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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
thum eines jungen Menschen nur wenig, den Ansatz nicht an-
nähernd proportional der Nahrung beschleunigen. Und ebenso
findet beim Erwachsenen mit der Verbesserung der Kost die
grössere Volumensentfaltung der Organe an specifischen Theilen,
von Fettanhäufung also abgesehen, blos in gewissen Grenzen
statt, über welche sie nicht hinausgeht. Dem entsprechend sagt
Cohnheim1), dass vermehrte Nahrungszufuhr nicht zu ver-
mehrter Eiweissaufspeicherung im Blute oder in den Geweben
führe, wenn nicht zugleich mehr Arbeit geleistet wird, und die
Resultate Voit's sind bekannt, welcher fand, dass mit der
grösseren Zufuhr von Eiweiss zum Körper cet. par. auch die
Verbrennung desselben, kenntlich an der grösseren Ausschei-
dung von Harnstoff, steigt, und dass nur relativ wenig mehr
im Körper zurückgehalten wird, und dieses auch zum grössten
Theil nicht als Organeiweiss unter Vermehrung des Protoplasma
der Zellen, sondern nur als Circulationseiweiss, als Vorraths-
nahrung.

Wie so der ganze Körper die Aufnahme, die wirkliche
Assimilation gebotener Nahrung verschmähen kann, so
können es auch die einzelnen Theile desselben.

Virchow2) hat schon vor vielen Jahren diese Bedeutung
des Experimentes der Durchschneidung des Halssympathicus
hervorgehoben. Nach dieser Operation sahen er, Schiff
u. A. wochenlang anhaltende Erweiterung der Blutgefässe ent-
stehen, ohne dass eine Verdickung der Haut oder vermehrte
Abschuppung stattfand. Ingleichen erhielten Cl. Bernard,
Ollier
3) in 15 Fällen, Cohnheim4) selbst bei jugendlichen
Individuen keine Hypertrophie nach der gleichen Operation.

1) Cohnheim, Allgem. Pathologie. Bd. I. p. 584.
2) Siehe Virchow, Cellularpathologie. Aufl. IV. p. 158.
3) Ollier, Journ. de la Physiol. VI. 1863. p. 107.
4) Cohnheim l. c. I. p. 597. 1877.

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
thum eines jungen Menschen nur wenig, den Ansatz nicht an-
nähernd proportional der Nahrung beschleunigen. Und ebenso
findet beim Erwachsenen mit der Verbesserung der Kost die
grössere Volumensentfaltung der Organe an specifischen Theilen,
von Fettanhäufung also abgesehen, blos in gewissen Grenzen
statt, über welche sie nicht hinausgeht. Dem entsprechend sagt
Cohnheim1), dass vermehrte Nahrungszufuhr nicht zu ver-
mehrter Eiweissaufspeicherung im Blute oder in den Geweben
führe, wenn nicht zugleich mehr Arbeit geleistet wird, und die
Resultate Voit’s sind bekannt, welcher fand, dass mit der
grösseren Zufuhr von Eiweiss zum Körper cet. par. auch die
Verbrennung desselben, kenntlich an der grösseren Ausschei-
dung von Harnstoff, steigt, und dass nur relativ wenig mehr
im Körper zurückgehalten wird, und dieses auch zum grössten
Theil nicht als Organeiweiss unter Vermehrung des Protoplasma
der Zellen, sondern nur als Circulationseiweiss, als Vorraths-
nahrung.

Wie so der ganze Körper die Aufnahme, die wirkliche
Assimilation gebotener Nahrung verschmähen kann, so
können es auch die einzelnen Theile desselben.

Virchow2) hat schon vor vielen Jahren diese Bedeutung
des Experimentes der Durchschneidung des Halssympathicus
hervorgehoben. Nach dieser Operation sahen er, Schiff
u. A. wochenlang anhaltende Erweiterung der Blutgefässe ent-
stehen, ohne dass eine Verdickung der Haut oder vermehrte
Abschuppung stattfand. Ingleichen erhielten Cl. Bernard,
Ollier
3) in 15 Fällen, Cohnheim4) selbst bei jugendlichen
Individuen keine Hypertrophie nach der gleichen Operation.

1) Cohnheim, Allgem. Pathologie. Bd. I. p. 584.
2) Siehe Virchow, Cellularpathologie. Aufl. IV. p. 158.
3) Ollier, Journ. de la Physiol. VI. 1863. p. 107.
4) Cohnheim l. c. I. p. 597. 1877.
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[142/0156] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. thum eines jungen Menschen nur wenig, den Ansatz nicht an- nähernd proportional der Nahrung beschleunigen. Und ebenso findet beim Erwachsenen mit der Verbesserung der Kost die grössere Volumensentfaltung der Organe an specifischen Theilen, von Fettanhäufung also abgesehen, blos in gewissen Grenzen statt, über welche sie nicht hinausgeht. Dem entsprechend sagt Cohnheim 1), dass vermehrte Nahrungszufuhr nicht zu ver- mehrter Eiweissaufspeicherung im Blute oder in den Geweben führe, wenn nicht zugleich mehr Arbeit geleistet wird, und die Resultate Voit’s sind bekannt, welcher fand, dass mit der grösseren Zufuhr von Eiweiss zum Körper cet. par. auch die Verbrennung desselben, kenntlich an der grösseren Ausschei- dung von Harnstoff, steigt, und dass nur relativ wenig mehr im Körper zurückgehalten wird, und dieses auch zum grössten Theil nicht als Organeiweiss unter Vermehrung des Protoplasma der Zellen, sondern nur als Circulationseiweiss, als Vorraths- nahrung. Wie so der ganze Körper die Aufnahme, die wirkliche Assimilation gebotener Nahrung verschmähen kann, so können es auch die einzelnen Theile desselben. Virchow 2) hat schon vor vielen Jahren diese Bedeutung des Experimentes der Durchschneidung des Halssympathicus hervorgehoben. Nach dieser Operation sahen er, Schiff u. A. wochenlang anhaltende Erweiterung der Blutgefässe ent- stehen, ohne dass eine Verdickung der Haut oder vermehrte Abschuppung stattfand. Ingleichen erhielten Cl. Bernard, Ollier 3) in 15 Fällen, Cohnheim 4) selbst bei jugendlichen Individuen keine Hypertrophie nach der gleichen Operation. 1) Cohnheim, Allgem. Pathologie. Bd. I. p. 584. 2) Siehe Virchow, Cellularpathologie. Aufl. IV. p. 158. 3) Ollier, Journ. de la Physiol. VI. 1863. p. 107. 4) Cohnheim l. c. I. p. 597. 1877.

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/156>, abgerufen am 23.11.2024.