Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Bodendecke ein unentbehrliches Schutzmittel, möge sie nun aus dem Nadel-
fall oder aus Moos oder aus Waldkräutern bestehen.

Wir begreifen, daß es eine schwere Sünde am Walde be-
gehen heißt, wenn man ihm seine Bodendecke nimmt.

Und diese Sünde wird auch heute noch hundertfältig begangen! Wir
verstehen nun, was es vorhin sagen wollte, als wir die Bodenstreu einen
Zankapfel zwischen Landwirthen und Forstwirthen nannten.

Die Landwirthschaft ist noch vielfältig nicht so weit vorgeschritten,
daß Getreidebau und Viehzucht mit einander in Gleichgewicht stehen, d. h.
in diesem Falle, daß der Landwirth so viel Stroh erzeugt, als er an
Streu für seine Thiere bedarf, um die nöthige Menge Dünger zu er-
zeugen. Da soll und muß nun der Wald aushelfen, er muß seine
Bodendecke zur Stallstreu hergeben und verliert dabei mehr, als der Acker
dadurch gewinnt; denn er verliert nachhaltig, während der Acker nur
vorübergehenden Nutzen zieht.

Die Ablösung der Streuservituten ist seit einigen Jahrzehenten
das stehende Kapitel in den Jahrbüchern der Forstverwaltung. In früheren
Jahrhunderten, wo der Werth des Waldes theils wirklich noch ein geringerer
war, theils für geringer galt als es hätte sein sollen, wurde ganzen
Dorfgemeinden von der Staatsgewalt das Recht des "Streurechens"
in den Staatswaldungen für alle Zeiten eingeräumt und jetzt seufzen
die räumlich und zuständlich herabgekommenen schwer unter diesem un-
rechten Rechte.

Es ist schon schlimm genug, wenn der Privatwaldbesitzer, dem man
das freie Gebahren mit seinem Eigenthum nicht beschränken will, eben
nicht angehalten werden kann, diese Waldverwüstung, die es ist, zu unter-
lassen. Wie viel schlimmer, wenn sie die Staatsforstverwaltung sich ge-
fallen lassen muß, welche sich verpflichtet fühlen soll, im Walde nicht
nur eine sichere Holzquelle, sondern in ihm auch einen der wichtigsten
meteorologischen Faktoren zu erhalten.

Gewiß, ich darf nun mit doppeltem Rechte wiederholen, daß uns der
leuchtendgrüne Moosteppich eines Fichtenwaldes mehr als eine Augen-
weide, daß er uns eine verständnißvolle Naturfreude gewähren muß.
Während es uns ergötzt, unhörbar wie auf weichem Flaum darüber hin-
zuschreiten, so denken wir nun alle dabei auch daran, daß diese Decke es

Bodendecke ein unentbehrliches Schutzmittel, möge ſie nun aus dem Nadel-
fall oder aus Moos oder aus Waldkräutern beſtehen.

Wir begreifen, daß es eine ſchwere Sünde am Walde be-
gehen heißt, wenn man ihm ſeine Bodendecke nimmt.

Und dieſe Sünde wird auch heute noch hundertfältig begangen! Wir
verſtehen nun, was es vorhin ſagen wollte, als wir die Bodenſtreu einen
Zankapfel zwiſchen Landwirthen und Forſtwirthen nannten.

Die Landwirthſchaft iſt noch vielfältig nicht ſo weit vorgeſchritten,
daß Getreidebau und Viehzucht mit einander in Gleichgewicht ſtehen, d. h.
in dieſem Falle, daß der Landwirth ſo viel Stroh erzeugt, als er an
Streu für ſeine Thiere bedarf, um die nöthige Menge Dünger zu er-
zeugen. Da ſoll und muß nun der Wald aushelfen, er muß ſeine
Bodendecke zur Stallſtreu hergeben und verliert dabei mehr, als der Acker
dadurch gewinnt; denn er verliert nachhaltig, während der Acker nur
vorübergehenden Nutzen zieht.

Die Ablöſung der Streuſervituten iſt ſeit einigen Jahrzehenten
das ſtehende Kapitel in den Jahrbüchern der Forſtverwaltung. In früheren
Jahrhunderten, wo der Werth des Waldes theils wirklich noch ein geringerer
war, theils für geringer galt als es hätte ſein ſollen, wurde ganzen
Dorfgemeinden von der Staatsgewalt das Recht des „Streurechens“
in den Staatswaldungen für alle Zeiten eingeräumt und jetzt ſeufzen
die räumlich und zuſtändlich herabgekommenen ſchwer unter dieſem un-
rechten Rechte.

Es iſt ſchon ſchlimm genug, wenn der Privatwaldbeſitzer, dem man
das freie Gebahren mit ſeinem Eigenthum nicht beſchränken will, eben
nicht angehalten werden kann, dieſe Waldverwüſtung, die es iſt, zu unter-
laſſen. Wie viel ſchlimmer, wenn ſie die Staatsforſtverwaltung ſich ge-
fallen laſſen muß, welche ſich verpflichtet fühlen ſoll, im Walde nicht
nur eine ſichere Holzquelle, ſondern in ihm auch einen der wichtigſten
meteorologiſchen Faktoren zu erhalten.

Gewiß, ich darf nun mit doppeltem Rechte wiederholen, daß uns der
leuchtendgrüne Moosteppich eines Fichtenwaldes mehr als eine Augen-
weide, daß er uns eine verſtändnißvolle Naturfreude gewähren muß.
Während es uns ergötzt, unhörbar wie auf weichem Flaum darüber hin-
zuſchreiten, ſo denken wir nun alle dabei auch daran, daß dieſe Decke es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0066" n="42"/>
Bodendecke ein unentbehrliches Schutzmittel, möge &#x017F;ie nun aus dem Nadel-<lb/>
fall oder aus Moos oder aus Waldkräutern be&#x017F;tehen.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#g">Wir begreifen, daß es eine &#x017F;chwere Sünde am Walde be-<lb/>
gehen heißt, wenn man ihm &#x017F;eine Bodendecke nimmt.</hi> </p><lb/>
          <p>Und die&#x017F;e Sünde wird auch heute noch hundertfältig begangen! Wir<lb/>
ver&#x017F;tehen nun, was es vorhin &#x017F;agen wollte, als wir die Boden&#x017F;treu einen<lb/>
Zankapfel zwi&#x017F;chen Landwirthen und For&#x017F;twirthen nannten.</p><lb/>
          <p>Die Landwirth&#x017F;chaft i&#x017F;t noch vielfältig nicht &#x017F;o weit vorge&#x017F;chritten,<lb/>
daß Getreidebau und Viehzucht mit einander in Gleichgewicht &#x017F;tehen, d. h.<lb/>
in die&#x017F;em Falle, daß der Landwirth &#x017F;o viel Stroh erzeugt, als er an<lb/>
Streu für &#x017F;eine Thiere bedarf, um die nöthige Menge Dünger zu er-<lb/>
zeugen. Da &#x017F;oll und muß nun der Wald aushelfen, er muß &#x017F;eine<lb/>
Bodendecke zur Stall&#x017F;treu hergeben und verliert dabei mehr, als der Acker<lb/>
dadurch gewinnt; denn er verliert nachhaltig, während der Acker nur<lb/>
vorübergehenden Nutzen zieht.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Ablö&#x017F;ung der Streu&#x017F;ervituten</hi> i&#x017F;t &#x017F;eit einigen Jahrzehenten<lb/>
das &#x017F;tehende Kapitel in den Jahrbüchern der For&#x017F;tverwaltung. In früheren<lb/>
Jahrhunderten, wo der Werth des Waldes theils wirklich noch ein geringerer<lb/>
war, theils für geringer galt als es hätte &#x017F;ein &#x017F;ollen, wurde ganzen<lb/>
Dorfgemeinden von der Staatsgewalt das Recht des &#x201E;Streurechens&#x201C;<lb/>
in den Staatswaldungen für alle Zeiten eingeräumt und jetzt &#x017F;eufzen<lb/>
die räumlich und zu&#x017F;tändlich herabgekommenen &#x017F;chwer unter die&#x017F;em un-<lb/>
rechten Rechte.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;chlimm genug, wenn der Privatwaldbe&#x017F;itzer, dem man<lb/>
das freie Gebahren mit &#x017F;einem Eigenthum nicht be&#x017F;chränken will, eben<lb/>
nicht angehalten werden kann, die&#x017F;e Waldverwü&#x017F;tung, die es i&#x017F;t, zu unter-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Wie viel &#x017F;chlimmer, wenn &#x017F;ie die Staatsfor&#x017F;tverwaltung &#x017F;ich ge-<lb/>
fallen la&#x017F;&#x017F;en muß, welche &#x017F;ich verpflichtet fühlen &#x017F;oll, im Walde nicht<lb/>
nur eine &#x017F;ichere Holzquelle, &#x017F;ondern in ihm auch einen der wichtig&#x017F;ten<lb/>
meteorologi&#x017F;chen Faktoren zu erhalten.</p><lb/>
          <p>Gewiß, ich darf nun mit doppeltem Rechte wiederholen, daß uns der<lb/>
leuchtendgrüne Moosteppich eines Fichtenwaldes mehr als eine Augen-<lb/>
weide, daß er uns eine ver&#x017F;tändnißvolle Naturfreude gewähren muß.<lb/>
Während es uns ergötzt, unhörbar wie auf weichem Flaum darüber hin-<lb/>
zu&#x017F;chreiten, &#x017F;o denken wir nun alle dabei auch daran, daß die&#x017F;e Decke es<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0066] Bodendecke ein unentbehrliches Schutzmittel, möge ſie nun aus dem Nadel- fall oder aus Moos oder aus Waldkräutern beſtehen. Wir begreifen, daß es eine ſchwere Sünde am Walde be- gehen heißt, wenn man ihm ſeine Bodendecke nimmt. Und dieſe Sünde wird auch heute noch hundertfältig begangen! Wir verſtehen nun, was es vorhin ſagen wollte, als wir die Bodenſtreu einen Zankapfel zwiſchen Landwirthen und Forſtwirthen nannten. Die Landwirthſchaft iſt noch vielfältig nicht ſo weit vorgeſchritten, daß Getreidebau und Viehzucht mit einander in Gleichgewicht ſtehen, d. h. in dieſem Falle, daß der Landwirth ſo viel Stroh erzeugt, als er an Streu für ſeine Thiere bedarf, um die nöthige Menge Dünger zu er- zeugen. Da ſoll und muß nun der Wald aushelfen, er muß ſeine Bodendecke zur Stallſtreu hergeben und verliert dabei mehr, als der Acker dadurch gewinnt; denn er verliert nachhaltig, während der Acker nur vorübergehenden Nutzen zieht. Die Ablöſung der Streuſervituten iſt ſeit einigen Jahrzehenten das ſtehende Kapitel in den Jahrbüchern der Forſtverwaltung. In früheren Jahrhunderten, wo der Werth des Waldes theils wirklich noch ein geringerer war, theils für geringer galt als es hätte ſein ſollen, wurde ganzen Dorfgemeinden von der Staatsgewalt das Recht des „Streurechens“ in den Staatswaldungen für alle Zeiten eingeräumt und jetzt ſeufzen die räumlich und zuſtändlich herabgekommenen ſchwer unter dieſem un- rechten Rechte. Es iſt ſchon ſchlimm genug, wenn der Privatwaldbeſitzer, dem man das freie Gebahren mit ſeinem Eigenthum nicht beſchränken will, eben nicht angehalten werden kann, dieſe Waldverwüſtung, die es iſt, zu unter- laſſen. Wie viel ſchlimmer, wenn ſie die Staatsforſtverwaltung ſich ge- fallen laſſen muß, welche ſich verpflichtet fühlen ſoll, im Walde nicht nur eine ſichere Holzquelle, ſondern in ihm auch einen der wichtigſten meteorologiſchen Faktoren zu erhalten. Gewiß, ich darf nun mit doppeltem Rechte wiederholen, daß uns der leuchtendgrüne Moosteppich eines Fichtenwaldes mehr als eine Augen- weide, daß er uns eine verſtändnißvolle Naturfreude gewähren muß. Während es uns ergötzt, unhörbar wie auf weichem Flaum darüber hin- zuſchreiten, ſo denken wir nun alle dabei auch daran, daß dieſe Decke es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/66
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/66>, abgerufen am 22.12.2024.