bis etwa zu 10--12 Fuß Höhe der Buche ein buschiges Ansehen ver- leihen. Dann fängt das Stämmchen an sich seiner unteren Aeste zu entledigen. Wächst alsdann das Bäumchen im ganz freien oder wenigstens sehr räumlichen Stande zum alten Baume heran, so bleibt der Stamm niedrig, indem er sich nicht hoch hinauf reinigt und eine sehr bedeutende reichästige weitausgreifende Krone bekommt. Solche Buchen erreichen selten eine Höhe von mehr als 50--60 Fuß. In angemessenem Schlusse wird die Buche aber viel höher und bekommt einen langen ast- reinen Schaft.
Bei dem Ausschlagen des Laubes, was in Deutschland in der ersten Woche des Mai stattfindet, zeigt sich eine auffallende unerklärliche Un- gleichheit, indem immer der eine oder andere Baum, und zwar alljährlich entweder einige Tage früher oder später seine Blätter hervortreibt. Dies geschieht in der Weise, daß die Blätter eines Triebes eine kurze Zeit lang einen zierlichen Trichter bilden (S. 165, XXII.). In auffallend kurzer Zeit schiebt sich der Trieb in seiner ganzen Länge mit allen seinen Blättern fast möchte man sagen in übereilter Hast hervor, so daß er, was bei keinem andern Laubholzbaume der Fall ist, schlaff und wie ver- welkt überhängt. Aber nach wenig Tagen wird der Trieb straff und gerade oder vielmehr nimmt die oben beschriebenen knieartigen Biegungen von Blatt zu Blatt an. Dabei zeigt sich bei der Buche neben anderen Baumarten eine schon (S. 80 und 169) kurz berührte Wachsthums-Er- scheinung am meisten in das Auge fallend, welche noch einige nähere Hervorhebung verdient. Wir sind von den Weiden und andern Bäumen her gewöhnt, wenigstens die meisten ihrer Triebe das ganze Jahr hin- durch an der Spitze fortwachsen und neue Blätter treiben zu sehen. Dieses Triebwachsthum vollendet die Buche in wenigen, selten in mehr als 8--10 Tagen. Alle in der Knospe an dem Triebkeime ansitzenden Blättchen sind von nahezu gleicher Entwicklung und kommen auch in der angegebenen kurzen Zeit alle zugleich zur vollendeten Ausbildung. Das unterste Blatt des längsten Buchentriebes ist kaum um einige Tage älter als das oberste. In diesem so früh fertigen Zustande der Trieb- und Laubvollendung bleibt die Buche bis zu der Zeit des sogenannten August- oder zweiten Triebes. Dann scheint sich in einzelnen Trieben, namentlich Langtrieben und vorzugsweise in der Endknospe, ein neues
bis etwa zu 10—12 Fuß Höhe der Buche ein buſchiges Anſehen ver- leihen. Dann fängt das Stämmchen an ſich ſeiner unteren Aeſte zu entledigen. Wächſt alsdann das Bäumchen im ganz freien oder wenigſtens ſehr räumlichen Stande zum alten Baume heran, ſo bleibt der Stamm niedrig, indem er ſich nicht hoch hinauf reinigt und eine ſehr bedeutende reichäſtige weitausgreifende Krone bekommt. Solche Buchen erreichen ſelten eine Höhe von mehr als 50—60 Fuß. In angemeſſenem Schluſſe wird die Buche aber viel höher und bekommt einen langen aſt- reinen Schaft.
Bei dem Ausſchlagen des Laubes, was in Deutſchland in der erſten Woche des Mai ſtattfindet, zeigt ſich eine auffallende unerklärliche Un- gleichheit, indem immer der eine oder andere Baum, und zwar alljährlich entweder einige Tage früher oder ſpäter ſeine Blätter hervortreibt. Dies geſchieht in der Weiſe, daß die Blätter eines Triebes eine kurze Zeit lang einen zierlichen Trichter bilden (S. 165, XXII.). In auffallend kurzer Zeit ſchiebt ſich der Trieb in ſeiner ganzen Länge mit allen ſeinen Blättern faſt möchte man ſagen in übereilter Haſt hervor, ſo daß er, was bei keinem andern Laubholzbaume der Fall iſt, ſchlaff und wie ver- welkt überhängt. Aber nach wenig Tagen wird der Trieb ſtraff und gerade oder vielmehr nimmt die oben beſchriebenen knieartigen Biegungen von Blatt zu Blatt an. Dabei zeigt ſich bei der Buche neben anderen Baumarten eine ſchon (S. 80 und 169) kurz berührte Wachsthums-Er- ſcheinung am meiſten in das Auge fallend, welche noch einige nähere Hervorhebung verdient. Wir ſind von den Weiden und andern Bäumen her gewöhnt, wenigſtens die meiſten ihrer Triebe das ganze Jahr hin- durch an der Spitze fortwachſen und neue Blätter treiben zu ſehen. Dieſes Triebwachsthum vollendet die Buche in wenigen, ſelten in mehr als 8—10 Tagen. Alle in der Knospe an dem Triebkeime anſitzenden Blättchen ſind von nahezu gleicher Entwicklung und kommen auch in der angegebenen kurzen Zeit alle zugleich zur vollendeten Ausbildung. Das unterſte Blatt des längſten Buchentriebes iſt kaum um einige Tage älter als das oberſte. In dieſem ſo früh fertigen Zuſtande der Trieb- und Laubvollendung bleibt die Buche bis zu der Zeit des ſogenannten Auguſt- oder zweiten Triebes. Dann ſcheint ſich in einzelnen Trieben, namentlich Langtrieben und vorzugsweiſe in der Endknospe, ein neues
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0410"n="376"/>
bis etwa zu 10—12 Fuß Höhe der Buche ein buſchiges Anſehen ver-<lb/>
leihen. Dann fängt das Stämmchen an ſich ſeiner unteren Aeſte zu<lb/>
entledigen. Wächſt alsdann das Bäumchen im ganz freien oder wenigſtens<lb/>ſehr räumlichen Stande zum alten Baume heran, ſo bleibt der Stamm<lb/>
niedrig, indem er ſich nicht hoch hinauf reinigt und eine ſehr bedeutende<lb/>
reichäſtige weitausgreifende Krone bekommt. Solche Buchen erreichen<lb/>ſelten eine Höhe von mehr als 50—60 Fuß. In angemeſſenem<lb/>
Schluſſe wird die Buche aber viel höher und bekommt einen langen aſt-<lb/>
reinen Schaft.</p><lb/><p>Bei dem Ausſchlagen des Laubes, was in Deutſchland in der erſten<lb/>
Woche des Mai ſtattfindet, zeigt ſich eine auffallende unerklärliche Un-<lb/>
gleichheit, indem immer der eine oder andere Baum, und zwar alljährlich<lb/>
entweder einige Tage früher oder ſpäter ſeine Blätter hervortreibt. Dies<lb/>
geſchieht in der Weiſe, daß die Blätter eines Triebes eine kurze Zeit<lb/>
lang einen zierlichen Trichter bilden (S. 165, <hirendition="#aq">XXII.</hi>). In auffallend<lb/>
kurzer Zeit ſchiebt ſich der Trieb in ſeiner ganzen Länge mit allen ſeinen<lb/>
Blättern faſt möchte man ſagen in übereilter Haſt hervor, ſo daß er,<lb/>
was bei keinem andern Laubholzbaume der Fall iſt, ſchlaff und wie ver-<lb/>
welkt überhängt. Aber nach wenig Tagen wird der Trieb ſtraff und<lb/>
gerade oder vielmehr nimmt die oben beſchriebenen knieartigen Biegungen<lb/>
von Blatt zu Blatt an. Dabei zeigt ſich bei der Buche neben anderen<lb/>
Baumarten eine ſchon (S. 80 und 169) kurz berührte Wachsthums-Er-<lb/>ſcheinung am meiſten in das Auge fallend, welche noch einige nähere<lb/>
Hervorhebung verdient. Wir ſind von den Weiden und andern Bäumen<lb/>
her gewöhnt, wenigſtens die meiſten ihrer Triebe das ganze Jahr hin-<lb/>
durch an der Spitze fortwachſen und neue Blätter treiben zu ſehen.<lb/>
Dieſes Triebwachsthum vollendet die Buche in wenigen, ſelten in mehr<lb/>
als 8—10 Tagen. Alle in der Knospe an dem Triebkeime anſitzenden<lb/>
Blättchen ſind von nahezu gleicher Entwicklung und kommen auch in<lb/>
der angegebenen kurzen Zeit alle zugleich zur vollendeten Ausbildung.<lb/>
Das unterſte Blatt des längſten Buchentriebes iſt kaum um einige Tage<lb/>
älter als das oberſte. In dieſem ſo früh fertigen Zuſtande der Trieb-<lb/>
und Laubvollendung bleibt die Buche bis zu der Zeit des ſogenannten<lb/>
Auguſt- oder zweiten Triebes. Dann ſcheint ſich in einzelnen Trieben,<lb/>
namentlich Langtrieben und vorzugsweiſe in der Endknospe, ein neues<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[376/0410]
bis etwa zu 10—12 Fuß Höhe der Buche ein buſchiges Anſehen ver-
leihen. Dann fängt das Stämmchen an ſich ſeiner unteren Aeſte zu
entledigen. Wächſt alsdann das Bäumchen im ganz freien oder wenigſtens
ſehr räumlichen Stande zum alten Baume heran, ſo bleibt der Stamm
niedrig, indem er ſich nicht hoch hinauf reinigt und eine ſehr bedeutende
reichäſtige weitausgreifende Krone bekommt. Solche Buchen erreichen
ſelten eine Höhe von mehr als 50—60 Fuß. In angemeſſenem
Schluſſe wird die Buche aber viel höher und bekommt einen langen aſt-
reinen Schaft.
Bei dem Ausſchlagen des Laubes, was in Deutſchland in der erſten
Woche des Mai ſtattfindet, zeigt ſich eine auffallende unerklärliche Un-
gleichheit, indem immer der eine oder andere Baum, und zwar alljährlich
entweder einige Tage früher oder ſpäter ſeine Blätter hervortreibt. Dies
geſchieht in der Weiſe, daß die Blätter eines Triebes eine kurze Zeit
lang einen zierlichen Trichter bilden (S. 165, XXII.). In auffallend
kurzer Zeit ſchiebt ſich der Trieb in ſeiner ganzen Länge mit allen ſeinen
Blättern faſt möchte man ſagen in übereilter Haſt hervor, ſo daß er,
was bei keinem andern Laubholzbaume der Fall iſt, ſchlaff und wie ver-
welkt überhängt. Aber nach wenig Tagen wird der Trieb ſtraff und
gerade oder vielmehr nimmt die oben beſchriebenen knieartigen Biegungen
von Blatt zu Blatt an. Dabei zeigt ſich bei der Buche neben anderen
Baumarten eine ſchon (S. 80 und 169) kurz berührte Wachsthums-Er-
ſcheinung am meiſten in das Auge fallend, welche noch einige nähere
Hervorhebung verdient. Wir ſind von den Weiden und andern Bäumen
her gewöhnt, wenigſtens die meiſten ihrer Triebe das ganze Jahr hin-
durch an der Spitze fortwachſen und neue Blätter treiben zu ſehen.
Dieſes Triebwachsthum vollendet die Buche in wenigen, ſelten in mehr
als 8—10 Tagen. Alle in der Knospe an dem Triebkeime anſitzenden
Blättchen ſind von nahezu gleicher Entwicklung und kommen auch in
der angegebenen kurzen Zeit alle zugleich zur vollendeten Ausbildung.
Das unterſte Blatt des längſten Buchentriebes iſt kaum um einige Tage
älter als das oberſte. In dieſem ſo früh fertigen Zuſtande der Trieb-
und Laubvollendung bleibt die Buche bis zu der Zeit des ſogenannten
Auguſt- oder zweiten Triebes. Dann ſcheint ſich in einzelnen Trieben,
namentlich Langtrieben und vorzugsweiſe in der Endknospe, ein neues
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/410>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.