Von Natur kann eine solche Verschiedenheit bedingt sein durch die Bodenbeschaffenheit, durch klimatische Einflüsse und, was damit zusammen- hängt, durch die Seehöhe, Himmelsrichtung und geographische Lage. Hierzu kommen noch die Lebensgesetze der Baumgattungen selbst, welche auf das Ansehen des von diesen gebildeten Waldes einen bestimmenden Einfluß ausüben können.
Wenn man bei Hoch-, Mittel- und Niederwald auch mehr nur an die forstwirthschaftlich erstrebten drei Hauptformen des Waldes zu denken pflegt, so ist es doch denkbar und auch thatsächlich wahr, daß die Natur auch freiwillig diese drei Formen schafft, wenn schon nicht ganz in derselben wirthschaftlichen Bedeutung und scharfen Gegensätzlichkeit. Die uns bekannte Natur der Nadelhölzer, in dichtem Schluß und in inniger Vergesellschaftung unter sich zu erwachsen, bringt es mit sich, daß es von ihnen freiwillig erwachsene Hochwälder giebt, welche künstlich erzogenen an Reinheit und Gleichmäßigkeit des Bestandes nicht nachstehen. Nicht minder kann es wenigstens dem Ansehen nach natürliche Mittel- und Nieder- wälder geben. Jene würden solche sein, wo einem dichten buschigen Unter- holze -- aus Holzpflanzen bestehend, welche stets niedrig bleiben -- in weitläufiger Vertheilung hohe Bäume beigemengt sind. Fehlten solche Bäume, so würde das niedere Buschholz allein einen natürlichen Nieder- wald bilden. Wir werden bald sehen, daß diese natürlichen Mittel- und Niederwälder von den künstlich hergestellten dennoch in einem nicht un- wesentlichen Punkte verschieden sind.
Wir wissen, daß der Forstmann keinen Nadelholzniederwald haben kann (S. 357), und doch kann die Seehöhe mit der Krummholzkiefer das Bild eines solchen auf den Alpen hervorbringen.
Aber die freien Walderscheinungen dürfen wir nicht in diese drei forst- mäßigen Formen bannen. Tritt ja doch die Natur in ihren organischen Schöpfungen nirgends freier und zugleich gewaltiger auf, als im Walde.
Wie die Natur, wenn sie von menschlicher Einmischung unbehelligt bleibt, ihre Wälder bilde ist freilich in dem gegenwärtigen Deutschland kaum noch zu sehen und wir müssen, von den drei genannten Formen an sich absehend, bei einer natürlichen Unterscheidung der Waldungen sowohl von der forstmännischen Rücksicht als von den äußeren Eigenthümlichkeiten der Baumgattungen als Kriterien absehen. Wenn wir dies thun, so
Von Natur kann eine ſolche Verſchiedenheit bedingt ſein durch die Bodenbeſchaffenheit, durch klimatiſche Einflüſſe und, was damit zuſammen- hängt, durch die Seehöhe, Himmelsrichtung und geographiſche Lage. Hierzu kommen noch die Lebensgeſetze der Baumgattungen ſelbſt, welche auf das Anſehen des von dieſen gebildeten Waldes einen beſtimmenden Einfluß ausüben können.
Wenn man bei Hoch-, Mittel- und Niederwald auch mehr nur an die forſtwirthſchaftlich erſtrebten drei Hauptformen des Waldes zu denken pflegt, ſo iſt es doch denkbar und auch thatſächlich wahr, daß die Natur auch freiwillig dieſe drei Formen ſchafft, wenn ſchon nicht ganz in derſelben wirthſchaftlichen Bedeutung und ſcharfen Gegenſätzlichkeit. Die uns bekannte Natur der Nadelhölzer, in dichtem Schluß und in inniger Vergeſellſchaftung unter ſich zu erwachſen, bringt es mit ſich, daß es von ihnen freiwillig erwachſene Hochwälder giebt, welche künſtlich erzogenen an Reinheit und Gleichmäßigkeit des Beſtandes nicht nachſtehen. Nicht minder kann es wenigſtens dem Anſehen nach natürliche Mittel- und Nieder- wälder geben. Jene würden ſolche ſein, wo einem dichten buſchigen Unter- holze — aus Holzpflanzen beſtehend, welche ſtets niedrig bleiben — in weitläufiger Vertheilung hohe Bäume beigemengt ſind. Fehlten ſolche Bäume, ſo würde das niedere Buſchholz allein einen natürlichen Nieder- wald bilden. Wir werden bald ſehen, daß dieſe natürlichen Mittel- und Niederwälder von den künſtlich hergeſtellten dennoch in einem nicht un- weſentlichen Punkte verſchieden ſind.
Wir wiſſen, daß der Forſtmann keinen Nadelholzniederwald haben kann (S. 357), und doch kann die Seehöhe mit der Krummholzkiefer das Bild eines ſolchen auf den Alpen hervorbringen.
Aber die freien Walderſcheinungen dürfen wir nicht in dieſe drei forſt- mäßigen Formen bannen. Tritt ja doch die Natur in ihren organiſchen Schöpfungen nirgends freier und zugleich gewaltiger auf, als im Walde.
Wie die Natur, wenn ſie von menſchlicher Einmiſchung unbehelligt bleibt, ihre Wälder bilde iſt freilich in dem gegenwärtigen Deutſchland kaum noch zu ſehen und wir müſſen, von den drei genannten Formen an ſich abſehend, bei einer natürlichen Unterſcheidung der Waldungen ſowohl von der forſtmänniſchen Rückſicht als von den äußeren Eigenthümlichkeiten der Baumgattungen als Kriterien abſehen. Wenn wir dies thun, ſo
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Von Natur kann eine ſolche Verſchiedenheit bedingt ſein durch die
Bodenbeſchaffenheit, durch klimatiſche Einflüſſe und, was damit zuſammen-
hängt, durch die Seehöhe, Himmelsrichtung und geographiſche Lage. Hierzu
kommen noch die Lebensgeſetze der Baumgattungen ſelbſt, welche auf das
Anſehen des von dieſen gebildeten Waldes einen beſtimmenden Einfluß
ausüben können.
Wenn man bei Hoch-, Mittel- und Niederwald auch mehr nur
an die forſtwirthſchaftlich erſtrebten drei Hauptformen des Waldes zu
denken pflegt, ſo iſt es doch denkbar und auch thatſächlich wahr, daß die
Natur auch freiwillig dieſe drei Formen ſchafft, wenn ſchon nicht ganz in
derſelben wirthſchaftlichen Bedeutung und ſcharfen Gegenſätzlichkeit. Die
uns bekannte Natur der Nadelhölzer, in dichtem Schluß und in inniger
Vergeſellſchaftung unter ſich zu erwachſen, bringt es mit ſich, daß es von
ihnen freiwillig erwachſene Hochwälder giebt, welche künſtlich erzogenen
an Reinheit und Gleichmäßigkeit des Beſtandes nicht nachſtehen. Nicht
minder kann es wenigſtens dem Anſehen nach natürliche Mittel- und Nieder-
wälder geben. Jene würden ſolche ſein, wo einem dichten buſchigen Unter-
holze — aus Holzpflanzen beſtehend, welche ſtets niedrig bleiben — in
weitläufiger Vertheilung hohe Bäume beigemengt ſind. Fehlten ſolche
Bäume, ſo würde das niedere Buſchholz allein einen natürlichen Nieder-
wald bilden. Wir werden bald ſehen, daß dieſe natürlichen Mittel- und
Niederwälder von den künſtlich hergeſtellten dennoch in einem nicht un-
weſentlichen Punkte verſchieden ſind.
Wir wiſſen, daß der Forſtmann keinen Nadelholzniederwald haben
kann (S. 357), und doch kann die Seehöhe mit der Krummholzkiefer das
Bild eines ſolchen auf den Alpen hervorbringen.
Aber die freien Walderſcheinungen dürfen wir nicht in dieſe drei forſt-
mäßigen Formen bannen. Tritt ja doch die Natur in ihren organiſchen
Schöpfungen nirgends freier und zugleich gewaltiger auf, als im Walde.
Wie die Natur, wenn ſie von menſchlicher Einmiſchung unbehelligt
bleibt, ihre Wälder bilde iſt freilich in dem gegenwärtigen Deutſchland
kaum noch zu ſehen und wir müſſen, von den drei genannten Formen an
ſich abſehend, bei einer natürlichen Unterſcheidung der Waldungen ſowohl
von der forſtmänniſchen Rückſicht als von den äußeren Eigenthümlichkeiten
der Baumgattungen als Kriterien abſehen. Wenn wir dies thun, ſo
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/610>, abgerufen am 25.11.2024.
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