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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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abgerundete Lappen zerfällt, deren jederseits nicht leicht mehr als 5 vor-
handen sind. Der Blattstiel ist sehr kurz und an ihm zieht sich beider-
seits die Blattsubstanz etwas in einen gerundeten kleinen Lappen abwärts,
so daß die verschmälerte Blattbasis etwas herzförmig und dadurch der
Blattstiel fast verhüllt wird und das Blatt fast ein sitzendes (d. h. un-
gestieltes) zu sein scheint. Diese an sich schon unregelmäßige Form des
Eichenblattes zeigt noch eine große Menge von Verschiedenheiten, die
namentlich an frischen Stockausschlägen bis zu den abenteuerlichsten Ge-
stalten geht. Die Farbe des Stiel-Eichenblattes ist auf der Oberseite
ein sehr tiefes Grün und wird hierin wohl allein von dem auf der Ober-
seite noch dunklerem Blatt der Silberpappel übertroffen. Die Unterseite
ist merklich heller gefärbt. Das junge noch nicht ausgewachsene zarte
Laub zeigt eine hellbräunlichgrüne Farbe und wird beim Trocknen dunkel
schwarzbraun, während das reife Laub dann mehr ergraut und sich kräuselt.

Die Eiche ist eine von den wenigen Pflanzen, welche beim Keimen
die Samenlappen im Boden läßt und blos den Stammkeim emportreibt,
während der Wurzelkeim eine tief eindringende Pfahlwurzel bildet, der
sich aber bald Adventivwurzeln ansetzen. Das Stämmchen der Keim-
pflanze
ist mit einigen Niederblättern besetzt und entwickelt erst wenn
es etwa 3--4 Zoll lang ist an seiner Spitze einen ebenen Strauß von
4--5 Blättern, welche den alten Stammblättern an Größe kaum nachstehen.

Der Stamm der Eiche ist im höheren Alter mit einer mächtigen,
tiefrissigen Borkenschicht bekleidet, während er in der ersten Periode, etwa
bis 50 Jahr, sich lange glatt und selbst glänzend erhält und eine grüngraue
Farbe hat, auf der sich fast immer je nach dem Feuchtigkeitsgehalte der
Luft seines Standortes die fast blos wie gemalten Landkarten der Rinden-
flechten, namentlich Graphis-Arten, zeigen. Je nach der Beschaffenheit
seiner Wurzel zeigt der Eichenstamm eine reine kreisrunde Basis oder er
steht wie auf einem Fuße von starken Strebepfeilern, den Abzweigungen
der Hauptseitenwurzeln vom Stocke, zwischen denen nicht selten lehnstuhl-
artige lauschige Plätzchen sich einbuchten. Letztere Erscheinung deutet
darauf, daß die Pfahlwurzel todt ist und dafür desto mehr die Seiten-
wurzeln sich entwickelten. In den meisten Fällen mag dann der Stamm
kernfaul sein. Es kommt sehr auf den Standort und den Schluß an,
in welchem der Stamm erwuchs, ob er sehr gerad- und hochschaftig und

abgerundete Lappen zerfällt, deren jederſeits nicht leicht mehr als 5 vor-
handen ſind. Der Blattſtiel iſt ſehr kurz und an ihm zieht ſich beider-
ſeits die Blattſubſtanz etwas in einen gerundeten kleinen Lappen abwärts,
ſo daß die verſchmälerte Blattbaſis etwas herzförmig und dadurch der
Blattſtiel faſt verhüllt wird und das Blatt faſt ein ſitzendes (d. h. un-
geſtieltes) zu ſein ſcheint. Dieſe an ſich ſchon unregelmäßige Form des
Eichenblattes zeigt noch eine große Menge von Verſchiedenheiten, die
namentlich an friſchen Stockausſchlägen bis zu den abenteuerlichſten Ge-
ſtalten geht. Die Farbe des Stiel-Eichenblattes iſt auf der Oberſeite
ein ſehr tiefes Grün und wird hierin wohl allein von dem auf der Ober-
ſeite noch dunklerem Blatt der Silberpappel übertroffen. Die Unterſeite
iſt merklich heller gefärbt. Das junge noch nicht ausgewachſene zarte
Laub zeigt eine hellbräunlichgrüne Farbe und wird beim Trocknen dunkel
ſchwarzbraun, während das reife Laub dann mehr ergraut und ſich kräuſelt.

Die Eiche iſt eine von den wenigen Pflanzen, welche beim Keimen
die Samenlappen im Boden läßt und blos den Stammkeim emportreibt,
während der Wurzelkeim eine tief eindringende Pfahlwurzel bildet, der
ſich aber bald Adventivwurzeln anſetzen. Das Stämmchen der Keim-
pflanze
iſt mit einigen Niederblättern beſetzt und entwickelt erſt wenn
es etwa 3—4 Zoll lang iſt an ſeiner Spitze einen ebenen Strauß von
4—5 Blättern, welche den alten Stammblättern an Größe kaum nachſtehen.

Der Stamm der Eiche iſt im höheren Alter mit einer mächtigen,
tiefriſſigen Borkenſchicht bekleidet, während er in der erſten Periode, etwa
bis 50 Jahr, ſich lange glatt und ſelbſt glänzend erhält und eine grüngraue
Farbe hat, auf der ſich faſt immer je nach dem Feuchtigkeitsgehalte der
Luft ſeines Standortes die faſt blos wie gemalten Landkarten der Rinden-
flechten, namentlich Graphis-Arten, zeigen. Je nach der Beſchaffenheit
ſeiner Wurzel zeigt der Eichenſtamm eine reine kreisrunde Baſis oder er
ſteht wie auf einem Fuße von ſtarken Strebepfeilern, den Abzweigungen
der Hauptſeitenwurzeln vom Stocke, zwiſchen denen nicht ſelten lehnſtuhl-
artige lauſchige Plätzchen ſich einbuchten. Letztere Erſcheinung deutet
darauf, daß die Pfahlwurzel todt iſt und dafür deſto mehr die Seiten-
wurzeln ſich entwickelten. In den meiſten Fällen mag dann der Stamm
kernfaul ſein. Es kommt ſehr auf den Standort und den Schluß an,
in welchem der Stamm erwuchs, ob er ſehr gerad- und hochſchaftig und

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[384/0418] abgerundete Lappen zerfällt, deren jederſeits nicht leicht mehr als 5 vor- handen ſind. Der Blattſtiel iſt ſehr kurz und an ihm zieht ſich beider- ſeits die Blattſubſtanz etwas in einen gerundeten kleinen Lappen abwärts, ſo daß die verſchmälerte Blattbaſis etwas herzförmig und dadurch der Blattſtiel faſt verhüllt wird und das Blatt faſt ein ſitzendes (d. h. un- geſtieltes) zu ſein ſcheint. Dieſe an ſich ſchon unregelmäßige Form des Eichenblattes zeigt noch eine große Menge von Verſchiedenheiten, die namentlich an friſchen Stockausſchlägen bis zu den abenteuerlichſten Ge- ſtalten geht. Die Farbe des Stiel-Eichenblattes iſt auf der Oberſeite ein ſehr tiefes Grün und wird hierin wohl allein von dem auf der Ober- ſeite noch dunklerem Blatt der Silberpappel übertroffen. Die Unterſeite iſt merklich heller gefärbt. Das junge noch nicht ausgewachſene zarte Laub zeigt eine hellbräunlichgrüne Farbe und wird beim Trocknen dunkel ſchwarzbraun, während das reife Laub dann mehr ergraut und ſich kräuſelt. Die Eiche iſt eine von den wenigen Pflanzen, welche beim Keimen die Samenlappen im Boden läßt und blos den Stammkeim emportreibt, während der Wurzelkeim eine tief eindringende Pfahlwurzel bildet, der ſich aber bald Adventivwurzeln anſetzen. Das Stämmchen der Keim- pflanze iſt mit einigen Niederblättern beſetzt und entwickelt erſt wenn es etwa 3—4 Zoll lang iſt an ſeiner Spitze einen ebenen Strauß von 4—5 Blättern, welche den alten Stammblättern an Größe kaum nachſtehen. Der Stamm der Eiche iſt im höheren Alter mit einer mächtigen, tiefriſſigen Borkenſchicht bekleidet, während er in der erſten Periode, etwa bis 50 Jahr, ſich lange glatt und ſelbſt glänzend erhält und eine grüngraue Farbe hat, auf der ſich faſt immer je nach dem Feuchtigkeitsgehalte der Luft ſeines Standortes die faſt blos wie gemalten Landkarten der Rinden- flechten, namentlich Graphis-Arten, zeigen. Je nach der Beſchaffenheit ſeiner Wurzel zeigt der Eichenſtamm eine reine kreisrunde Baſis oder er ſteht wie auf einem Fuße von ſtarken Strebepfeilern, den Abzweigungen der Hauptſeitenwurzeln vom Stocke, zwiſchen denen nicht ſelten lehnſtuhl- artige lauſchige Plätzchen ſich einbuchten. Letztere Erſcheinung deutet darauf, daß die Pfahlwurzel todt iſt und dafür deſto mehr die Seiten- wurzeln ſich entwickelten. In den meiſten Fällen mag dann der Stamm kernfaul ſein. Es kommt ſehr auf den Standort und den Schluß an, in welchem der Stamm erwuchs, ob er ſehr gerad- und hochſchaftig und

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/418>, abgerufen am 23.11.2024.