[Rost, Johann Christoph]: Schäfererzälungen. [Berlin], 1742.
Sie blickt ihn an, doch ihn zu küssen, Allein, bald hätt ich noch das wichtigste verschwie- gen: Die Mutter sollte sie doch nicht zu stark belügen, Denn da sie sich zu zärtlich küssen ließ, Und, wenn er aufgehört, ihn wieder küssen hieß; So überfiel die Onmacht ihre Glieder, Sie sank mit starren Augen nieder. Man
Sie blickt ihn an, doch ihn zu kuͤſſen, Allein, bald haͤtt ich noch das wichtigſte verſchwie- gen: Die Mutter ſollte ſie doch nicht zu ſtark beluͤgen, Denn da ſie ſich zu zaͤrtlich kuͤſſen ließ, Und, wenn er aufgehoͤrt, ihn wieder kuͤſſen hieß; So uͤberfiel die Onmacht ihre Glieder, Sie ſank mit ſtarren Augen nieder. Man
<TEI> <text> <body> <lg type="poem"> <lg> <l><pb facs="#f0036" n="32"/> Sie blickt ihn an, doch ihn zu kuͤſſen,</l><lb/> <l>Konnt ihre Furchtſamkeit ſich lange nicht entſchluͤſ-<lb/><hi rendition="#et">ſen.</hi></l><lb/> <l>Doch endlich ward er auch von ihr gekuͤßt</l><lb/> <l>Er hielt mit Großmut ſtill und bat ſie, fortzufaren.</l><lb/> <l>So ſtark auch ihre Kuͤſſe waren,</l><lb/> <l>So ſtarb er dennoch nicht. Wo bleibt der Mut-<lb/><hi rendition="#et">ter Liſt?</hi></l><lb/> <l>Die Tochter war betrogen,</l><lb/> <l>Drum fand ſie ſich gar bald, jedoch recht ſchoͤn<lb/><hi rendition="#et">belogen.</hi></l><lb/> <l>Sie ließ mit Luſt an ſich die zwote Probe machen.</l><lb/> <l>Die Tochter half nun ſelbſt der Mutter Liſt ver-<lb/><hi rendition="#et">lachen.</hi></l><lb/> <l>Sie kuͤßten ſich, und wie viel mal?</l><lb/> <l>Wer dieſes fragt,</l><lb/> <l>Der ſage mir vorher die groͤßte Zal.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Allein, bald haͤtt ich noch das wichtigſte verſchwie-<lb/><hi rendition="#et">gen:</hi></l><lb/> <l>Die Mutter ſollte ſie doch nicht zu ſtark beluͤgen,</l><lb/> <l>Denn da ſie ſich zu zaͤrtlich kuͤſſen ließ,</l><lb/> <l>Und, wenn er aufgehoͤrt, ihn wieder kuͤſſen hieß;</l><lb/> <l>So uͤberfiel die Onmacht ihre Glieder,</l><lb/> <l>Sie ſank mit ſtarren Augen nieder.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Man</fw><lb/></l> </lg> </lg> </body> </text> </TEI> [32/0036]
Sie blickt ihn an, doch ihn zu kuͤſſen,
Konnt ihre Furchtſamkeit ſich lange nicht entſchluͤſ-
ſen.
Doch endlich ward er auch von ihr gekuͤßt
Er hielt mit Großmut ſtill und bat ſie, fortzufaren.
So ſtark auch ihre Kuͤſſe waren,
So ſtarb er dennoch nicht. Wo bleibt der Mut-
ter Liſt?
Die Tochter war betrogen,
Drum fand ſie ſich gar bald, jedoch recht ſchoͤn
belogen.
Sie ließ mit Luſt an ſich die zwote Probe machen.
Die Tochter half nun ſelbſt der Mutter Liſt ver-
lachen.
Sie kuͤßten ſich, und wie viel mal?
Wer dieſes fragt,
Der ſage mir vorher die groͤßte Zal.
Allein, bald haͤtt ich noch das wichtigſte verſchwie-
gen:
Die Mutter ſollte ſie doch nicht zu ſtark beluͤgen,
Denn da ſie ſich zu zaͤrtlich kuͤſſen ließ,
Und, wenn er aufgehoͤrt, ihn wieder kuͤſſen hieß;
So uͤberfiel die Onmacht ihre Glieder,
Sie ſank mit ſtarren Augen nieder.
Man
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Zitationshilfe: | [Rost, Johann Christoph]: Schäfererzälungen. [Berlin], 1742, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_schaefererzaelungen_1742/36>, abgerufen am 27.07.2024. |