertheilung und die<lb/>
Art ihrer Regulation Gesagten geht also hervor, dass <hi rendition="#g">es allen<lb/>
Thatsachen widersprechen würde, wenn man eine<lb/>
passive Ernährung der Theile, allein abhängig von<lb/>
der Nahrungszufuhr statuiren wollte, sondern es<lb/>
ergab sich, dass im Gegentheil die Ernährung unter<lb/>
qualitativer und quantitativer Auswahl seitens der<lb/>
ernährten Theile stattfinde, und dass von der Ver-<lb/>
brauchsstelle aus die Blutzufuhr entsprechend dem<lb/>
Bedarfe in irgend einer Weise regulirt werden muss</hi>.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Die functionelle Hyperämie, wo sie stattfindet,<lb/>
kann daher keinesfalls die Ursache der functionel-<lb/>
len Hypertrophie sein, sondern sie darf nur als eine<lb/>
günstige, vielleicht nicht einmal immer unerläss-<lb/>
lich nothwendige Vorbedingung derselben angesehen<lb/>
werden</hi>.</p><lb/>
        <p>Werfen wir noch einen Blick auf die möglichen Leistungen<lb/>
der <hi rendition="#g">Blutvertheilung beim Ausbleiben der Function</hi><lb/>
und der ihr folgenden <hi rendition="#g">Inactivitätsatrophie</hi>, so liegt hier<lb/>
das ursächliche Verhältniss scheinbar einfacher, und die Ab-<lb/>
hängigkeit von der Blutzufuhr scheint eine grössere und be-<lb/>
stimmtere zu sein als bei der Hypertrophie. Denn wenn die<lb/>
Nahrung in erheblich verminderter Menge zugeführt wird, so<lb/>
muss nothwendigerweise die Ernährung entsprechend sinken.<lb/>
Aber es ist die Frage, warum sinkt die Nahrungszufuhr, warum<lb/>
bleibt sie nicht auf einem mittleren Zustand stehen, da doch die<lb/>
Spannung der Blutsäule hier wie überall bestrebt ist, die vorhande-<lb/>
nen Wege zu erweitern, statt sie verengen zu lassen. Diese stetige,<lb/>
über das Maass des durch Nervenregulation Vermittelbaren hin-<lb/>
ausgehende Verengerung, diese wirkliche morphologische Rück-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0172] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. meinen gegenwärtigen Beobachtungen, sie dereinst auf mecha- nische Principien zurückführen zu können. Aus dem über die Wirkung der Blutvertheilung und die Art ihrer Regulation Gesagten geht also hervor, dass es allen Thatsachen widersprechen würde, wenn man eine passive Ernährung der Theile, allein abhängig von der Nahrungszufuhr statuiren wollte, sondern es ergab sich, dass im Gegentheil die Ernährung unter qualitativer und quantitativer Auswahl seitens der ernährten Theile stattfinde, und dass von der Ver- brauchsstelle aus die Blutzufuhr entsprechend dem Bedarfe in irgend einer Weise regulirt werden muss. Die functionelle Hyperämie, wo sie stattfindet, kann daher keinesfalls die Ursache der functionel- len Hypertrophie sein, sondern sie darf nur als eine günstige, vielleicht nicht einmal immer unerläss- lich nothwendige Vorbedingung derselben angesehen werden. Werfen wir noch einen Blick auf die möglichen Leistungen der Blutvertheilung beim Ausbleiben der Function und der ihr folgenden Inactivitätsatrophie, so liegt hier das ursächliche Verhältniss scheinbar einfacher, und die Ab- hängigkeit von der Blutzufuhr scheint eine grössere und be- stimmtere zu sein als bei der Hypertrophie. Denn wenn die Nahrung in erheblich verminderter Menge zugeführt wird, so muss nothwendigerweise die Ernährung entsprechend sinken. Aber es ist die Frage, warum sinkt die Nahrungszufuhr, warum bleibt sie nicht auf einem mittleren Zustand stehen, da doch die Spannung der Blutsäule hier wie überall bestrebt ist, die vorhande- nen Wege zu erweitern, statt sie verengen zu lassen. Diese stetige, über das Maass des durch Nervenregulation Vermittelbaren hin- ausgehende Verengerung, diese wirkliche morphologische Rück-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/172
Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/172>, abgerufen am 02.05.2024.