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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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sind; die Gefäße sind klein, zwischen den sehr zahlreichen meist sehr feinen
Markstrahlen einzeln oder paarweise oder in Längsgruppen vertheilt. Jahr-
ringe ziemlich breit und durch einen porenarmen und etwas kleinzelligeren
hellen Herbstholzring deutlich bezeichnet. Die Farbe ist hell weißgelblich
ohne Unterschied zwischen Kern und Splint; leicht und den Jahrringen
folgend rinnenförmig spaltend; brennt lebhaft mit ruhiger Flamme; im
Wasser nicht, aber trocken im Freien dauerhaft.

Der Standort der Winterlinde ist der mehr frische als trockne
Waldboden der niederen Vorberge und der Ebenen. Sie ist über ganz
Deutschland bis weit nach Nordosten verbreitet.

Das Leben der Winterlinde hat als Grundzug eine große Wider-
standskraft gegen allerlei Unbilden ihres Standorts und zeigt auch von
Jugend an ein freudiges Wachsthum, was bis in ein höheres Alter als
bei irgend einem andern Laubholze aushält. Die Krone verdichtet sich
dabei immer mehr und bildet, was unser Baumbild sehr gut wiedergiebt,
breitgezogene wolkenähnliche Laubmassen, welche aus der Ferne das Geäst
meist ganz verhüllen. Sowohl am Stamm als am Stock hat die Linde
ein großes Ausschlagsvermögen und bildet daher am Stamm und am
Stocke oft große Maserknoten. Ohne Zweifel ist die große süßduftende
Blüthenfülle, welche die Linde fast jedes Jahr spendet, der Grund, daß
ihre Astspitzen niedergezogen werden und so der vorhin angegebene archi-
tektonische Charakter bleibend wird. Das Ausästen und Beschneiden erträgt
die Linde sehr gut und die zuweilen außerordentlich langen und üppigen
Stocklohden treiben oft sehr abenteuerlich gestaltete, zuweilen manchen
Rebensorten sehr ähnliche dreilappige Blätter.

Unter allen unseren deutschen Bäumen kann die Linde das höchste
Alter erreichen. Wir werden weiter unten einige Beispiele kennen lernen.

Von Krankheiten und Feinden leidet die Linde kaum, außer daß
Wild und Weidevieh ihre pflanzenschleimreichen Triebe gern abnagt.
Sehr alte Bäume sind allerdings meist kernfaul, obgleich man auch ganz
gesunde kennt, die ein Alter von 400 -- 500 Jahren haben mögen.

Der von aller Welt hochgeschätzte Baum hat für den deutschen Forst-
mann dennoch nur eine untergeordnete Bedeutung und ist daher bei uns
kaum der Gegenstand einer forstwirthschaftlichen Behandlung.
Bestandbildend kommt die Linde in Deutschland wohl nirgends vor, ob-

ſind; die Gefäße ſind klein, zwiſchen den ſehr zahlreichen meiſt ſehr feinen
Markſtrahlen einzeln oder paarweiſe oder in Längsgruppen vertheilt. Jahr-
ringe ziemlich breit und durch einen porenarmen und etwas kleinzelligeren
hellen Herbſtholzring deutlich bezeichnet. Die Farbe iſt hell weißgelblich
ohne Unterſchied zwiſchen Kern und Splint; leicht und den Jahrringen
folgend rinnenförmig ſpaltend; brennt lebhaft mit ruhiger Flamme; im
Waſſer nicht, aber trocken im Freien dauerhaft.

Der Standort der Winterlinde iſt der mehr friſche als trockne
Waldboden der niederen Vorberge und der Ebenen. Sie iſt über ganz
Deutſchland bis weit nach Nordoſten verbreitet.

Das Leben der Winterlinde hat als Grundzug eine große Wider-
ſtandskraft gegen allerlei Unbilden ihres Standorts und zeigt auch von
Jugend an ein freudiges Wachsthum, was bis in ein höheres Alter als
bei irgend einem andern Laubholze aushält. Die Krone verdichtet ſich
dabei immer mehr und bildet, was unſer Baumbild ſehr gut wiedergiebt,
breitgezogene wolkenähnliche Laubmaſſen, welche aus der Ferne das Geäſt
meiſt ganz verhüllen. Sowohl am Stamm als am Stock hat die Linde
ein großes Ausſchlagsvermögen und bildet daher am Stamm und am
Stocke oft große Maſerknoten. Ohne Zweifel iſt die große ſüßduftende
Blüthenfülle, welche die Linde faſt jedes Jahr ſpendet, der Grund, daß
ihre Aſtſpitzen niedergezogen werden und ſo der vorhin angegebene archi-
tektoniſche Charakter bleibend wird. Das Ausäſten und Beſchneiden erträgt
die Linde ſehr gut und die zuweilen außerordentlich langen und üppigen
Stocklohden treiben oft ſehr abenteuerlich geſtaltete, zuweilen manchen
Rebenſorten ſehr ähnliche dreilappige Blätter.

Unter allen unſeren deutſchen Bäumen kann die Linde das höchſte
Alter erreichen. Wir werden weiter unten einige Beiſpiele kennen lernen.

Von Krankheiten und Feinden leidet die Linde kaum, außer daß
Wild und Weidevieh ihre pflanzenſchleimreichen Triebe gern abnagt.
Sehr alte Bäume ſind allerdings meiſt kernfaul, obgleich man auch ganz
geſunde kennt, die ein Alter von 400 — 500 Jahren haben mögen.

Der von aller Welt hochgeſchätzte Baum hat für den deutſchen Forſt-
mann dennoch nur eine untergeordnete Bedeutung und iſt daher bei uns
kaum der Gegenſtand einer forſtwirthſchaftlichen Behandlung.
Beſtandbildend kommt die Linde in Deutſchland wohl nirgends vor, ob-

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[540/0596] ſind; die Gefäße ſind klein, zwiſchen den ſehr zahlreichen meiſt ſehr feinen Markſtrahlen einzeln oder paarweiſe oder in Längsgruppen vertheilt. Jahr- ringe ziemlich breit und durch einen porenarmen und etwas kleinzelligeren hellen Herbſtholzring deutlich bezeichnet. Die Farbe iſt hell weißgelblich ohne Unterſchied zwiſchen Kern und Splint; leicht und den Jahrringen folgend rinnenförmig ſpaltend; brennt lebhaft mit ruhiger Flamme; im Waſſer nicht, aber trocken im Freien dauerhaft. Der Standort der Winterlinde iſt der mehr friſche als trockne Waldboden der niederen Vorberge und der Ebenen. Sie iſt über ganz Deutſchland bis weit nach Nordoſten verbreitet. Das Leben der Winterlinde hat als Grundzug eine große Wider- ſtandskraft gegen allerlei Unbilden ihres Standorts und zeigt auch von Jugend an ein freudiges Wachsthum, was bis in ein höheres Alter als bei irgend einem andern Laubholze aushält. Die Krone verdichtet ſich dabei immer mehr und bildet, was unſer Baumbild ſehr gut wiedergiebt, breitgezogene wolkenähnliche Laubmaſſen, welche aus der Ferne das Geäſt meiſt ganz verhüllen. Sowohl am Stamm als am Stock hat die Linde ein großes Ausſchlagsvermögen und bildet daher am Stamm und am Stocke oft große Maſerknoten. Ohne Zweifel iſt die große ſüßduftende Blüthenfülle, welche die Linde faſt jedes Jahr ſpendet, der Grund, daß ihre Aſtſpitzen niedergezogen werden und ſo der vorhin angegebene archi- tektoniſche Charakter bleibend wird. Das Ausäſten und Beſchneiden erträgt die Linde ſehr gut und die zuweilen außerordentlich langen und üppigen Stocklohden treiben oft ſehr abenteuerlich geſtaltete, zuweilen manchen Rebenſorten ſehr ähnliche dreilappige Blätter. Unter allen unſeren deutſchen Bäumen kann die Linde das höchſte Alter erreichen. Wir werden weiter unten einige Beiſpiele kennen lernen. Von Krankheiten und Feinden leidet die Linde kaum, außer daß Wild und Weidevieh ihre pflanzenſchleimreichen Triebe gern abnagt. Sehr alte Bäume ſind allerdings meiſt kernfaul, obgleich man auch ganz geſunde kennt, die ein Alter von 400 — 500 Jahren haben mögen. Der von aller Welt hochgeſchätzte Baum hat für den deutſchen Forſt- mann dennoch nur eine untergeordnete Bedeutung und iſt daher bei uns kaum der Gegenſtand einer forſtwirthſchaftlichen Behandlung. Beſtandbildend kommt die Linde in Deutſchland wohl nirgends vor, ob-

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/596>, abgerufen am 17.06.2024.