Abgesehen von der freieren Bauart der Laub-Kronen, welche eine größere Manchfaltigkeit der Waldbilder hervorbringt, wird diese noch wesentlich unterstützt durch die große Abwechslung der Gestalten, welche zwischen einem Busch des Niederwaldes und einem majestätischen Baume des Hochwaldes, als ihren beiden Endpunkten, liegt.
Keine Laubholzart verträgt einen so dichten Schluß wie die Nadel- hölzer, keine, vielleicht allein die Buche ausgenommen, unterdrückt den Unterwuchs an Kräutern und Gesträuchen so vollkommen, wie dies die Nadelbäume, namentlich die Fichte und in geringerem Grade auch Tanne und Kiefer thun. Dies übt einen mächtigen Einfluß aus auf das Bild von dem Innern eines alten Laubholz-Hochwaldes. In diesem stehen die Bäume immer sehr räumlich und lassen einer großen Zahl niederen Volkes Raum, wozu nicht blos Gräser und Kräuter, sondern auch vielerlei Sträuche, zum Theil sogar Ausschlag der eigenen Art gehören.
Wenn wir mit Decandolle (s. das Motto auf S. 12) und mit Agard (S. 205) eine innerlich bedingte Setzung des Lebensendes eines Baumes kaum annehmen konnten, so erlaubt es das Ausschlagsvermögen der Laubholzbäume, dem Walde eine bedingte Unsterblichkeit zuzusprechen. Ein Niederwaldbestand, den wir meist als "Buschholz" bezeichnen hören, kann in regelmäßigem, etwa 20 jährigem Umtriebe immer wieder abgeholzt werden, und immer wieder schlagen die Stöcke von neuem aus. Gleich nach erfolgtem Abhiebe der Stocklohden kann man sich leicht überzeugen, wie uralt die oft sehr umfänglichen Stöcke sein mögen, in denen "die schaffende Gewalt" sich immer aufs Neue bewährt.
Ja man möchte es fast ein Spiel nennen, welches sich der Forst- mann mit dem Leben der Laubhölzer, wenigstens der meisten Arten, erlauben kann, wenn er einen Hochwald in einen Mittel- oder Nieder- wald degradirt, oder einen Niederwald zu einem Mittelwalde ja sogar zu einem Hochwalde erhebt.
Ein Waldbestand uralter Eichen wird sofort zum Niederwalde, wenn man die Eichen fällt und von den Stöcken, die man ungerodet im Boden läßt, Stockausschlag erwartet, was bei der Eiche nicht leicht vergeblich ist. Läßt dann der Forstmann nach 20 Jahren und später wieder nach 20 Jahren und sofort bei dem Abtriebe hier und da vorzüglich wüchsige Stocklohden stehen, die zuletzt sich gewissermaaßen von ihrer Stockabkunft
Abgeſehen von der freieren Bauart der Laub-Kronen, welche eine größere Manchfaltigkeit der Waldbilder hervorbringt, wird dieſe noch weſentlich unterſtützt durch die große Abwechslung der Geſtalten, welche zwiſchen einem Buſch des Niederwaldes und einem majeſtätiſchen Baume des Hochwaldes, als ihren beiden Endpunkten, liegt.
Keine Laubholzart verträgt einen ſo dichten Schluß wie die Nadel- hölzer, keine, vielleicht allein die Buche ausgenommen, unterdrückt den Unterwuchs an Kräutern und Geſträuchen ſo vollkommen, wie dies die Nadelbäume, namentlich die Fichte und in geringerem Grade auch Tanne und Kiefer thun. Dies übt einen mächtigen Einfluß aus auf das Bild von dem Innern eines alten Laubholz-Hochwaldes. In dieſem ſtehen die Bäume immer ſehr räumlich und laſſen einer großen Zahl niederen Volkes Raum, wozu nicht blos Gräſer und Kräuter, ſondern auch vielerlei Sträuche, zum Theil ſogar Ausſchlag der eigenen Art gehören.
Wenn wir mit Decandolle (ſ. das Motto auf S. 12) und mit Agard (S. 205) eine innerlich bedingte Setzung des Lebensendes eines Baumes kaum annehmen konnten, ſo erlaubt es das Ausſchlagsvermögen der Laubholzbäume, dem Walde eine bedingte Unſterblichkeit zuzuſprechen. Ein Niederwaldbeſtand, den wir meiſt als „Buſchholz“ bezeichnen hören, kann in regelmäßigem, etwa 20 jährigem Umtriebe immer wieder abgeholzt werden, und immer wieder ſchlagen die Stöcke von neuem aus. Gleich nach erfolgtem Abhiebe der Stocklohden kann man ſich leicht überzeugen, wie uralt die oft ſehr umfänglichen Stöcke ſein mögen, in denen „die ſchaffende Gewalt“ ſich immer aufs Neue bewährt.
Ja man möchte es faſt ein Spiel nennen, welches ſich der Forſt- mann mit dem Leben der Laubhölzer, wenigſtens der meiſten Arten, erlauben kann, wenn er einen Hochwald in einen Mittel- oder Nieder- wald degradirt, oder einen Niederwald zu einem Mittelwalde ja ſogar zu einem Hochwalde erhebt.
Ein Waldbeſtand uralter Eichen wird ſofort zum Niederwalde, wenn man die Eichen fällt und von den Stöcken, die man ungerodet im Boden läßt, Stockausſchlag erwartet, was bei der Eiche nicht leicht vergeblich iſt. Läßt dann der Forſtmann nach 20 Jahren und ſpäter wieder nach 20 Jahren und ſofort bei dem Abtriebe hier und da vorzüglich wüchſige Stocklohden ſtehen, die zuletzt ſich gewiſſermaaßen von ihrer Stockabkunft
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Abgeſehen von der freieren Bauart der Laub-Kronen, welche eine
größere Manchfaltigkeit der Waldbilder hervorbringt, wird dieſe noch
weſentlich unterſtützt durch die große Abwechslung der Geſtalten, welche
zwiſchen einem Buſch des Niederwaldes und einem majeſtätiſchen Baume
des Hochwaldes, als ihren beiden Endpunkten, liegt.
Keine Laubholzart verträgt einen ſo dichten Schluß wie die Nadel-
hölzer, keine, vielleicht allein die Buche ausgenommen, unterdrückt den
Unterwuchs an Kräutern und Geſträuchen ſo vollkommen, wie dies die
Nadelbäume, namentlich die Fichte und in geringerem Grade auch Tanne
und Kiefer thun. Dies übt einen mächtigen Einfluß aus auf das Bild
von dem Innern eines alten Laubholz-Hochwaldes. In dieſem ſtehen
die Bäume immer ſehr räumlich und laſſen einer großen Zahl niederen
Volkes Raum, wozu nicht blos Gräſer und Kräuter, ſondern auch vielerlei
Sträuche, zum Theil ſogar Ausſchlag der eigenen Art gehören.
Wenn wir mit Decandolle (ſ. das Motto auf S. 12) und mit
Agard (S. 205) eine innerlich bedingte Setzung des Lebensendes eines
Baumes kaum annehmen konnten, ſo erlaubt es das Ausſchlagsvermögen
der Laubholzbäume, dem Walde eine bedingte Unſterblichkeit zuzuſprechen.
Ein Niederwaldbeſtand, den wir meiſt als „Buſchholz“ bezeichnen hören,
kann in regelmäßigem, etwa 20 jährigem Umtriebe immer wieder abgeholzt
werden, und immer wieder ſchlagen die Stöcke von neuem aus. Gleich
nach erfolgtem Abhiebe der Stocklohden kann man ſich leicht überzeugen,
wie uralt die oft ſehr umfänglichen Stöcke ſein mögen, in denen „die
ſchaffende Gewalt“ ſich immer aufs Neue bewährt.
Ja man möchte es faſt ein Spiel nennen, welches ſich der Forſt-
mann mit dem Leben der Laubhölzer, wenigſtens der meiſten Arten,
erlauben kann, wenn er einen Hochwald in einen Mittel- oder Nieder-
wald degradirt, oder einen Niederwald zu einem Mittelwalde ja ſogar zu
einem Hochwalde erhebt.
Ein Waldbeſtand uralter Eichen wird ſofort zum Niederwalde, wenn
man die Eichen fällt und von den Stöcken, die man ungerodet im Boden
läßt, Stockausſchlag erwartet, was bei der Eiche nicht leicht vergeblich
iſt. Läßt dann der Forſtmann nach 20 Jahren und ſpäter wieder nach
20 Jahren und ſofort bei dem Abtriebe hier und da vorzüglich wüchſige
Stocklohden ſtehen, die zuletzt ſich gewiſſermaaßen von ihrer Stockabkunft
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/392>, abgerufen am 05.12.2024.
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