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[Rost, Johann Christoph]: Schäfererzälungen. [Berlin], 1742.

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Jhr junges Herz voll mütterlicher Triebe.
Blieb für der Macht der starken Liebe
Noch überdieß nicht lang in Ruh.
Das, was die Dichter Liebe nennen,
Empfand sie on es recht zu kennen.
Denn daß ihr Auge stets an Tirsis haften blieb,
Dieß macht ein zärtlicher ob gleich noch fremder
Trieb.

Hier wirkte schon der Stamm zur Wollust das
Gefüle;

Allein die Unschuld war doch stets dabei im Spiele;
Was kluge Mädchen gut verstehn,
Der Mutter Wachsamkeit geschickt zu hintergehn;
Den Gegenstand verstolen anzublicken,
Jn dieses konnte sich die Nimfe noch nicht schicken.
Corinne war zu klug,
Zur strengen Mutter alt genug,
Drum durfte sie hier gar nicht lange raten:
Die jungen Töchter tun, was ihre Mütter taten.
Jhr meinet nun, sie sah dieß mit Gelassenheit?
O nein, der Mütter Strengigkeit
Pflegt selten dieß den Töchtern zu verstatten,
Was sie doch selbst vor dem am liebsten hatten.
Sie
Jhr junges Herz voll muͤtterlicher Triebe.
Blieb fuͤr der Macht der ſtarken Liebe
Noch uͤberdieß nicht lang in Ruh.
Das, was die Dichter Liebe nennen,
Empfand ſie on es recht zu kennen.
Denn daß ihr Auge ſtets an Tirſis haften blieb,
Dieß macht ein zaͤrtlicher ob gleich noch fremder
Trieb.

Hier wirkte ſchon der Stamm zur Wolluſt das
Gefuͤle;

Allein die Unſchuld war doch ſtets dabei im Spiele;
Was kluge Maͤdchen gut verſtehn,
Der Mutter Wachſamkeit geſchickt zu hintergehn;
Den Gegenſtand verſtolen anzublicken,
Jn dieſes konnte ſich die Nimfe noch nicht ſchicken.
Corinne war zu klug,
Zur ſtrengen Mutter alt genug,
Drum durfte ſie hier gar nicht lange raten:
Die jungen Toͤchter tun, was ihre Muͤtter taten.
Jhr meinet nun, ſie ſah dieß mit Gelaſſenheit?
O nein, der Muͤtter Strengigkeit
Pflegt ſelten dieß den Toͤchtern zu verſtatten,
Was ſie doch ſelbſt vor dem am liebſten hatten.
Sie
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[27/0031] Jhr junges Herz voll muͤtterlicher Triebe. Blieb fuͤr der Macht der ſtarken Liebe Noch uͤberdieß nicht lang in Ruh. Das, was die Dichter Liebe nennen, Empfand ſie on es recht zu kennen. Denn daß ihr Auge ſtets an Tirſis haften blieb, Dieß macht ein zaͤrtlicher ob gleich noch fremder Trieb. Hier wirkte ſchon der Stamm zur Wolluſt das Gefuͤle; Allein die Unſchuld war doch ſtets dabei im Spiele; Was kluge Maͤdchen gut verſtehn, Der Mutter Wachſamkeit geſchickt zu hintergehn; Den Gegenſtand verſtolen anzublicken, Jn dieſes konnte ſich die Nimfe noch nicht ſchicken. Corinne war zu klug, Zur ſtrengen Mutter alt genug, Drum durfte ſie hier gar nicht lange raten: Die jungen Toͤchter tun, was ihre Muͤtter taten. Jhr meinet nun, ſie ſah dieß mit Gelaſſenheit? O nein, der Muͤtter Strengigkeit Pflegt ſelten dieß den Toͤchtern zu verſtatten, Was ſie doch ſelbſt vor dem am liebſten hatten. Sie

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Zitationshilfe: [Rost, Johann Christoph]: Schäfererzälungen. [Berlin], 1742, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_schaefererzaelungen_1742/31>, abgerufen am 28.03.2024.