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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Es ist schwer die Zahl der Laubholzarten unseres deutschen Waldes
anzugeben, nicht sowohl deshalb, weil wir ihn nach Süden, namentlich
nach Südost politisch nicht einmal genau abzugrenzen wissen, als vielmehr
deshalb, weil es schwer zu entscheiden ist, welche strauchartigen Gewächse
wir noch als Holzpflanzen, mit der Bedeutung für den Waldbestand,
ansehen sollen, welche nicht. Begreifen wir dabei alle diejenigen im
Walde heimischen Pflanzen, welche einen ausdauernden holzigen Stengel
haben, so sind nicht blos die kleinen Heide- und Heidelbeerbüschchen,
sondern noch einige andere viel kleinere mit zu zählen. Forstlich auf-
gefaßt giebt die gewöhnliche Bezeichnung Forstkulturpflanzen aller-
dings einen bestimmteren Anhalt, indem man unter solchen die absichtlich
angebaueten oder wenn aus Selbstbesamung hervorgegangen gepflegten
Holzgewächse versteht. Dies schließt aber eine Menge selbst als Bäume
wachsender Holzpflanzen aus, um die sich der Forstmann nicht weiter
kümmert, als daß er sie, wenn er sie bei einem auszuführenden Holz-
schlage vorfindet, mit umhaut und benutzt.

Unser "Wald" ist nicht forstlich allein verstanden, er ist uns
"Wald und Forst" zugleich (siehe S. 1); wie dürfen viele Holzpflanzen
darum nicht unerwähnt lassen, weil sie uns das Waldbild vervollständigen
helfen, gewissermaaßen zu dessen Füllung beitragen; während sie dem
Forstmann vielleicht ganz gleichgiltig, ja sogar lästig sind.

Uebrigens ist selbst der Begriff der Forstkulturpflanzen -- von
welchem bei den Nadelhölzern blos der Wachholder und kaum der Taxus
ausgeschlossen sind -- bei den Laubhölzern doch keineswegs nach unten
hin scharf begrenzt. Besonders geeignete Standortsverhältnisse lassen
manchmal eine Holzart als Kulturpflanze sich geltend machen, die sonst
gar keine Beachtung findet; Strauch- oder Buscharten können dadurch
Baumcharakter annehmen. So können solche selbst einen nennenswerthen
Nutzungsertrag geben.

Sieht man in dieser Richtung die forstlichen Lehrbücher durch, so
findet man nur eine kleine Zahl von Laubholzarten als Forstkulturpflanzen
aufgeführt. Theodor Hartig zählt in der 10. Aufl. von seines Vaters,
G. L. Hartig, Lehrbuch für Förster, nur folgende "wichtigere Forstkultur-
pflanzen" aus der Abtheilung der Laubhölzer auf: 3 Eichenarten, die
Buche, 4 Birkenarten (von welchen eigentlich 2 wegzulassen waren),

Es iſt ſchwer die Zahl der Laubholzarten unſeres deutſchen Waldes
anzugeben, nicht ſowohl deshalb, weil wir ihn nach Süden, namentlich
nach Südoſt politiſch nicht einmal genau abzugrenzen wiſſen, als vielmehr
deshalb, weil es ſchwer zu entſcheiden iſt, welche ſtrauchartigen Gewächſe
wir noch als Holzpflanzen, mit der Bedeutung für den Waldbeſtand,
anſehen ſollen, welche nicht. Begreifen wir dabei alle diejenigen im
Walde heimiſchen Pflanzen, welche einen ausdauernden holzigen Stengel
haben, ſo ſind nicht blos die kleinen Heide- und Heidelbeerbüſchchen,
ſondern noch einige andere viel kleinere mit zu zählen. Forſtlich auf-
gefaßt giebt die gewöhnliche Bezeichnung Forſtkulturpflanzen aller-
dings einen beſtimmteren Anhalt, indem man unter ſolchen die abſichtlich
angebaueten oder wenn aus Selbſtbeſamung hervorgegangen gepflegten
Holzgewächſe verſteht. Dies ſchließt aber eine Menge ſelbſt als Bäume
wachſender Holzpflanzen aus, um die ſich der Forſtmann nicht weiter
kümmert, als daß er ſie, wenn er ſie bei einem auszuführenden Holz-
ſchlage vorfindet, mit umhaut und benutzt.

Unſer „Wald“ iſt nicht forſtlich allein verſtanden, er iſt uns
„Wald und Forſt“ zugleich (ſiehe S. 1); wie dürfen viele Holzpflanzen
darum nicht unerwähnt laſſen, weil ſie uns das Waldbild vervollſtändigen
helfen, gewiſſermaaßen zu deſſen Füllung beitragen; während ſie dem
Forſtmann vielleicht ganz gleichgiltig, ja ſogar läſtig ſind.

Uebrigens iſt ſelbſt der Begriff der Forſtkulturpflanzen — von
welchem bei den Nadelhölzern blos der Wachholder und kaum der Taxus
ausgeſchloſſen ſind — bei den Laubhölzern doch keineswegs nach unten
hin ſcharf begrenzt. Beſonders geeignete Standortsverhältniſſe laſſen
manchmal eine Holzart als Kulturpflanze ſich geltend machen, die ſonſt
gar keine Beachtung findet; Strauch- oder Buſcharten können dadurch
Baumcharakter annehmen. So können ſolche ſelbſt einen nennenswerthen
Nutzungsertrag geben.

Sieht man in dieſer Richtung die forſtlichen Lehrbücher durch, ſo
findet man nur eine kleine Zahl von Laubholzarten als Forſtkulturpflanzen
aufgeführt. Theodor Hartig zählt in der 10. Aufl. von ſeines Vaters,
G. L. Hartig, Lehrbuch für Förſter, nur folgende „wichtigere Forſtkultur-
pflanzen“ aus der Abtheilung der Laubhölzer auf: 3 Eichenarten, die
Buche, 4 Birkenarten (von welchen eigentlich 2 wegzulaſſen waren),

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[356/0390] Es iſt ſchwer die Zahl der Laubholzarten unſeres deutſchen Waldes anzugeben, nicht ſowohl deshalb, weil wir ihn nach Süden, namentlich nach Südoſt politiſch nicht einmal genau abzugrenzen wiſſen, als vielmehr deshalb, weil es ſchwer zu entſcheiden iſt, welche ſtrauchartigen Gewächſe wir noch als Holzpflanzen, mit der Bedeutung für den Waldbeſtand, anſehen ſollen, welche nicht. Begreifen wir dabei alle diejenigen im Walde heimiſchen Pflanzen, welche einen ausdauernden holzigen Stengel haben, ſo ſind nicht blos die kleinen Heide- und Heidelbeerbüſchchen, ſondern noch einige andere viel kleinere mit zu zählen. Forſtlich auf- gefaßt giebt die gewöhnliche Bezeichnung Forſtkulturpflanzen aller- dings einen beſtimmteren Anhalt, indem man unter ſolchen die abſichtlich angebaueten oder wenn aus Selbſtbeſamung hervorgegangen gepflegten Holzgewächſe verſteht. Dies ſchließt aber eine Menge ſelbſt als Bäume wachſender Holzpflanzen aus, um die ſich der Forſtmann nicht weiter kümmert, als daß er ſie, wenn er ſie bei einem auszuführenden Holz- ſchlage vorfindet, mit umhaut und benutzt. Unſer „Wald“ iſt nicht forſtlich allein verſtanden, er iſt uns „Wald und Forſt“ zugleich (ſiehe S. 1); wie dürfen viele Holzpflanzen darum nicht unerwähnt laſſen, weil ſie uns das Waldbild vervollſtändigen helfen, gewiſſermaaßen zu deſſen Füllung beitragen; während ſie dem Forſtmann vielleicht ganz gleichgiltig, ja ſogar läſtig ſind. Uebrigens iſt ſelbſt der Begriff der Forſtkulturpflanzen — von welchem bei den Nadelhölzern blos der Wachholder und kaum der Taxus ausgeſchloſſen ſind — bei den Laubhölzern doch keineswegs nach unten hin ſcharf begrenzt. Beſonders geeignete Standortsverhältniſſe laſſen manchmal eine Holzart als Kulturpflanze ſich geltend machen, die ſonſt gar keine Beachtung findet; Strauch- oder Buſcharten können dadurch Baumcharakter annehmen. So können ſolche ſelbſt einen nennenswerthen Nutzungsertrag geben. Sieht man in dieſer Richtung die forſtlichen Lehrbücher durch, ſo findet man nur eine kleine Zahl von Laubholzarten als Forſtkulturpflanzen aufgeführt. Theodor Hartig zählt in der 10. Aufl. von ſeines Vaters, G. L. Hartig, Lehrbuch für Förſter, nur folgende „wichtigere Forſtkultur- pflanzen“ aus der Abtheilung der Laubhölzer auf: 3 Eichenarten, die Buche, 4 Birkenarten (von welchen eigentlich 2 wegzulaſſen waren),

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/390>, abgerufen am 15.06.2024.