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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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dafür spricht, daß die Linde in früherer Zeit viel mehr als die Eiche
mit dem Volksgeiste verwachsen gewesen sein mag.

Immergrüne Waldbäume, deren der Süden Europas eine ziemliche
Anzahl hat, fehlen uns dennoch nicht ganz; denn die sogenannte Stech-
palme oder Hülse, Ilex aquifolium, die z. B. im Schwarzwalde bis
12 und 16 Fuß hohe Bäumchen bildet, ist bekanntlich immergrün.
Uebrigens entbehren wir durch den Mangel immergrüner Waldbäume
nach meinem Geschmack nichts. Von den in Spanien von mir an-
getroffenen sind im Winter nur der Johannisbrodbaum, Ceratonia siliqua,
die Orangen -- keine Waldbäume -- und der, nicht eigentlich zu einem
Baume erwachsende, Buchsbaum wirklich grün zu nennen, während die
vielen immergrünen Eichen und der Oelbaum eine unschöne grüngraue
Winterfärbung haben, die nichts weiter leistet, als die gründliche Ver-
schiedenheit von Winter und Sommer, welche unserer deutschen Natur
ihren Reiz verleiht, zu verwischen, so daß man dort nicht recht weiß,
was man aus dem sogenannten Winter machen soll.

Hinsichtlich ihrer Lebensenergie, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist,
kann man die Laubhölzer in schnellwachsende und in langsamwachsende,
in solche, welche sehr ausschlagsfähig und in solche, welche dies weniger
sind, eintheilen. Diese Verschiedenheit übt natürlich einen Einfluß auf
ihre forstliche Behandlung aus. Die wenig ausschlagsfähige Buche wird
viel weniger im Niederwalde erzogen als Eiche und Hornbaum.

In den nachfolgenden Beschreibungen der einzelnen Laubbäume
lassen wir uns bei deren Aufzählung von der systematischen Stufenfolge
und von der forstlichen Bedeutung zugleich leiten, jene einigermaaßen
durch letztere in der innern Gliederung abändernd.


dafür ſpricht, daß die Linde in früherer Zeit viel mehr als die Eiche
mit dem Volksgeiſte verwachſen geweſen ſein mag.

Immergrüne Waldbäume, deren der Süden Europas eine ziemliche
Anzahl hat, fehlen uns dennoch nicht ganz; denn die ſogenannte Stech-
palme oder Hülſe, Ilex aquifolium, die z. B. im Schwarzwalde bis
12 und 16 Fuß hohe Bäumchen bildet, iſt bekanntlich immergrün.
Uebrigens entbehren wir durch den Mangel immergrüner Waldbäume
nach meinem Geſchmack nichts. Von den in Spanien von mir an-
getroffenen ſind im Winter nur der Johannisbrodbaum, Ceratonia siliqua,
die Orangen — keine Waldbäume — und der, nicht eigentlich zu einem
Baume erwachſende, Buchsbaum wirklich grün zu nennen, während die
vielen immergrünen Eichen und der Oelbaum eine unſchöne grüngraue
Winterfärbung haben, die nichts weiter leiſtet, als die gründliche Ver-
ſchiedenheit von Winter und Sommer, welche unſerer deutſchen Natur
ihren Reiz verleiht, zu verwiſchen, ſo daß man dort nicht recht weiß,
was man aus dem ſogenannten Winter machen ſoll.

Hinſichtlich ihrer Lebensenergie, wenn dieſer Ausdruck erlaubt iſt,
kann man die Laubhölzer in ſchnellwachſende und in langſamwachſende,
in ſolche, welche ſehr ausſchlagsfähig und in ſolche, welche dies weniger
ſind, eintheilen. Dieſe Verſchiedenheit übt natürlich einen Einfluß auf
ihre forſtliche Behandlung aus. Die wenig ausſchlagsfähige Buche wird
viel weniger im Niederwalde erzogen als Eiche und Hornbaum.

In den nachfolgenden Beſchreibungen der einzelnen Laubbäume
laſſen wir uns bei deren Aufzählung von der ſyſtematiſchen Stufenfolge
und von der forſtlichen Bedeutung zugleich leiten, jene einigermaaßen
durch letztere in der innern Gliederung abändernd.


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[364/0398] dafür ſpricht, daß die Linde in früherer Zeit viel mehr als die Eiche mit dem Volksgeiſte verwachſen geweſen ſein mag. Immergrüne Waldbäume, deren der Süden Europas eine ziemliche Anzahl hat, fehlen uns dennoch nicht ganz; denn die ſogenannte Stech- palme oder Hülſe, Ilex aquifolium, die z. B. im Schwarzwalde bis 12 und 16 Fuß hohe Bäumchen bildet, iſt bekanntlich immergrün. Uebrigens entbehren wir durch den Mangel immergrüner Waldbäume nach meinem Geſchmack nichts. Von den in Spanien von mir an- getroffenen ſind im Winter nur der Johannisbrodbaum, Ceratonia siliqua, die Orangen — keine Waldbäume — und der, nicht eigentlich zu einem Baume erwachſende, Buchsbaum wirklich grün zu nennen, während die vielen immergrünen Eichen und der Oelbaum eine unſchöne grüngraue Winterfärbung haben, die nichts weiter leiſtet, als die gründliche Ver- ſchiedenheit von Winter und Sommer, welche unſerer deutſchen Natur ihren Reiz verleiht, zu verwiſchen, ſo daß man dort nicht recht weiß, was man aus dem ſogenannten Winter machen ſoll. Hinſichtlich ihrer Lebensenergie, wenn dieſer Ausdruck erlaubt iſt, kann man die Laubhölzer in ſchnellwachſende und in langſamwachſende, in ſolche, welche ſehr ausſchlagsfähig und in ſolche, welche dies weniger ſind, eintheilen. Dieſe Verſchiedenheit übt natürlich einen Einfluß auf ihre forſtliche Behandlung aus. Die wenig ausſchlagsfähige Buche wird viel weniger im Niederwalde erzogen als Eiche und Hornbaum. In den nachfolgenden Beſchreibungen der einzelnen Laubbäume laſſen wir uns bei deren Aufzählung von der ſyſtematiſchen Stufenfolge und von der forſtlichen Bedeutung zugleich leiten, jene einigermaaßen durch letztere in der innern Gliederung abändernd.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/398>, abgerufen am 15.06.2024.