Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Madame Mabellah Turner,
Es ist auch gewiß, daß Mabellah nicht mehr Af-
fection
für ihn geheeget, da sie ihn geehliget, als
für einen Fremden, den sie ihr Tage nie gesehen ge-
habt, und liebte ihn nur eintzig und allein aus Schul-
digkeit gegen ihrer Eltern Befehl. Sintemal sie
nun eine kluge Frau war, welche ihre eigene An-
nehmlichkeit mehr als zu wohl kannte, und einen
gar eigentlichen Geschmack von der Liebe hatte;
Als kunnte sie ein gar schlechtes Lösch-Wasser für
ihre Flammen in ihres Mannes kaltsinnigem We-
sen antreffen, als der seine Zärtlichkeit auf keine
andere Art, als durch seine Umarmung ausdrücken
kunnte; Ja wenns noch nach ihrem Sinn gesche-
hen wäre; Allein einem Appetit, wie ihrer war,
kunnte der Liebes-Confect nicht schmecken, er hät-
te dann mit einer verbündlichen Zärtlichkeit und ei-
nem sorgfältigen Regard gewürtzet seyn müssen,
als worinnen eben die Delicatesse dieser Leiden-
schafft zu bestehen pfleget. Sie war (biß sie ob-
besagte Flucht nahm) sehr retiree, und hielte so-
wohl über ihre Ehre als Tugend, erwiese sich über-
aus fürsichtig in ihrer gantzen Aufführung, und
wunderte sich vielmals, wenn ihr Ehmann einen
guten Freund mit nach Hause brachte, und, indem
er immittelst seinen Geschäfften nachgienge, ihn viel
Stunden lang mit ihr alleine liesse, ohne daß er
sich etwas besorgete, oder im geringsten darum be-
kümmerte, ob sie unterdessen ein Aufgedecktes mit

ein-

Madame Mabellah Turner,
Es iſt auch gewiß, daß Mabellah nicht mehr Af-
fection
fuͤr ihn geheeget, da ſie ihn geehliget, als
fuͤr einen Fremden, den ſie ihr Tage nie geſehen ge-
habt, und liebte ihn nur eintzig und allein aus Schul-
digkeit gegen ihrer Eltern Befehl. Sintemal ſie
nun eine kluge Frau war, welche ihre eigene An-
nehmlichkeit mehr als zu wohl kannte, und einen
gar eigentlichen Geſchmack von der Liebe hatte;
Als kunnte ſie ein gar ſchlechtes Loͤſch-Waſſer fuͤr
ihre Flammen in ihres Mannes kaltſinnigem We-
ſen antreffen, als der ſeine Zaͤrtlichkeit auf keine
andere Art, als durch ſeine Umarmung ausdruͤcken
kunnte; Ja wenns noch nach ihrem Sinn geſche-
hen waͤre; Allein einem Appetit, wie ihrer war,
kunnte der Liebes-Confect nicht ſchmecken, er haͤt-
te dann mit einer verbuͤndlichen Zaͤrtlichkeit und ei-
nem ſorgfaͤltigen Regard gewuͤrtzet ſeyn muͤſſen,
als worinnen eben die Delicateſſe dieſer Leiden-
ſchafft zu beſtehen pfleget. Sie war (biß ſie ob-
beſagte Flucht nahm) ſehr retirée, und hielte ſo-
wohl uͤber ihre Ehre als Tugend, erwieſe ſich uͤber-
aus fuͤrſichtig in ihrer gantzen Auffuͤhrung, und
wunderte ſich vielmals, wenn ihr Ehmann einen
guten Freund mit nach Hauſe brachte, und, indem
er immittelſt ſeinen Geſchaͤfften nachgienge, ihn viel
Stunden lang mit ihr alleine lieſſe, ohne daß er
ſich etwas beſorgete, oder im geringſten darum be-
kuͤmmerte, ob ſie unterdeſſen ein Aufgedecktes mit

ein-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0176" n="156"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Madame Mabellah Turner,</hi></hi></fw><lb/>
Es i&#x017F;t auch gewiß, daß <hi rendition="#aq">Mabellah</hi> nicht mehr <hi rendition="#aq">Af-<lb/>
fection</hi> fu&#x0364;r ihn geheeget, da &#x017F;ie ihn geehliget, als<lb/>
fu&#x0364;r einen Fremden, den &#x017F;ie ihr Tage nie ge&#x017F;ehen ge-<lb/>
habt, und liebte ihn nur eintzig und allein aus Schul-<lb/>
digkeit gegen ihrer Eltern Befehl. Sintemal &#x017F;ie<lb/>
nun eine kluge Frau war, welche ihre eigene An-<lb/>
nehmlichkeit mehr als zu wohl kannte, und einen<lb/>
gar eigentlichen Ge&#x017F;chmack von der Liebe hatte;<lb/>
Als kunnte &#x017F;ie ein gar &#x017F;chlechtes Lo&#x0364;&#x017F;ch-Wa&#x017F;&#x017F;er fu&#x0364;r<lb/>
ihre Flammen in ihres Mannes kalt&#x017F;innigem We-<lb/>
&#x017F;en antreffen, als der &#x017F;eine Za&#x0364;rtlichkeit auf keine<lb/>
andere Art, als durch &#x017F;eine Umarmung ausdru&#x0364;cken<lb/>
kunnte; Ja wenns noch nach ihrem Sinn ge&#x017F;che-<lb/>
hen wa&#x0364;re; Allein einem <hi rendition="#aq">Appetit,</hi> wie ihrer war,<lb/>
kunnte der Liebes-<hi rendition="#aq">Confect</hi> nicht &#x017F;chmecken, er ha&#x0364;t-<lb/>
te dann mit einer verbu&#x0364;ndlichen Za&#x0364;rtlichkeit und ei-<lb/>
nem &#x017F;orgfa&#x0364;ltigen <hi rendition="#aq">Regard</hi> gewu&#x0364;rtzet &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
als worinnen eben die <hi rendition="#aq">Delicate&#x017F;&#x017F;e</hi> die&#x017F;er Leiden-<lb/>
&#x017F;chafft zu be&#x017F;tehen pfleget. Sie war (biß &#x017F;ie ob-<lb/>
be&#x017F;agte Flucht nahm) &#x017F;ehr <hi rendition="#aq">retirée,</hi> und hielte &#x017F;o-<lb/>
wohl u&#x0364;ber ihre Ehre als Tugend, erwie&#x017F;e &#x017F;ich u&#x0364;ber-<lb/>
aus fu&#x0364;r&#x017F;ichtig in ihrer gantzen Auffu&#x0364;hrung, und<lb/>
wunderte &#x017F;ich vielmals, wenn ihr Ehmann einen<lb/>
guten Freund mit nach Hau&#x017F;e brachte, und, indem<lb/>
er immittel&#x017F;t &#x017F;einen Ge&#x017F;cha&#x0364;fften nachgienge, ihn viel<lb/>
Stunden lang mit ihr alleine lie&#x017F;&#x017F;e, ohne daß er<lb/>
&#x017F;ich etwas be&#x017F;orgete, oder im gering&#x017F;ten darum be-<lb/>
ku&#x0364;mmerte, ob &#x017F;ie unterde&#x017F;&#x017F;en ein Aufgedecktes mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0176] Madame Mabellah Turner, Es iſt auch gewiß, daß Mabellah nicht mehr Af- fection fuͤr ihn geheeget, da ſie ihn geehliget, als fuͤr einen Fremden, den ſie ihr Tage nie geſehen ge- habt, und liebte ihn nur eintzig und allein aus Schul- digkeit gegen ihrer Eltern Befehl. Sintemal ſie nun eine kluge Frau war, welche ihre eigene An- nehmlichkeit mehr als zu wohl kannte, und einen gar eigentlichen Geſchmack von der Liebe hatte; Als kunnte ſie ein gar ſchlechtes Loͤſch-Waſſer fuͤr ihre Flammen in ihres Mannes kaltſinnigem We- ſen antreffen, als der ſeine Zaͤrtlichkeit auf keine andere Art, als durch ſeine Umarmung ausdruͤcken kunnte; Ja wenns noch nach ihrem Sinn geſche- hen waͤre; Allein einem Appetit, wie ihrer war, kunnte der Liebes-Confect nicht ſchmecken, er haͤt- te dann mit einer verbuͤndlichen Zaͤrtlichkeit und ei- nem ſorgfaͤltigen Regard gewuͤrtzet ſeyn muͤſſen, als worinnen eben die Delicateſſe dieſer Leiden- ſchafft zu beſtehen pfleget. Sie war (biß ſie ob- beſagte Flucht nahm) ſehr retirée, und hielte ſo- wohl uͤber ihre Ehre als Tugend, erwieſe ſich uͤber- aus fuͤrſichtig in ihrer gantzen Auffuͤhrung, und wunderte ſich vielmals, wenn ihr Ehmann einen guten Freund mit nach Hauſe brachte, und, indem er immittelſt ſeinen Geſchaͤfften nachgienge, ihn viel Stunden lang mit ihr alleine lieſſe, ohne daß er ſich etwas beſorgete, oder im geringſten darum be- kuͤmmerte, ob ſie unterdeſſen ein Aufgedecktes mit ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/176
Zitationshilfe: Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/176>, abgerufen am 27.11.2024.