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Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.

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und der Graf von Rochester.
ihre Füsse, ehe sie zu ihr gelangeten. Als sie zu Pfer-
de saß, hatte die Furcht, worinnen sie sich befande,
verursachet, daß sie so blaß als der Tod aussahe;
Weil sie aber im Fallen ein Bein, wenigstens so
weit biß ans Knie entblösset, und, da sie aufsahe,
sich allein unter so vielen Manns-Personen befande,
wurden ihre Wangen mit einer beliebten Scham-
Röthe überzogen. Sie hatte über der hefftigen
Bewegung allen Schmuck von ihrem Haupte ver-
lohren, daß ihr schönes langes schwartzes Haar,
dessen sie einen trefflichen Vorrath hatte, fliegend
herunter hienge und Rücken und Schulter fast
gäntzlich verhüllete. Kein Schnee und Alabaster
hätte weisser, als ihre Haut seyn können; und ihre
Augen hatten so was liebreitzendes und bezaubern-
des in sich, daß der Graf, der sie in dieser negli-
gent
en Positur betrachtete, Zeit seines Lebens
nichts schöners gesehen zu haben vermeinte. Und
nachdem er seinem Reut-Knecht, nebst noch einem
andern von seinen Dienern, besohlen hatte, ihr
Pferd zu fangen, ersuchte er sie, bey dem nächsten
Hause einzukehren, und einige Erquickungen zu sich
zu nehmen: Da zog sie ein grosses Serviet aus
ihrer Tasche heraus, bande es um ihren Kopff, und
nachdem sie ihr Haar, so gut als möglich, unter-
gestecket, nahm sie des Grafen Anerbiethen mit
Verpflichtung an. Sie vermeldete ihm, indem er
zu Fuß neben ihr her gienge, was massen sie sich bey

ihrer
K

und der Graf von Rocheſter.
ihre Fuͤſſe, ehe ſie zu ihr gelangeten. Als ſie zu Pfer-
de ſaß, hatte die Furcht, worinnen ſie ſich befande,
verurſachet, daß ſie ſo blaß als der Tod ausſahe;
Weil ſie aber im Fallen ein Bein, wenigſtens ſo
weit biß ans Knie entbloͤſſet, und, da ſie aufſahe,
ſich allein unter ſo vielen Manns-Perſonen befande,
wurden ihre Wangen mit einer beliebten Scham-
Roͤthe uͤberzogen. Sie hatte uͤber der hefftigen
Bewegung allen Schmuck von ihrem Haupte ver-
lohren, daß ihr ſchoͤnes langes ſchwartzes Haar,
deſſen ſie einen trefflichen Vorrath hatte, fliegend
herunter hienge und Ruͤcken und Schulter faſt
gaͤntzlich verhuͤllete. Kein Schnee und Alabaſter
haͤtte weiſſer, als ihre Haut ſeyn koͤnnen; und ihre
Augen hatten ſo was liebreitzendes und bezaubern-
des in ſich, daß der Graf, der ſie in dieſer negli-
gent
en Poſitur betrachtete, Zeit ſeines Lebens
nichts ſchoͤners geſehen zu haben vermeinte. Und
nachdem er ſeinem Reut-Knecht, nebſt noch einem
andern von ſeinen Dienern, beſohlen hatte, ihr
Pferd zu fangen, erſuchte er ſie, bey dem naͤchſten
Hauſe einzukehren, und einige Erquickungen zu ſich
zu nehmen: Da zog ſie ein groſſes Serviet aus
ihrer Taſche heraus, bande es um ihren Kopff, und
nachdem ſie ihr Haar, ſo gut als moͤglich, unter-
geſtecket, nahm ſie des Grafen Anerbiethen mit
Verpflichtung an. Sie vermeldete ihm, indem er
zu Fuß neben ihr her gienge, was maſſen ſie ſich bey

ihrer
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[145/0165] und der Graf von Rocheſter. ihre Fuͤſſe, ehe ſie zu ihr gelangeten. Als ſie zu Pfer- de ſaß, hatte die Furcht, worinnen ſie ſich befande, verurſachet, daß ſie ſo blaß als der Tod ausſahe; Weil ſie aber im Fallen ein Bein, wenigſtens ſo weit biß ans Knie entbloͤſſet, und, da ſie aufſahe, ſich allein unter ſo vielen Manns-Perſonen befande, wurden ihre Wangen mit einer beliebten Scham- Roͤthe uͤberzogen. Sie hatte uͤber der hefftigen Bewegung allen Schmuck von ihrem Haupte ver- lohren, daß ihr ſchoͤnes langes ſchwartzes Haar, deſſen ſie einen trefflichen Vorrath hatte, fliegend herunter hienge und Ruͤcken und Schulter faſt gaͤntzlich verhuͤllete. Kein Schnee und Alabaſter haͤtte weiſſer, als ihre Haut ſeyn koͤnnen; und ihre Augen hatten ſo was liebreitzendes und bezaubern- des in ſich, daß der Graf, der ſie in dieſer negli- genten Poſitur betrachtete, Zeit ſeines Lebens nichts ſchoͤners geſehen zu haben vermeinte. Und nachdem er ſeinem Reut-Knecht, nebſt noch einem andern von ſeinen Dienern, beſohlen hatte, ihr Pferd zu fangen, erſuchte er ſie, bey dem naͤchſten Hauſe einzukehren, und einige Erquickungen zu ſich zu nehmen: Da zog ſie ein groſſes Serviet aus ihrer Taſche heraus, bande es um ihren Kopff, und nachdem ſie ihr Haar, ſo gut als moͤglich, unter- geſtecket, nahm ſie des Grafen Anerbiethen mit Verpflichtung an. Sie vermeldete ihm, indem er zu Fuß neben ihr her gienge, was maſſen ſie ſich bey ihrer K

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Zitationshilfe: Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/165>, abgerufen am 06.05.2024.