Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.und Mad. Barry. Beobachtung sowohl der Zeit als des Ortes, nach.Er war bey dem Teich, ehe es noch Sechse geschla- gen, und brachte die Zeit mit zweiffelhafften und furchtsamen Einbildungen zu: Denn Furcht ist von einem Verliebten so unzertrennlich, als von ei- nem Hasen; Es ist aber unmöglich, daß iemand furchtsam seyn kan, wenn er nicht guten Theils ent- geistert ist. Also schiene ihm, aus Mangel der Ge- sellschafft, iedweder Augenblick ein Tag zu seyn, biß endlich Madame Barry, ihrem Versprechen nach, durch ihre erwünschte Ankunfft, seiner Ungedult ein Ende machte. Nun war es Zeit, daß der Liebha- ber sein Glücke caressirte, damit es seinem Vor- satz secundiren möchte, nachdem er bey sich selb- sten völlig beschlossen, alle Bewegungs-Gründe, wormit ihn nur die Liebe und Scharffsinnigkeit ver- sehen könnte, anzuwenden, um sie dadurch zur lü- sternen Näscherey von der verbothenen Frucht zu verreitzen. Es war ihm nicht unbekannt, daß die- ses eine sehr kützliche Sache sey, und eine Welt vol- ler Arglistigkeit erfordere, solche so geschwind anzu- fangen und mit glücklichem Fortgang auszuführen: Denn die Jungfern pflegen (weiß nicht, ob aus Furcht oder Schamhafftigkeit) denen Mamis- Bildern insgemein viel mühsame Schwierigkeiten und manche schertzhaffte Conference vorher zu machen, ehe sie dieselben zu einer recht verliebten Treuhertzigkeit bewegen können. Nachdem er ihr aber D d 4
und Mad. Barry. Beobachtung ſowohl der Zeit als des Ortes, nach.Er war bey dem Teich, ehe es noch Sechſe geſchla- gen, und brachte die Zeit mit zweiffelhafften und furchtſamen Einbildungen zu: Denn Furcht iſt von einem Verliebten ſo unzertrennlich, als von ei- nem Haſen; Es iſt aber unmoͤglich, daß iemand furchtſam ſeyn kan, wenn er nicht guten Theils ent- geiſtert iſt. Alſo ſchiene ihm, aus Mangel der Ge- ſellſchafft, iedweder Augenblick ein Tag zu ſeyn, biß endlich Madame Barry, ihrem Verſprechen nach, durch ihre erwuͤnſchte Ankunfft, ſeiner Ungedult ein Ende machte. Nun war es Zeit, daß der Liebha- ber ſein Gluͤcke careſſirte, damit es ſeinem Vor- ſatz ſecundiren moͤchte, nachdem er bey ſich ſelb- ſten voͤllig beſchloſſen, alle Bewegungs-Gruͤnde, wormit ihn nur die Liebe und Scharffſinnigkeit ver- ſehen koͤnnte, anzuwenden, um ſie dadurch zur luͤ- ſternen Naͤſcherey von der verbothenen Frucht zu verreitzen. Es war ihm nicht unbekannt, daß die- ſes eine ſehr kuͤtzliche Sache ſey, und eine Welt vol- ler Argliſtigkeit erfordere, ſolche ſo geſchwind anzu- fangen und mit gluͤcklichem Fortgang auszufuͤhren: Denn die Jungfern pflegen (weiß nicht, ob aus Furcht oder Schamhafftigkeit) denen Mamis- Bildern insgemein viel muͤhſame Schwierigkeiten und manche ſchertzhaffte Conference vorher zu machen, ehe ſie dieſelben zu einer recht verliebten Treuhertzigkeit bewegen koͤnnen. Nachdem er ihr aber D d 4
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und Mad. Barry.
Beobachtung ſowohl der Zeit als des Ortes, nach.
Er war bey dem Teich, ehe es noch Sechſe geſchla-
gen, und brachte die Zeit mit zweiffelhafften und
furchtſamen Einbildungen zu: Denn Furcht iſt
von einem Verliebten ſo unzertrennlich, als von ei-
nem Haſen; Es iſt aber unmoͤglich, daß iemand
furchtſam ſeyn kan, wenn er nicht guten Theils ent-
geiſtert iſt. Alſo ſchiene ihm, aus Mangel der Ge-
ſellſchafft, iedweder Augenblick ein Tag zu ſeyn, biß
endlich Madame Barry, ihrem Verſprechen nach,
durch ihre erwuͤnſchte Ankunfft, ſeiner Ungedult ein
Ende machte. Nun war es Zeit, daß der Liebha-
ber ſein Gluͤcke careſſirte, damit es ſeinem Vor-
ſatz ſecundiren moͤchte, nachdem er bey ſich ſelb-
ſten voͤllig beſchloſſen, alle Bewegungs-Gruͤnde,
wormit ihn nur die Liebe und Scharffſinnigkeit ver-
ſehen koͤnnte, anzuwenden, um ſie dadurch zur luͤ-
ſternen Naͤſcherey von der verbothenen Frucht zu
verreitzen. Es war ihm nicht unbekannt, daß die-
ſes eine ſehr kuͤtzliche Sache ſey, und eine Welt vol-
ler Argliſtigkeit erfordere, ſolche ſo geſchwind anzu-
fangen und mit gluͤcklichem Fortgang auszufuͤhren:
Denn die Jungfern pflegen (weiß nicht, ob aus
Furcht oder Schamhafftigkeit) denen Mamis-
Bildern insgemein viel muͤhſame Schwierigkeiten
und manche ſchertzhaffte Conference vorher zu
machen, ehe ſie dieſelben zu einer recht verliebten
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Zitationshilfe: | Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/443>, abgerufen am 17.06.2024. |