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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
hier nicht blos auf mechanische Weise neue Nebenwege aus,
sondern gleichzeitig muss auch eine neue nervöse Regulation
entstehen, welche ebenfalls nicht vererbt sein kann, sondern
mittelst Selbstgestaltung und Selbstregulation ihre Ausbildung
erfahren muss. Man denke sich, was entstehen müsste, wenn
die Ernährung rein passiv stattfände, ganz in Abhängigkeit
von der Blutzufuhr, und wenn nach Unterbindung die Vertheilung
blos mechanisch durch collaterale Wirkung sich ausgliche,
welche Functionsstörungen und Umformungen des ganzen Theiles
entstehen müssten! Wenn z. B. die Oberarm-Arterie unter-
bunden wäre, müssten die Schultermuskeln und die Haut über
denselben unförmig verdickt und der Unterarm würde dünn
und schwach werden; aber nichts von dem tritt ein, die Re-
gulation ist meist eine vollkommene, und da die betreffen-
den Muskelgruppen später wieder vollkommen functionsfähig
werden, so muss sich wohl auch eine neue nervöse Regulation
zur Herstellung der functionellen Hyperämie ausgebildet haben,
welche aber nur in directer Abhängigkeit von dem Verbrauch
der Theile entstehen kann. Alle diese Verhältnisse deuten also
auf Selbstregulation durch den Bedarf hin, so dass wir an-
nehmen müssen, dass die specifischen Parenchyme sowohl die
Aufnahme als auch die Zufuhr ihres Bedarfs selber reguliren,
und dass auch die nervösen Regulationsapparate in Abhängig-
keit von dem Verbrauche sich ausbilden und ihm untergeordnet
sind. Denn ebenso, wie sie unter ganz neuen, also nicht ver-
erbten Verhältnissen hervorgebracht werden, in denen sie blos
in Abhängigkeit von den verbrauchenden Theilen entstehen
können, müssen sie auch in normalen Verhältnissen sich in der
gleichen Weise auszubilden vermögen.

Wir wollen noch erwähnen, dass zweierlei Regulationen
wohl zu unterscheiden sind, ein Mal die nervöse, blos vorüber-
gehende, wechselnde, zweitens die durch wirkliches Wachs-

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
hier nicht blos auf mechanische Weise neue Nebenwege aus,
sondern gleichzeitig muss auch eine neue nervöse Regulation
entstehen, welche ebenfalls nicht vererbt sein kann, sondern
mittelst Selbstgestaltung und Selbstregulation ihre Ausbildung
erfahren muss. Man denke sich, was entstehen müsste, wenn
die Ernährung rein passiv stattfände, ganz in Abhängigkeit
von der Blutzufuhr, und wenn nach Unterbindung die Vertheilung
blos mechanisch durch collaterale Wirkung sich ausgliche,
welche Functionsstörungen und Umformungen des ganzen Theiles
entstehen müssten! Wenn z. B. die Oberarm-Arterie unter-
bunden wäre, müssten die Schultermuskeln und die Haut über
denselben unförmig verdickt und der Unterarm würde dünn
und schwach werden; aber nichts von dem tritt ein, die Re-
gulation ist meist eine vollkommene, und da die betreffen-
den Muskelgruppen später wieder vollkommen functionsfähig
werden, so muss sich wohl auch eine neue nervöse Regulation
zur Herstellung der functionellen Hyperämie ausgebildet haben,
welche aber nur in directer Abhängigkeit von dem Verbrauch
der Theile entstehen kann. Alle diese Verhältnisse deuten also
auf Selbstregulation durch den Bedarf hin, so dass wir an-
nehmen müssen, dass die specifischen Parenchyme sowohl die
Aufnahme als auch die Zufuhr ihres Bedarfs selber reguliren,
und dass auch die nervösen Regulationsapparate in Abhängig-
keit von dem Verbrauche sich ausbilden und ihm untergeordnet
sind. Denn ebenso, wie sie unter ganz neuen, also nicht ver-
erbten Verhältnissen hervorgebracht werden, in denen sie blos
in Abhängigkeit von den verbrauchenden Theilen entstehen
können, müssen sie auch in normalen Verhältnissen sich in der
gleichen Weise auszubilden vermögen.

Wir wollen noch erwähnen, dass zweierlei Regulationen
wohl zu unterscheiden sind, ein Mal die nervöse, blos vorüber-
gehende, wechselnde, zweitens die durch wirkliches Wachs-

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[153/0167] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. hier nicht blos auf mechanische Weise neue Nebenwege aus, sondern gleichzeitig muss auch eine neue nervöse Regulation entstehen, welche ebenfalls nicht vererbt sein kann, sondern mittelst Selbstgestaltung und Selbstregulation ihre Ausbildung erfahren muss. Man denke sich, was entstehen müsste, wenn die Ernährung rein passiv stattfände, ganz in Abhängigkeit von der Blutzufuhr, und wenn nach Unterbindung die Vertheilung blos mechanisch durch collaterale Wirkung sich ausgliche, welche Functionsstörungen und Umformungen des ganzen Theiles entstehen müssten! Wenn z. B. die Oberarm-Arterie unter- bunden wäre, müssten die Schultermuskeln und die Haut über denselben unförmig verdickt und der Unterarm würde dünn und schwach werden; aber nichts von dem tritt ein, die Re- gulation ist meist eine vollkommene, und da die betreffen- den Muskelgruppen später wieder vollkommen functionsfähig werden, so muss sich wohl auch eine neue nervöse Regulation zur Herstellung der functionellen Hyperämie ausgebildet haben, welche aber nur in directer Abhängigkeit von dem Verbrauch der Theile entstehen kann. Alle diese Verhältnisse deuten also auf Selbstregulation durch den Bedarf hin, so dass wir an- nehmen müssen, dass die specifischen Parenchyme sowohl die Aufnahme als auch die Zufuhr ihres Bedarfs selber reguliren, und dass auch die nervösen Regulationsapparate in Abhängig- keit von dem Verbrauche sich ausbilden und ihm untergeordnet sind. Denn ebenso, wie sie unter ganz neuen, also nicht ver- erbten Verhältnissen hervorgebracht werden, in denen sie blos in Abhängigkeit von den verbrauchenden Theilen entstehen können, müssen sie auch in normalen Verhältnissen sich in der gleichen Weise auszubilden vermögen. Wir wollen noch erwähnen, dass zweierlei Regulationen wohl zu unterscheiden sind, ein Mal die nervöse, blos vorüber- gehende, wechselnde, zweitens die durch wirkliches Wachs-

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/167>, abgerufen am 02.05.2024.